So mögen es die Briten
Das Klassikfestival im ländlichen Glyndebourne ist eine Institution auf der Insel. Hier gibt es nicht nur hochkarätige Aufführungen. Ausgiebig pflegt man auch die Tradition des Picknicks
Mit britischer Gelassenheit stakst die Dame im langen schwarzen Abendkleid und HighHeels über den in englischer Manier perfekt getrimmten Rasen, in der einen Hand zwei Campingstühle, in der anderen eine Kühltasche voller Champagner. Die Pailletten ihrer Robe glitzern in der Nachmittagssonne noch mehr als sonst, an ihrer Seite schleppt ihr Mann im Smoking Tüten mit Lachs und Leinenservietten, Erdbeeren und Entenleber, Tafelsilber und Thermoskanne. Während der laue Wind das Blöken der Schafe von den nahen Feldern wie Begleitmusik herüberträgt und die Rosen, Glockenblumen und Palmen miertesten Opernstätten mit hochgelobten Produktionen und berühmten Sängern und Dirigenten. „Wir sind durch und durch englisch mit unserer ländlichen Umgebung und der Tradition des Picknickens. Aber was wir auf der Bühne bieten, ist bezüglich Besetzung, Perspektive und Standard international“, sagt Serena Davies, KommunikationsChefin von Glyndebourne. Jedes Jahr besuchen rund 90 000 Menschen das Festival, das sich in einer Liga mit Salzburg oder Bayreuth sieht. Etwa zehn Prozent der Besucher kommen aus dem Ausland.
Diese Saison werden bis Ende August mit Cavallis „Hipermestra“, Verdis „La traviata“, Deans „Hamlet“, Strauss’ „Ariadne auf Naxos“, Donizettis „Don Pasquale“und Mozarts „La clemenza di Tito“fünf Produktionen auf die Bühne gebracht. „Die Opern waren und sind immer eine Mischung aus Tradition und Innovation“, sagt Davies. So habe man etwa vergessene Komponisten wiederentdeckt oder Premieren von bedeutungsvollen neuen Opern gefeiert wie in diesem Jahr „Hamlet“des Australiers Brett Dean.
Das Festival ist Teil der gesellschaftlichen Saison im Königreich, nur geht es deutlich weniger schrill und pompös zu als etwa beim Pferderennen Ascot. Früher kamen die Superreichen zwar noch im Helikopter, die auf einem der angren- zenden Felder landeten, doch irgendwann gab man den Gästen zu verstehen, dass Butler wie auch Hubschrauber unerwünscht sind. Stattdessen wurde eine Windkraftanlage errichtet. „Es kommt ohne Bling aus und ist so angenehm zurückhaltend“, findet denn auch ein Gast mit Namen Daniel, herausgeputzt mit schwarzer Fliege und wie seine drei Freunde Stammgast seit vielen Jahren. Das finanziell autarke Festival, das sich über Ticketverkäufe, Spender und Mitglieder trägt, kommt ohne offiziellen Dresscode aus und gibt doch eine Empfehlung – Abendkleid beziehungsweise Dinnerjacket –, die besser ernst genommen wird. Wer in Jeans oder Freizeithemd auftaucht, fällt auf, auch wenn die Höflichkeit der Briten einen Kommentar zur Unkorrektheit verbietet.
Es ist eines der ältesten Opernfestivals, gegründet vom wohlhabenden Musikfreund John Christie, der klagte, dass diese Form der Klassik in England beinahe „nicht existent“sei. Nachdem der adelige Landbesitzer Anfang der 1930er Jahre die Sopranistin Audrey Mildmay geheiratet und mit ihr sowohl die Festspiele in Salzburg als auch jene in Bayreuth besucht hatte, fasste das Paar den Plan, ebenfalls eine solche Stätte zu errichten. Mit Fritz Busch aus Dresden als Dirigent und dem ehemaligen Intendanten der Städtischen Oper Berlin, Carl Ebert, beide unter dem Hitler-Regime verfolgt, rief Christie das Festival in Glyndebourne ins Leben. Am 28. Mai 1934 öffnete sich zum ersten Mal der Vorhang für Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“.
Seitdem hat sich einiges getan, der Charme und die Intimität aber blieben. Augustus „Gus“Christie, Enkel des Gründers, leitet heute mit seiner Frau, ebenfalls Sopranistin, das Festival und lebt auch auf dem herrlichen Gelände. Das für seine akustische Brillanz gelobte Opernhaus fasst seit dem Neubau, der 1996 eingeweiht wurde, 1200 Besucher.
Doch es ist eben nicht nur der Zauber der Musik, der die Briten und Klassikfans aus aller Welt ins