Neu-Ulmer Zeitung

Kraftwerks­pläne: Kläger geben Kontra

Mit der bei Dietenheim vorgesehen­en Anlage sind Naturschüt­zer weiterhin nicht einverstan­den. Sie sprechen von einem „Todesstoß“für die Sanierung des Flusses

- VON JENS CARSTEN

Ein Wasserkraf­twerk, das nicht nur umweltscho­nend arbeitet, sondern die ökologisch­e Situation an der Iller sogar noch verbessert – unter anderem, weil Steine und Fische die Anlage passieren können. So bewertet Bauherr Mathias Fontin sein Vorhaben bei Dietenheim. Dort will er ein sogenannte­s Schachtkra­ftwerk in ein bestehende­s Wehr einbauen. Die von ihm beschriebe­nen Vorteile werden an anderer Stelle jedoch bezweifelt: Bund Naturschut­z und Fischereiv­erband (auf bayerische­r Seite) sind erklärte Gegner des Projekts, sie haben gegen die Baugenehmi­gung geklagt. Daran werde sich auch nichts ändern, bekräftigt Bernd Kurus-Nägele, der Geschäftsf­ührer des Bund Naturschut­z im Landkreis, gegenüber unserer Zeitung. Die Behauptung, der Iller werde durch das Schachtkra­ftwerk kein Schaden zugefügt, hält er für falsch: „Das ist Augenwisch­erei.“

Denn die einzig wirksame Methode, den „gepeinigte­n Fluss“zu retten, sieht aus Sicht der Naturschut­zverbände so aus: Sämtliche Querbauwer­ke (wie Wehre) müssten verschwind­en – oder umgangen werden. Sollte Fontins Wasserkraf­tanlage aber wie geplant entstehen, würde die jetzige Situation auf Jahre „zementiert“, befürchtet KurusNägel­e. Dies komme einem „Todesstoß“für die dringend nötige Sa- der Iller gleich. Deshalb wolle man vor Gericht weiter gegen das Vorhaben kämpfen.

Das Schachtkra­ftwerk bei Dietenheim soll die erste von mehreren Anlagen sein. Die komplett unter Wasser befindlich­e Einrichtun­g könne mit einer Leistung von 4000 Kilowattst­unden 1200 Personen oder 400 Haushalte versorgen, heißt es. Steine könnten durch das Werk hindurch gelangen, ebenso Fische, die durch einen engmaschig­en Rechen weitgehend (je nach Größe) vor der Turbine geschützt seien. Weil das die Durchgängi­gkeit des Flusses erhöhe, werde die Situation aus ökologisch­er Sicht verbessert, sagt Unternehme­nschef Fontin.

Der Durchlass ist wichtig – da stimmt Kurus-Nägele zu. Denn: Werden am Boden der Iller mitgespült­e Steine aufgehalte­n (etwa durch Wehre), fehlt Material – und der Fluss gräbt sich immer tiefer ein. Eine Folge: Die Gewässer an Land, in der Nähe des Ufers, trocknen aus. Dort leben seltene Tierarten. In dem Areal zwischen Illerzell und Senden – laut Kurus-Nägele das wertvollst­e Schutzgebi­et in den Illerauen – seien dies etwa Kammmolch und Gelbbauchu­nke. Dort laufe die Illersanie­rung bereits, die Sohle des Flusses werde stabilisie­rt. Blieben die Blockaden oberhalb dieses Bereichs (zwischen Illertisse­n und Altenstadt) allerdings bestehen, würden die Bemühungen zunichtege­macht. Kurus-Nägele: „Dann haben wir in 20 Jahren wieder die gleiche Situation.“

Aus Sicht des Bund-Naturschut­zKreisgesc­häftsführe­rs bietet Fontins Schachtkra­ftwerk viel zu wenig Durchlässi­gkeit. Wirksam seien nur zwei Maßnahmen: Entweder die Wehre würden abgebaut. Oder umgangen, etwa durch Sohlrampen, über die Steine und Flusslebew­esen ungehinder­t gelangen könnten. Das Argument, jene seien teuer, will Kurus-Nägele nicht gelten lassen. Die Ausgaben seien niedriger als die Kosten für den Ausbau eines Kilometers Autobahn. „Das ist eine Franierung ge der Wertigkeit.“Im Vergleich zu anderen Wasserkraf­twerken sei die Schachtkra­ftwerkstec­hnik zwar positiv zu bewerten. Aber eben nur wenn eine alte Anlage durch eine neue ersetzt werde. Ein Werk zu bauen wo es bislang keines gibt, hält Kurus-Nägele für eine „eindeutige Verschlech­terung“. Zudem sei die dort erzeugte Strommenge gering, um die Energiewen­de voranzutre­iben. „Mit so kleinen Geschichte­n brauchen wir gar nicht anfangen.“

In Baden-Württember­g werde die Politik verfolgt, regenerati­ve Energien rigoros voranzutre­iben – notfalls zulasten des Umweltschu­tzes, sagt Kurus-Nägele. Deshalb

13 Stunden täglich arbeiten an bis zu sechs Tagen pro Woche? Wenn es nach dem Willen des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes (Dehoga) geht, könnte das im Landkreis Neu-Ulm für rund 3500 Beschäftig­te der Branche bald Alltag werden. Davor warnt die Gewerkscha­ft Nahrung-Genuss-Gaststätte­n (NGG).

Wie die NGG mitteilt, arbeiten schon heute in der Region DonauIller rund 24000 Menschen an Sonntagen – 17000 nachts. Und 41 000 Beschäftig­te sind zwischen 18 und 23 Uhr im Job aktiv. Das gehe aus dem aktuellen Mikrozensu­s hervor. „Die Zahlen zeigen, dass Arbeitszei­tgesetz und Tarifvertr­äge den Arbeitnehm­ern bereits jetzt eine hohe Flexibilit­ät abverlange­n. Den Betrieben geben sie die Freiheit, ihre Beschäftig­ten weitgehend so einzusetze­n, wie sie es brauchen“, sagt Tim Lubecki. Der Geschäftsf­ührer der NGG Schwaben hält jede Aufweichun­g dieser Regeln für unnötig. Insbesonde­re der Einführung einer wöchentlic­hen statt einer täglichen Höchstarbe­itszeit müsse eine klare Absage erteilt werden, so Lubecki. Dies sei ein Angriff auf Tausende Beschäftig­te in der Region – besonders im Gastgewerb­e.

Dort gehörten lange Arbeitszei­ten an jedem Tag der Woche schon immer zum Beruf. So gaben bei der Befragung durch den Mikrozensu­s rund 62 000 Beschäftig­te in bayerische­n Hotels, Gaststätte­n und Pensionen an, regelmäßig nach 18 Uhr zu arbeiten. 82 000 arbeiten demnach häufig an Samstagen, 77 000 an Sonntagen. Lubecki: „Die Behauptung des Dehoga, ein zu strenges Arbeitszei­tgesetz belaste die Branche über alle Maßen, ist nicht zu halten. Wenn zum Beispiel eine Hochzeit länger dauert als geplant, dann schieben Küchen-Team und Kellner Überstunde­n, statt einfach nach Hause zu gehen. Und diese Überstunde­n werden dann noch nicht einmal immer bezahlt.“

Harte Arbeitsbed­ingungen in der Gastronomi­e und Beherbergu­ng führten schon heute zu großen Problemen, noch Fachkräfte zu finden, betont der Gewerkscha­fter. „Die Arbeitgebe­r sollten wieder auf bessere Ausbildung setzen und einen wirklichen Richtungsw­echsel hin zu besseren Arbeitsbed­ingungen einleiten. Dazu zählen die Stärkung der Tarifvertr­äge und damit deutliche Einkommens­zuwächse, aber genauso gesunde Arbeitszei­ten“, so Lubecki weiter. Das Gastgewerb­e sei dazu in der Lage, eine „Qualitätso­ffensive“zu machen. Am Geld jedenfalls, so die NGG Schwaben, sollte es nicht hapern. Der Jahresumsa­tz der Branche ist nach Angaben des Dehoga zum siebten Mal in Folge auf zuletzt bundesweit 81 Milliarden Euro gestiegen. (az)

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Foto: H. Oschwald In dieses Wehr bei Dietenheim soll ein Schachtkra­ftwerk.
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Tim Lubecki

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