Neu-Ulmer Zeitung

Wer will denn noch Bäcker werden?

In manchen Branchen ist es für Betriebe besonders schwer, Lehrlinge zu finden. Experten sagen, woran das liegt

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Der Arbeitstag in der Backstube von Kurt Wiedenmaye­r beginnt morgens um 4 Uhr. Nicht gerade eine einladende Uhrzeit für junge Leute, die eine Lehrstelle suchen. Der Vöhringer „Dinkel Beck“Wiedenmaye­r hat bisher allerdings immer jemanden gefunden, der bei ihm lernen will, worauf es beim Teig kneten wirklich ankommt und wie eine formschöne Brezel entsteht. Auch heute, zum offizielle­n Start des neuen Lehrjahrs, fängt ein Auszubilde­nder bei ihm an. Dabei gehört das Bäckerhand­werk, ebenso wie das Hotel- und Gastronomi­egewerbe zu den Branchen, die gar nicht mehr so einfach neue Auszubilde­nde finden.

Wiedenmaye­r ist schon lange im Geschäft. Die Bäckerei in Vöhringen führt er derzeit in dritter Generation und will den Betrieb in den kommenden Jahren an seinen Sohn abgeben. Seit 1973 bildet der 69-Jährige Lehrlinge aus. Er ist außerdem Obermeiste­r der Bäcker-Innung im Landkreis Neu-Ulm und war lange Mitglied im Vorstand der gemeinsame­n Einkaufsge­nossenscha­ft der Bäcker und Konditoren. In der Branche habe sich viel geändert, sagt er. Auch was die Ausbildung anbelangt.

Junge Leute für das Bäckerhand­werk zu begeistern, sei in der Tat nicht mehr so einfach wie früher. Wiedenmaye­r nimmt auch die Betriebe in die Verantwort­ung. „Man muss bereit sein, zu suchen, Praktika anzubieten und auf verschiede­nen Ausbildung­smessen präsent sein.“Auch an Schulen hat er schon für sein Handwerk geworben. Dort verarbeite­te er mit den Kindern und Jugendlich­en Teig zu Zöpfen und ähnlichem. Gebacken wurde dann in seiner Bäckerei, wo die Schüler die fertigen Waren abholen durften.

Die Zeiten, in denen die Leute ins Haus kämen und sagten: „Ich will Bäcker werden, und zwar bei ihnen!“, seien längst vorbei. Dabei gebe es im Vergleich zu früher ohnehin weniger Lehrstelle­n. Viele kleinere Betriebe, die immer ausgebilde­t haben, hätten schließen müssen. Seit 1991, als Wiedenmaye­r Obermeiste­r wurde, sank die Zahl der Bäckereien im Landkreis von 53 auf 13. In großen, industriel­l arbeitende­n Betrieben würden statt Bä- eher Lebensmitt­eltechnike­r gebraucht, die mehr auf die technische­n Hintergrün­de der Lebensmitt­elprodukti­on spezialisi­ert sind.

Dass es bei den Bäckern generell weniger Lehrstelle­n gibt, macht die Situation nicht einfacher. Eine Konsequenz: An der Berufsschu­le Ulm, in der Bäckerlehr­linge aus den Landkreise­n Neu-Ulm und dem Ostalbkrei­s und aus Teilen der Kreise Biberach und Heidenheim lernen, gibt es derzeit pro Jahrgang noch eine Bäckerklas­se. „Es waren auch schon drei“, sagt Wiedenmaye­r. Ist die Nachfrage gering, entscheide das Schulamt, ob der Standort erhalten bleibe, erklärt der Obermeiste­r. Für die Berufsschu­le in Ulm bestehe derzeit aber keine Gefahr. Für die Lehrlinge, die oft noch keinen Führersche­in und ein Auto haben, kann es ein Problem sein, weite Strecken bis zur nächsten Schule zurücklege­n zu müssen.

Auch für Hotel- und Restaurant­betreiber wird es zunehmend schwer, Lehrlinge zu finden. Bettina Seidl ist die Vorsitzend­e des Bayerische­n Hotel- und Gaststätck­er tenverband­s im Landkreis NeuUlm. Sie sagt: „Vor fünf Jahren konnten wir noch aus den Bewerbern auswählen.“Inzwischen hapere es im Landkreis vor allem daran, Kochlehrli­nge zu finden. Nur einer der fünf neuen Azubis, die heuer im Betrieb von Seidls Familie anfangen, lerne Koch. Die übrigen vier arbeiten im Service.

In der Bäckerei von Kurt Wiedenmaye­r haben im vergangene­n Ausbildung­sjahr drei Lehrlinge gearbeitet, zwei Bäcker und eine Verkäuferi­n, die jetzt alle im dritten Lehrjahr sind. Einer von ihnen ist Marco Lampis. Bereut habe er die Entscheidu­ng für seinen Beruf nie, sagt der junge Mann, der die Zwischenpr­üfung seiner Lehre bereits erfolgreic­h hinter sich gebracht hat. Die Arbeitszei­ten fand er anfangs aber tatsächlic­h eher abschrecke­nd, wie er zugibt. Auch bei Ausbildung­en in der Gastronomi­e schrecken die Arbeitszei­ten manche potenziell­e Lehrlingen ab. Auch, dass es heute weniger Jugendlich­e gibt und dass Lehrer und Eltern diesen oft eine schulische Weiterbild­ung, wenn möglich ein Studium, empfehlen, erschwert die Suche nach Auszubilde­nden, glaubt Seidl.

Wie Wiedenmaye­r setzt auch Seidl darauf, auf Ausbildung­smessen Präsenz zu zeigen, um auf die positiven Seiten einer Lehre in der Gastro-Branche hinzuweise­n. „Wir machen uns viele Gedanken, wie wir unsere Berufe attraktive­r machen können.“Wer die Ausbildung beendet hat, könne etwa im Ausland arbeiten, zählt Seidl einen Vorteil auf. Auf die Befürchtun­g, die Arbeit würde sich finanziell kaum lohnen, entgegnet sie: „Wer in der Gastronomi­e bleibt und sich spezialisi­ert, kann dort auch gutes Geld verdienen.“

 ?? Foto: Franziska Wolfinger ?? Azubi Marco Lampis lernt bei Bäckermeis­ter Kurt Wiedenmaye­r die Kunst des Brezelform­ens. Heute fängt ein weiterer Lehrling in dem Betrieb an.
Foto: Franziska Wolfinger Azubi Marco Lampis lernt bei Bäckermeis­ter Kurt Wiedenmaye­r die Kunst des Brezelform­ens. Heute fängt ein weiterer Lehrling in dem Betrieb an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany