Wer will denn noch Bäcker werden?
In manchen Branchen ist es für Betriebe besonders schwer, Lehrlinge zu finden. Experten sagen, woran das liegt
Der Arbeitstag in der Backstube von Kurt Wiedenmayer beginnt morgens um 4 Uhr. Nicht gerade eine einladende Uhrzeit für junge Leute, die eine Lehrstelle suchen. Der Vöhringer „Dinkel Beck“Wiedenmayer hat bisher allerdings immer jemanden gefunden, der bei ihm lernen will, worauf es beim Teig kneten wirklich ankommt und wie eine formschöne Brezel entsteht. Auch heute, zum offiziellen Start des neuen Lehrjahrs, fängt ein Auszubildender bei ihm an. Dabei gehört das Bäckerhandwerk, ebenso wie das Hotel- und Gastronomiegewerbe zu den Branchen, die gar nicht mehr so einfach neue Auszubildende finden.
Wiedenmayer ist schon lange im Geschäft. Die Bäckerei in Vöhringen führt er derzeit in dritter Generation und will den Betrieb in den kommenden Jahren an seinen Sohn abgeben. Seit 1973 bildet der 69-Jährige Lehrlinge aus. Er ist außerdem Obermeister der Bäcker-Innung im Landkreis Neu-Ulm und war lange Mitglied im Vorstand der gemeinsamen Einkaufsgenossenschaft der Bäcker und Konditoren. In der Branche habe sich viel geändert, sagt er. Auch was die Ausbildung anbelangt.
Junge Leute für das Bäckerhandwerk zu begeistern, sei in der Tat nicht mehr so einfach wie früher. Wiedenmayer nimmt auch die Betriebe in die Verantwortung. „Man muss bereit sein, zu suchen, Praktika anzubieten und auf verschiedenen Ausbildungsmessen präsent sein.“Auch an Schulen hat er schon für sein Handwerk geworben. Dort verarbeitete er mit den Kindern und Jugendlichen Teig zu Zöpfen und ähnlichem. Gebacken wurde dann in seiner Bäckerei, wo die Schüler die fertigen Waren abholen durften.
Die Zeiten, in denen die Leute ins Haus kämen und sagten: „Ich will Bäcker werden, und zwar bei ihnen!“, seien längst vorbei. Dabei gebe es im Vergleich zu früher ohnehin weniger Lehrstellen. Viele kleinere Betriebe, die immer ausgebildet haben, hätten schließen müssen. Seit 1991, als Wiedenmayer Obermeister wurde, sank die Zahl der Bäckereien im Landkreis von 53 auf 13. In großen, industriell arbeitenden Betrieben würden statt Bä- eher Lebensmitteltechniker gebraucht, die mehr auf die technischen Hintergründe der Lebensmittelproduktion spezialisiert sind.
Dass es bei den Bäckern generell weniger Lehrstellen gibt, macht die Situation nicht einfacher. Eine Konsequenz: An der Berufsschule Ulm, in der Bäckerlehrlinge aus den Landkreisen Neu-Ulm und dem Ostalbkreis und aus Teilen der Kreise Biberach und Heidenheim lernen, gibt es derzeit pro Jahrgang noch eine Bäckerklasse. „Es waren auch schon drei“, sagt Wiedenmayer. Ist die Nachfrage gering, entscheide das Schulamt, ob der Standort erhalten bleibe, erklärt der Obermeister. Für die Berufsschule in Ulm bestehe derzeit aber keine Gefahr. Für die Lehrlinge, die oft noch keinen Führerschein und ein Auto haben, kann es ein Problem sein, weite Strecken bis zur nächsten Schule zurücklegen zu müssen.
Auch für Hotel- und Restaurantbetreiber wird es zunehmend schwer, Lehrlinge zu finden. Bettina Seidl ist die Vorsitzende des Bayerischen Hotel- und Gaststätcker tenverbands im Landkreis NeuUlm. Sie sagt: „Vor fünf Jahren konnten wir noch aus den Bewerbern auswählen.“Inzwischen hapere es im Landkreis vor allem daran, Kochlehrlinge zu finden. Nur einer der fünf neuen Azubis, die heuer im Betrieb von Seidls Familie anfangen, lerne Koch. Die übrigen vier arbeiten im Service.
In der Bäckerei von Kurt Wiedenmayer haben im vergangenen Ausbildungsjahr drei Lehrlinge gearbeitet, zwei Bäcker und eine Verkäuferin, die jetzt alle im dritten Lehrjahr sind. Einer von ihnen ist Marco Lampis. Bereut habe er die Entscheidung für seinen Beruf nie, sagt der junge Mann, der die Zwischenprüfung seiner Lehre bereits erfolgreich hinter sich gebracht hat. Die Arbeitszeiten fand er anfangs aber tatsächlich eher abschreckend, wie er zugibt. Auch bei Ausbildungen in der Gastronomie schrecken die Arbeitszeiten manche potenzielle Lehrlingen ab. Auch, dass es heute weniger Jugendliche gibt und dass Lehrer und Eltern diesen oft eine schulische Weiterbildung, wenn möglich ein Studium, empfehlen, erschwert die Suche nach Auszubildenden, glaubt Seidl.
Wie Wiedenmayer setzt auch Seidl darauf, auf Ausbildungsmessen Präsenz zu zeigen, um auf die positiven Seiten einer Lehre in der Gastro-Branche hinzuweisen. „Wir machen uns viele Gedanken, wie wir unsere Berufe attraktiver machen können.“Wer die Ausbildung beendet hat, könne etwa im Ausland arbeiten, zählt Seidl einen Vorteil auf. Auf die Befürchtung, die Arbeit würde sich finanziell kaum lohnen, entgegnet sie: „Wer in der Gastronomie bleibt und sich spezialisiert, kann dort auch gutes Geld verdienen.“