Neu-Ulmer Zeitung

Hasstirade­n im Schein der Tütenlampe

Die Grüne Claudia Roth bittet zum ersten „Hate Slam“und liest aus den Schmähbrie­fen vor, die regelmäßig bei ihr eingehen. Das ist manchmal schwer erträglich

- VON RONALD HINZPETER

Was ein „Poetry Slam“ist, hat sich einigermaß­en herumgespr­ochen, nämlich eine Art verschärft­e Dichterles­ung. Als ziemlich neu kann das Genre des „Hate Slam“gelten, den bereits einige Zeitungen mit Erfolg aufgeführt haben: Redakteure lesen aus Leserbrief­en vor, die so rüde formuliert sind, dass sie ganz unten in der Schublade beerdigt werden müssen. Wenn es um HassBriefe geht, dürfte die Grünen-Ikone Claudia Roth eine der Haupt-Empfängeri­nnen sein. An der Babenhause­rin scheiden sich die Geister – und das bekommt sie täglich zu spüren. Hatte sie bisher nur im kleinen Kreis gelegentli­ch aus Schmähzusc­hriften zitiert, so öffnete sie jetzt zum ersten Mal ganz weit ihren Giftschran­k und bat in ihrer Geburtssta­dt Ulm zum „Hate Slam“.

Die Aussicht auf Deftiges und Widerliche­s lockt an diesem Abend viele, vor allem Junge, in die Ulmer 50er-Jahre-Kneipe Swobster’s. Etliche müssen wieder nach Hause geschickt werden, weil ohnehin schon fast zu viele im Schein der Tütenlampe­n den Schmäh-Tiraden lauschen wollen. Sie werden nicht enttäuscht.

Doch so skurril und absurd so manche anonym abgeschick­te Wortmeldun­g aus dem Postfach der Bundestags-Vizepräsid­entin auch wirke, so nervenzerr­end werden die niederträc­htigen Zitate im Laufe des Abends – und das geht auch an Claudia Roth nicht spurlos vorbei: Es ist dann doch nicht so leicht, widerliche Worte, welche auf die eigene Person gemünzt sind, öffentlich vorzutrage­n. Die Belastung ist ihr im Lauf des Abends sichtlich anzusehen, und sie räumt im Gespräch hinterher ein, dass dies dann doch ein sehr anstrengen­der Auftritt gewesen sei.

Was so alles an verbalem Unflat ausgekippt wird, lässt hier nur teilweise wiedergebe­n, etwa Bemerkunge­n wie „Fatima Roth“sei eine „durchgekna­llte Bauchtänze­rin“oder eine „fette Qualle“. Doch oft tummeln sich die Schreiber weit unter der Gürtellini­e und geben ihre „sexuellen Gewaltfant­asien“kund, wie Claudia Roth sie nennt. Dann fallen immer wieder Worte wie „ficken“und „Fotze“oder es werden verschiede­ne Tötungsart­en wie „an die Wand stellen“, „aufhängen“oder „vergasen“durchgespi­elt. Dagegen geht die Politikeri­n mittlerwei­le juristisch vor, was für die Betreffend­en teuer werden kann. So kostet etwa die Forderung, Claudia Roth „vielmal aufzuhänge­n“nach einem Gerichtsur­teil 4920 Euro.

Ähnliche Schmähunge­n kennen auch andere Grüne wie die junge Ulmer Stadträtin Lena Schwelling, der offenbar gerne unterstell­t wird, als sie noch Kind war, sei wohl die Schaukel zu nahe an der Hauswand gestanden. Der Grünen-Bundestags­kandidat Marcel Emmerich steuert noch die Unterstell­ung „ihr Vorhautpar­asiten“bei.

Angesichts der vorgetrage­nen harten Hassattack­en macht sich zeitweilig bedrücktes Schweigen im Swobster’s breit und Claudia Roth findet es mittendrin an der Zeit, doch erst mal ein Beruhigung­sbier zu ordern. Sie kennt die Herabsetzz­ungen, seit sie an herausgeho­bener Stelle politisch aktiv ist, also seit drei Jahrzehnte­n. Das geht nicht immer spurlos an ihr vorbei, „vor allem, wenn dir’s mal nicht gut geht“. Doch nachlassen werde sie nicht: „Ich schenke denen nicht meine Angst. Einschücht­ern lasse ich mich nicht.“Am Ende streckt sie mit ernstem Blick den Krug in die Luft und es wirkt wie eine geballte Faust. Zu einem handfesten Streit zwischen zwei Männern ist es am Donnerstag­abend im Ulmer Hauptbahnh­of gekommen. Nach jetzigem Stand der Ermittlung­en zog ein 24-jähriger Tatverdäch­tiger einem 38-Jährigen von hinten die Beine weg, sodass dieser das Gleichgewi­cht verlor und zu Boden fiel. Als der Mann wieder aufstand, trat der Tatverdäch­tige ihm offenbar in den Bauch. Ein Mitarbeite­r der Bahn verständig­te die Polizei. Sichtbare Verletzung­en erlitt der 38-Jährige bei dem Angriff nicht. Grund für die Auseinande­rsetzung waren offenbar persönlich­e Belange, da beide Personen sich kannten. Der Angreifer muss nun mit einem Strafverfa­hren wegen Körperverl­etzung rechnen. (az)

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Foto: Andreas Brücken Claudia Roth, Grünen Ikone und Bundestags Vizepräsid­entin, bekommt besonders viele Hass Zuschrifte­n. In Ulm hat sie jetzt erstmals vor größerem Publikum daraus vorgetrage­n. ULM

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