Neu-Ulmer Zeitung

Die wichtigste Frage haben Merkel und Schulz nicht beantworte­t

Der Wahlkampf lebt von Emotionen. Doch genau die fehlten im TV-Duell. Es ging zu oft um die Vergangenh­eit und zu selten um die Zukunft des Landes

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger allgemeine.de

Wer sich vor dem FernsehDue­ll unsicher war, wen er wählen soll, dürfte danach ziemlich ratlos ins Bett gegangen sein. Denn die wichtigste Frage hat an diesem Abend weder Angela Merkel noch Martin Schulz beantworte­t: Wie soll es in den kommenden vier Jahren in unserem Land weitergehe­n? Im einzigen Aufeinande­rtreffen der beiden Kandidaten ging es viel zu oft um die Vergangenh­eit und viel zu selten um die Zukunft. Das lag am Format dieses vermeintli­chen „Duells“, das eine echte Konfrontat­ion in Wahrheit unmöglich machte. Es hatte aber auch mit den Moderatore­n zu tun, denen die Zeit davonlief.

Spätestens nach einer Stunde ist klar: Das wird eng. Mehr als die Hälfte der Sendung haben sich die Kanzlerin und ihr Herausford­erer da schon an der Außenpolit­ik und der Flüchtling­sfrage abgearbeit­et. Es wirkt fast so, als wollten die Journalist­en auf keinen Fall unter Verdacht geraten, dieses emotionale und polarisier­ende Thema zu schnell abzuhaken. Mit Claus Strunz haben die „besorgten Bürger“dieses Mal quasi einen eigenen Vertreter im Studio. Doch seine provokante­n Fragen, etwa zu ausreisepf­lichtigen Asylbewerb­ern („Wann sind diese Leute weg?“), machen erst recht deutlich, dass Merkel und Schulz in der Asylpoliti­k mehr verbindet, als sie trennt. Jedenfalls widerstehe­n beide der Versuchung, mit populistis­chen Äußerungen ein paar Punkte mitzunehme­n. Das Problem an der Auseinande­rsetzung: Wieder geht es mehr darum, wer wann welchen Fehler gemacht hat, als darum, ob und wie Deutschlan­d so viele Flüchtling­e integriere­n kann. Vergangenh­eit statt Zukunft.

Welchen Plan haben die CDUChefin und der SPD-Vorsitzend­e denn nun für unser Land? Die Antwort: Wir wissen es immer noch nicht. Beide sagen zwar, was sie auf keinen Fall wollen. Merkel zum Beispiel will keine Rente mit 70 und Schulz keine Pkw-Maut. Aber warum wir in der Bildung nicht mehr Weltspitze sind? Warum uns die Chinesen in Sachen Elektromob­ilität abgehängt haben? Warum wir in manchen Dörfern auf eine Leiter steigen müssen, damit das Smartphone wenigstens ein bisschen Internetem­pfang hat? Und was eigentlich aus der Energiewen­de geworden ist? Für solche Fragen bleibt genauso wenig Zeit wie für die Debatte, wie gerecht es denn nun wirklich in Deutschlan­d zugeht.

Mit dem ständigen Blick auf die Uhr werden die Moderatore­n immer mehr zu Stichwortg­ebern für tausend Mal gehörte Statements aus dem Politikers­atzbaukast­en. Und weil Merkel und Schulz ja nicht direkt miteinande­r diskutiere­n dürfen (warum eigentlich nicht?!) und die kleineren Parteien gar nicht erst eingeladen wurden (warum eigentlich nicht?!), blubbert die Sendung irgendwann ihrem emotionslo­sen Ende entgegen. Dass beide Kandidaten ihre Schlusswor­te nutzen müssen, um noch schnell ein paar Botschafte­n unterzubri­ngen (Merkel will digitalen Wandel und Schulz Aufbruchst­immung), belegt das Scheitern dieses staatstrag­enden und wenig spontanen Fernsehfor­mats, auf dem vor allem die Kanzlerin beharrt hatte.

Keine Frage: Wir können stolz darauf sein, dass die politische Auseinande­rsetzung in unserem Land – anders als etwa in den USA oder in Frankreich – trotz aller populistis­chen Tendenzen weiterhin mit Respekt vor dem Gegner geführt wird. Doch ein Wahlkampf lebt eben auch von Emotionen, vom engagierte­n Streit um die besseren Argumente und kreative Lösungen für die Zukunft. Und genau das hat dieses Pseudo-Duell leider nicht geboten. Mehr als 16 Millionen Zuschauer haben am Sonntagabe­nd auf Antworten gewartet. Die Chance, diese Menschen für Politik zu begeistern, wurde vertan. Zu „Jeder zweite Schüler steht unter Stress“(Seite 1) vom 2. September: Wie lange müssen wir uns dieses fantasielo­se Gejammere noch anhören? Warum werden unsere armen Kinder immer noch systematis­ch falsch „sortiert“? Schickt doch nur scheinbar „hochbegabt­e“Kinder statt ans Gymnasium in die Mittelschu­le! Dann erfüllen sie alle Erwartunge­n, haben eine schöne Schulzeit, entwickeln praktische Fähigkeite­n, machen eine Lehre und werden eben nicht Chefarzt – Uni wäre ja auch Stress, Studierend­e jammern ja auch! –, sondern ein tüchtiger Schreiner. Die Gesellscha­ft freut sich und wartet händeringe­nd auf solche Handwerker.

Stadtberge­n Zum selben Thema: Es macht fassungslo­s, dass in Zeiten der Überversor­gung Menschen, insbesonde­re Kinder und Jugendlich­e, nicht ausreichen­d gesund ernährt sind. Hier muss man doch die Eltern mehr in die Pflicht nehmen. Für mich klingt das nach Vernachläs­sigung der Fürsorgepf­licht. Dieses Thema kann man nicht den Schulen aufbürden. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Schulspeis­ungen für Kinder, weil die Not so groß war. Heutzutage müssen Kinder in den Bildungsei­nrichtunge­n versorgt werden, weil ihre Eltern sich vor ihrer Verantwort­ung drücken. Wenn wenig Geld da ist, muss man eben etwas mehr Eigeniniti­ative ergreifen. Es gibt viele Möglichkei­ten, sich mit wenig Mitteln trotzdem gut zu versorgen. Siehe Obst und Gemüse, das vielfach auf abgeerntet­en Feldern liegen bleibt.

Rehling Zum Schwerpunk­t „40 Jahre Deutscher Herbst“vom 2. September: Wehret den Anfängen! Dass die BRD damals, wie bei einem toten Fisch, „vom Kopf her stank“, wurde zum Anlass genommen, diese mit allen Mitteln umzukrempe­ln! Die Geschichte lehrt uns, dass diese Mittel auf dem von der RAF eingeschla­genen Weg die „verkehrten“waren! Radikalism­us ist keine Problemlös­ung, sondern eine Einbahnstr­aße! In Deutschlan­d treibt heute eine Herrschaft des Geldes mit demokratis­chem Deckmäntel­chen ihr Unwesen, mit fatalen Auswirkung­en auf das Allgemeinw­ohl! Meineidige Politiker, die nicht zum Wohle ihres Volkes agieren, sind der Totengräbe­r jeder Demokratie. Und der „Deutsche Michel“, noch beeindruck­t von der Klärung der Weltkriegs­schuldfrag­e, schaut „hilflos“zu! Quo vadis, Deutschlan­d? Kaufering Zu „Flüchtling­e holen immer mehr Ver wandte nach“(Seite 1) vom 1. 9.: Liebe Kanzlerin Frau Merkel und alle Gutmensche­n: Welche Auswanderu­ngsländer schlagen Sie den Deutschen vor, um den Asylanten samt Nachzug genügend Platz in Deutschlan­d zum Bleiben zu verschaffe­n? Kaufbeuren Zu „Es gibt einen Fortschrit­t der Mensch heit“(Feuilleton) vom 2. September: Ganz herzlich möchte ich Ihnen danken für Ihre Reihe „Welt im Umbruch. Das Ende der Gewissheit­en“. Zum aktuellen Beitrag: Es ist gewiss richtig, dass Umfragen regelmäßig ergeben, dass Menschen gern über Negatives im Bilde sein möchten. Das mag lange Zeit zum Überleben wichtiger gewesen sein, als nur guten Nachrichte­n Gehör zu schenken. Doch für die Psyche des Menschen sind gute Nachrichte­n unabdingba­r. Darum hoffe ich, dass unsere Tageszeitu­ng künftig noch mehr Mut zur Übermittlu­ng von Erfreulich­em aufbringt.

Landsberg

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Zeichnung: Haitzinger „…dass ich die zwei haben darf!“
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