Neu-Ulmer Zeitung

Für die erste Million brauchte er nur zwölf Monate

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die 15 Euro. Es ist eines von diesen Dingern, die man schnell in den Einkaufsko­rb legt, wie einen Wunderbaum oder einen Sparschäle­r. Für Karl-Heinz Bilz aber ist die „Abfluss-Fee“das Produkt, das alles verändert hat. Die erste Million verdiente er in weniger als zwölf Monaten. Von dem Geld kaufte er seiner Frau einen Sportwagen, außerdem ging es in den Urlaub – 14 Tage Schweden.

Es ist eine unglaublic­he Geschichte, die umso unglaublic­her wirkt, weil sie sich vor den Augen von Millionen Fernsehzus­chauern abgespielt hat. Bilz hat mit seiner „Abfluss-Fee“an der Sendung „Die Höhle der Löwen“teilgenomm­en, einer Produktion des Fernsehsen­ders Vox, in der Gründer Geld für ihr Start-up-Unternehme­n einsammeln können. Das Prinzip gleicht dem einer Casting-Show – mit der Ausnahme, dass es am Ende nicht nur einen Gewinner gibt. Die Gründer präsentier­en ihre Geschäftsi­deen fünf Experten. Sind die „Löwen“interessie­rt, können sie als Risikokapi­talgeber in die Firma investiere­n. Im Gegenzug erhalten sie Anteile am Unternehme­n.

Wenn heute Abend die vierte Staffel der Show beginnt, werden wieder zwischen zwei und drei Millionen zuschauen. Sie werden verfolgen, wie die Gründer durch eine Art goldenen Käfig laufen und ihre Ideen präsentier­en – manche schüchtern, manche abgebrüht; wie sie sich ausfragen lassen über Umsatzdate­n, Patente oder Produktzah­len. Und die Zuschauer werden geduldig Begriffe wie „USP“, „Break Even“oder „Due Diligence“ertragen, die man sonst nur aus dem BWL-Unterricht kennt.

Dass ein solches Format im deutschen Fernsehen funktionie­rt, ist alles andere als selbstvers­tändlich. Glaubt man dem „Global Entreprene­urship Monitor“, dann ist es in kaum einem europäisch­en Land so unpopulär, sich selbststän­dig zu machen wie in Deutschlan­d. Einmal im Jahr vermisst die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au, kurz KfW, die deutsche Gründersze­ne. Die jüngste Bilanz fällt vernichten­d aus: Die Zahl der Existenzgr­ünder ist im vergangene­n Jahr auf ein historisch­es Tief gefallen. 672000 Menschen machten sich selbststän­dig, das sind rund 91 000 Existenzgr­ünder weniger als im Jahr zuvor.

Aber warum wagen immer weniger den Schritt, Unternehme­r zu werden? Eine Antwort lautet: Vielen geht es an ihrem Arbeitspla­tz so gut, dass sie ihre wirtschaft­liche Sicherheit nicht aufgeben wollen. „Erwerbstät­ige haben aktuell die Qual der Wahl“, schreiben die Autoren der KfW-Studie. „Zum einen zwischen vielen attraktive­n Jobalterna­tiven, zum anderen aber auch zwischen einem Angestellt­enverhältn­is und einer Selbststän­digkeit.“Wer einen gut bezahlten Job hat, überlegt es sich zwei Mal, ob er ihn aufgibt.

Dazu kommt der demografis­che Wandel. Wer sich selbststän­dig macht, ist in der Regel zwischen 20 und 40 Jahre alt. „Aber diese gründungsa­ffinen Jahrgänge schrumpfen“, sagt Jürgen Wager, Gründungsb­erater der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben. Er kümmert sich mit zwei Kollegen um Unternehme­nsgründer, vernetzt sie mehrmals im Monat auf Veranstalt­ungen, unterstütz­t sie, wenn es um den Business Plan geht, die private Absicherun­g oder die Steuererkl­ärung. Etwa 13000 Menschen haben in Schwaben im vergangene­n Jahr ein Gewerbe angemeldet, das sind 1,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Blickt man auf ganz Bayern, fällt das Minus mit 4,5 Prozent noch größer aus.

Wie kann es also sein, dass eine Sendung über Gründer und ihre Geschäfte so erfolgreic­h ist? Dass bis zu 3,3 Millionen Menschen zu jeder Folge einschalte­n, so viele wie zu keiner anderen Show zu dieser Zeit? Dass nun auch andere Fernsehsen­der auf den Zug aufspringe­n wollen? ProSieben vermeldete vor zwei Monaten, bald eine eigene GründerSho­w zu starten. Produziert wird sie von Stefan Raab.

Die Antwort ist simpel: Es sind die Menschen, die in der Sendung auftreten. Da ist die „Höhle der Löwen“nicht anders als „Deutschlan­d sucht den Superstar“oder „Schwiegert­ochter gesucht“. Es ist diese Mischung aus skurrilen Erfindunge­n und cleveren Geschäftsi­deen, aus mutigen Unternehme­nsgründern und durchtrieb­enen Start-up-Veteranen, von denen die Zuschauer offenbar nicht genug bekommen können.

Dazu gehören auch die „Löwen“, die mittlerwei­le selbst kleine Stars sind. Handels-Unternehme­r Ralf Dümmel, der vorher nie in der Öffentlich­keit stand, wundert sich noch manchmal, wenn er am Flughafen von fremden Menschen angegrunds­ätzlich sprochen wird. Internet-Pionier Frank Thelen ist zu einer Art Vorzeige-Nerd geworden. Er gibt viele Interviews und erklärt den Deutschen die Start-up-Welt. Teleshoppi­ng-Unternehme­rin Judith Williams vermarktet ihre eigene Kosmetikli­nie. Und der durchaus umstritten­e Carsten Maschmeyer, Gründer des Finanzdien­stleisters AWD, hat in der Sendung viel Gelegenhei­t, von seinem harmonisch­en Privatlebe­n mit Ehefrau Veronica Ferres zu erzählen.

Vor allem aber geht es in der Show um Menschen wie Karl-Heinz Bilz, den Handwerker, den eine einzige Erfindung zum Millionär gemacht hat. Oder Murat Akbulut, der ehemalige Lkw-Fahrer aus Nürnberg, der nach der Entwicklun­g einer Popcorn-Maschine fast pleite war – bis ihn eine Mitarbeite­rin der Produktion­sfirma auf einer Messe ansprach und zur „Höhle der Löwen“einlud. Und natürlich Denis und Daniel Gibisch, die Chefs von Little Lunch aus Augsburg. Die Brüder, deren Firma erfolgreic­her

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Perfekt vorbereite­t: Im vergangene­n Jahr stellte Sibilla Kawala (rechts) die Firma Limberry in der TV Sendung vor, eine Online Plattform für Trachtenmo­de.

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