Ungleiches Duell am Gillamoos
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) testet seine Fähigkeiten als Bierzeltredner, Martin Schulz (SPD) schaltet in den Angriffsmodus. Thematisch reden sie aneinander vorbei
Wer rockt den Gillamoos – der CSU-Exilpolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg oder SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz? Rein musikalisch betrachtet hat die CSU im größten Bierzelt des TraditionsVolksfests im niederbayerischen Abensberg an diesem Vormittag mehr Zündstoff zu bieten. Für Guttenberg gibt’s neben Defiliermarsch und „New York, New York“auch noch „TNT“von ACDC. Bei der SPD geht es bodenständiger und etwas possierlicher zu. Da bietet die Kapelle neben Blasmusik nur eine neue Version eines alten Gummiboot-Schlagers: „Wir spiel’n den knallroten Gillamoos, ja, ja, den Gillamoos, da ist was los.“
Wer im politischen Wettstreit die Nase vorn hat, entscheidet sich allerdings nicht an der Musikauswahl. Für den einstigen CSU-Superstar Guttenberg, der vor acht Jahren in Abensberg begeistert gefeiert wurde, geht es um die Frage, ob er an die alten Zeiten anknüpfen kann. Für Schulz ist es ein Test, ob er in einem bayerischen Bierzelt auch bei jenen Gästen punkten kann, die keine SPD-Anhänger sind.
Es ist Guttenbergs zweiter Auftritt in diesem Wahlkampf. Das In- teresse ist groß. 3200 Sitzplätze bietet das Zelt. Es ist voll. Viele Besucher müssen stehen. Doch anders als vergangene Woche in Kulmbach, seiner oberfränkischen Heimat, fliegen ihm hier die Herzen nicht automatisch zu. Der Empfang ist freundlich, aber nicht überschwänglich. CSU-Landrat Martin Neumeyer kündigt Guttenberg als „hervorragende Persönlichkeit“an. Und als der frühere Verteidigungsminister, der wegen einer gefälschten Doktorarbeit all seine politischen Ämter verlor, zu reden beginnt, herrscht angespannte Stille im Zelt.
Das kann schon als Erfolg gewertet werden. Das Gillamoos-Publikum ist dafür bekannt, dass es einiges geboten bekommen will, ehe es seine Aufmerksamkeit von Bier und Weißwürsten ab- und dem Redner zuwendet. Guttenberg nimmt es als Test. Er fragt: „Kann der Ausgewanderte überhaupt noch Bierzelt?“Er nimmt sich selbst auf die Schippe und witzelt über seinen Rücktritt. Vor acht Jahren, so sagt er, habe die Kapelle am Gillamoos für ihn „Highway to hell“gespielt. „Autobahn zur Hölle – die hab ich dann auf der Überholspur genommen.“Und er gibt sich bescheiden. Über deutsche Innenpolitik werde er nicht reden. „Offen gestanden, davon versteh ich nix mehr.“Nur ei- nen Seitenhieb auf das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz mag er sich nicht verkneifen. Die Kanzlerin sei zwar „klare Siegerin“gewesen, aber von einem Duell könne man nicht sprechen.
Guttenberg konzentriert sich auf die Außenpolitik, auf die „größeren Zusammenhänge“. Er schimpft über den neuen US-Präsidenten. „Der ist nun wirklich nicht die hellste Kerze auf der Torte.“Er warnt vor Putin und Erdogan. Wegen Nordkorea sieht er sogar einen
Bei Schulz, der zum ersten Mal am Gillamoos spricht, ist das etwas anders. Er hat es in dem etwas kleineren Bierzelt (2000 Sitzplätze) ganz offensichtlich mit einem geteilten Publikum zu tun – in den vorderen Reihen die SPD-Anhänger, die ihn heftig bejubeln, weiter hinten eine nur halbwegs interessierte Laufkundschaft.
Schulz gibt sich angriffslustiger als am Vorabend im Fernsehen: „Es gibt jemanden, der will die Vergangenheit verwalten, und der heißt Angela Merkel. Und es gibt jemanden, der will die Zukunft gestalten, und der heißt Martin Schulz.“Er kritisiert, dass im TV-Duell die wirklich drängenden Fragen, etwa nach den krassen Einkommensunterschieden, gar nicht gestellt worden seien. Deutschland sei reich, aber nicht alle Menschen in Deutschland seien reich. Er verspricht im Falle eines Wahlsiegs, die ungleiche Behandlung von Männern und Frauen bei den Löhnen zu unterbinden. Und er fordert bezahlbaren Wohnraum für alle: „Wir wollen, dass Studenten nicht mehr Zeit mit Wohnungssuche verbringen als im Hörsaal.“Die Stimmung im Zelt ist gut. Schulz kommt an. Aber das war auch schon bei einigen seiner Vorgänger so, die dann bei der Wahl den Kürzeren zogen.
Christian Lindner schien vom Ansturm der Menschen überrascht. Vor Wahlen keine Sitzplätze mehr frei zu haben, sei eine „neue FDP-Erfahrung“, sagte der Chef der Liberalen mit Blick auf das volle Bierzelt beim Gillamoos-Volksfest in Abensberg. Nach dem Fernsehduell der Kanzlerkandidaten am Sonntagabend wollten am Tag danach auch die kleineren Parteien ihre Punkte setzen. Während FDP und Grüne jeweils ihr eigenes Bierzelt füllten, traten die Vertreter der AfD unter freiem Himmel auf.
FDP-Chef Lindner griff in seiner Ansprache kurz das TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Martin Schulz (SPD) auf. Er habe das Gefühl gehabt, es handle sich um ein „Bewerbungsgespräch“für eine weitere Große Koalition: „Das war kein Duell, das war ein Duett.“Außerdem sei die Mittelschicht im Land zu kurz gekommen. Es sei viel um Flüchtlinge und Manager gegangen. „Um diese zwei Pole.“Es gebe dazwischen jedoch Millionen Menschen, die nicht bedürftig, aber auch nicht aus dem Gröbsten raus seien. „Diese Menschen haben sich gestern Abend doch gefragt: Wo war eigentlich ich?“, sagte Lindner.
Den Dieselskandal nahm Grünen-Spitzenmann Cem Özdemir zum Anlass, um Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als „unfähig“zu bezeichnen und die Verkehrspolitik der Großen Koalition zu kritisieren. „Der Verbrennungsmotor war mal eine coole Erfindung, um die Kutsche abzulösen.“Jetzt sei es an der Zeit, das nächste große Ding auf die Straßen zu bringen. Auch griff er die AfD an. Diese beleidige die Werte Deutschlands.
Vertreter der AfD hatten sich ebenfalls in Abensberg versammelt, allerdings nicht auf dem Volksfestgelände, sondern im nahen Schlossgarten. Dort war die Zuwanderungspolitik das zentrale Thema. „Diese ganze Merkel-Regierung hat uns offensichtlich totales Migrationschaos und innere Unsicherheit wie noch nie beschert“, sagte Bundessprecher Jörg Meuthen.
Der Vorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, warf Merkel vor, das Land an die Wand zu fahren: „CSU und SPD tragen die Amokfahrt mit.“Er sprach sich gegen einen Familiennachzug von Flüchtlingen aus.