Diese Stadt überfordert fast alle Sinne
Hände eilig unter das Münzfach ihres Spielautomaten klemmen, um die herausrieselnden Münzen aufzufangen? Nicht hier jedenfalls. Münzautomaten gibt es am Strip nicht mehr. Wer gewinnt, erhält eine Quittung, mit der er sich in die Schlange an der Kasse einreihen kann, um sein Geld abzuholen.
Das Spontane, das Überschwängliche, man findet es selten in Las Vegas. Das Spaßhaben ist hier ähnlich perfekt organisiert und inszeniert wie die zahlreichen Shows, die in den Hotels stattfinden. Dazu passt, dass man in Vegas weg will vom Image des sündigen Spielerparadieses. Das ist der Grund, warum der MGM-Konzern im Süden des Strips, zwischen den Hotels „New York New York“und „Monte Carlo“, ein neues Freiluft-Areal angelegt hat. Hier reihen sich Restaurants und Cafés aneinander, unter ausladenden Bäumen stehen kleine Gruppen aus Tischen und Stühlen, Besucher sollen Schutz vor der Sonne finden. Es ist einer von nur zwei Orten in der Stadt, wo Gäste sich einfach hinsetzen können – ohne zu spielen oder etwas zu essen bestellen zu müssen.
Hinter dem Platz ragt die T-Mobile-Arena auf, die vergangenes Jahr eröffnet wurde. Hier finden Konzerte statt, Boxkämpfe oder Wrestling-Veranstaltungen. 20000 Menschen haben in der Halle Platz. Bald werden außerdem die „Vegas GolWoche. den Knights“hier ihre Spiele absolvieren, ein Eishockey-Team, das neuerdings in der Wüstenstadt residiert. 500 Millionen Dollar hat ein Investor hingelegt, damit die Mannschaft als 31. Team in die National Hockey League aufgenommen wird. Die Stadt hat sich einen Platz im Erstligasport erkauft und steuert damit weiter auf ihr ehrgeiziges Ziel zu: Las Vegas soll zum Erlebnis-Ort für jedermann werden, mit Shows, Sport, Wellness und Sterne-Restaurants, die sowohl Frauen auf Junggesellinnenabschied gefallen als auch den Geschäftsleuten, die für eine der zahlreichen Konferenzen und Tagungen nach Vegas kommen.
Schon heute wird mit diesen Dingen deutlich mehr Geld gemacht als mit dem Glücksspiel. Und hinter der Glitzerfassade geht es natürlich vor allem darum: Geld. In den Casinos lief es nicht allzu gut in den vergangenen Jahren. In der Finanzkrise sind die Umsätze eingebrochen, seitdem steigen sie nur langsam wieder an. Im vergangenen Jahr wurden mit dem Glücksspiel knapp 9,7 Milliarden Dollar umgesetzt, das sind immer noch eine Milliarde Dollar weniger als im Jahr 2007. Die Konkurrenz ist groß: In Macau, dem chinesischen Spielerparadies westlich von Hong- Kong, haben Besucher im letzten Jahr 28 Milliarden Dollar eingesetzt. Und Staaten wie Dubai oder Katar machen Las Vegas andere Rekorde streitig: Das Höchste, das Größte, das Teuerste findet man längst dort, wo es einfach noch mehr Geld gibt als in der Wüste von Nevada.
Sam, der Barkeeper aus dem El Cortez, glaubt, dass Las Vegas gerade an einem Scheideweg steht. Wieder einmal. Es gibt wohl keinen Ort, der sich in seiner kurzen Geschichte schon so oft neu erfunden hat wie die Wüstenstadt.
Nirgendwo sonst wird das so offensichtlich wie im Neon Museum, 15 Minuten von Sams Hotel entfernt. Das Freiluft-Museum stellt Neonreklamen aus, verblasste und abgeblätterte Zeugnisse ihrer Zeit. Die dazugehörigen Hotels und Casinos, das „Golden Nugget“oder das „Stardust“, haben längst zugemacht oder wurden abgerissen.
Einer der neuesten Zugänge im Museum ist das Logo des „Riviera“. Es war einst das erste Casino-Hochhaus am Strip, der Film „Casino“wurde auf dem Gelände gedreht, Frank Sinatra und Dolly Parton standen dort auf der Bühne. Vor zwei Jahren wurde das Hotel gesprengt. Bald soll an der Stelle ein Kongresszentrum entstehen.