Gedopte Senioren
Natürlich haben wir uns schon lange daran gewöhnt, dass Senioren heutzutage extrem fit sind: Sie tummeln sich beim Frühschwimmen in Kompaniestärke im Becken, sie kraxeln auf Berge wie die Gämsen – der älteste Bezwinger des Mount Everest war 80 Jahre alt – und sie studieren Trainingspläne für den nächsten Marathon. Solche gibt es tatsächlich im Internet einzusehen (da sind die „Silver Surfer“natürlich auch dauernd unterwegs). In den einschlägigen Online-Texten steht sogar zu lesen, dass der älteste Marathonläufer, der Grieche Dimitrion Yordanidis, mit 98 Jahren die 42,195 Kilometer gerannt ist. Er hat zwar siebeneinhalb Stunden gebraucht, aber immerhin, er ist die ganze Distanz gerannt.
Natürlich fahren die älteren Mitbürger jenseits der 70 mit Begeisterung Rad, so wie wir, die wir noch nicht ganz so alt sind und auch weniger Freizeit zum Trainieren haben, weil wir ja arbeitsmäßig voll in den Seilen hängen. Da können wir nicht so oft in die Pedale treten. Das führt allerdings zu Frusterlebnissen, so wie neulich: Ausnahmsweise mit dem Fahrrad auf dem Weg ins Büro, sah ich einen offenkundig älteren Mann vor mir her strampeln. Der Versuch, ihn standesgemäß zu überholen, bliebt im Ansatz stecken. Der Kerl ließ sich nicht packen. Im Gegenteil, Zentimeter für Zentimeter vergrößerte er den Abstand. Noch schlimmer war, was wenige Tage danach passierte. Da wurde ich von einem weißhaarigen Pärchen unangestrengt überholt.
Dass an einem bunt gedresste Muskelmänner vorbeiziehen, deren Ausrüstung den Wert eines Kleinwagens verkörpert, daran hat man sich schon gewöhnt. Aber nun schließen die Alten auf. Allerdings steckt der Grund für die Kraft weniger in Waden und Schenkeln, als vielmehr im Elektro-Hilfsmotor des E-Bikes. Früher waren es nur die Herzschrittmacher, die ältere Menschen mit gezielten Energiestößen fit hielten. Heute allerdings lassen sie mit gezieltem Elektro-Doping im Zweirad die Jungen ganz schön alt aussehen.