Ein Experte sagt: Sie können nicht mal mehr atmen
Aber wer kann sich wirklich vorstellen, welche Kräfte da wirken? Zumal als Mitteleuropäer, der zu Hause Orkane wie Wiebke und Vivian (1990) erlebt hat oder Tornados wie den bei Augsburg (2015) – alle schlimm genug. Tobias Schaaf vom Deutschen Wetterdienst versucht es so zu erklären: „Bei einer solchen Geschwindigkeit könnten Sie im Grunde nicht mal mehr atmen, wenn Sie im Wind stehen. Sie würden eh wegfliegen. Es ist eine unvorstellbare Gewalt.“
Während „Irma“mit einer Riesengeschwindigkeit rotiert, bewegt sich der Hurrikan mit 25 Stundenkilometern Richtung Nordwesten und zerstört alles, was ihm im Weg steht. Der Feldzug der Zerstörung beginnt am Mittwochmorgen auf der kleinen Karibikinsel Barbuda. Dort trifft „Irma“erstmals auf Land. 95 Prozent aller Gebäude werden vernichtet. Das Eiland mit seinen knapp 2000 Einwohnern sei kaum noch bewohnbar, sagt Premierminister Gaston Browne.
Und es gibt mindestens ein Todesopfer – ein Baby. Die Mutter hat noch versucht, es aus dem Haus zu schaffen. „Unser Haus ist angehoben worden, die Fenster und Türen wurden herausgerissen und wir mussten raus“, erzählt Henrietta Hopkins im Fernsehsender ABS. Und Loreen Baltimore erzählt: „Mein ganzes Haus ist zusammengebrochen. Ich danke Gott, dass ich noch am Leben bin.“
Allein in den französischen Überseegebieten Saint-Barthélemy und Saint-Martin sterben nach Angaben des französischen Innenministers Gérard Collomb mindestens vier Menschen. Verlässlich sind solche Zahlen aber nicht. Dafür ist das Chaos in der Karibik zu groß. Nach Angaben der Pariser Regierung haben sich rund 7000 Menschen geweigert, die Küste zu verlassen und im Inneren der Insel Schutz zu suchen. Der Präsident des Territorialrats von Saint-Martin, Daniel Gibbs, sagt: „Es ist eine große Katastrophe. 95 Prozent der Insel sind zerstört.“
Auch der Inselteil Sint Maarten wird schwer getroffen. Luftbilder zeigen Häuser ohne Dächer, zerstörte Hütten, entwurzelte Bäume. Flughafen und Hafen seien nicht zugänglich, sagt ein Sprecher der Marine. Sint Maarten ist ein autonomes Gebiet und frühere Kolonie der Niederlande. Das EU-Land startet eine umfangreiche Hilfsaktion. Ministerpräsident Mark Rutte sagt, es gebe weder Strom noch fließendes Wasser und kein Benzin.
Puerto Rico kommt vergleichsweise glimpflich davon, allerdings fällt auch hier die Strom- und Wasserversorgung aus. Aus dem britischen Überseegebiet Anguilla wiederum melden die Behörden einen Toten. Die Karibik, die doch für Traumurlaub steht, für türkisfarbenes Wasser und feinste Sandstrände, ist ein einziges Trümmerfeld.
Mit Sorge blicken die Experten allem auf das bitterarme Haiti. Das Land hat sich noch immer nicht von dem schweren Erdbeben 2010 sowie dem Hurrikan „Matthew“im vergangenen Jahr erholt und ist auf einen neuen Monster-Sturm schlecht vorbereitet. „Viele leben nach wie vor in provisorischen Behausungen, und es ist zu befürchten, dass viele Menschen durch ,Irma‘ obdachlos werden“, sagt Lisiane Harten vom Deutschen Roten Kreuz in der Hauptstadt Port-auPrince. „Matthew“war im Oktober 2016 über Haiti hinweggezogen und hatte weite Teile des Südens zerstört. Mehr als 540 Menschen kamen ums Leben, Zehntausende verloren ihr Hab und Gut.
Nach den Berechnungen der Meteorologen wird der Wirbelsturm am heutigen Freitag und am Samstag nördlich an Kuba vorbei Richtung Florida wandern. Über dem warmen Wasser der Karibik könnte sich „Irma“mit neuer Energie aufladen, bevor der Sturm in der Nacht zum Sonntag die US-Küste erreichen soll. Die New York Times meldet, „Irma“stelle schon jetzt Rekorde auf. Der Sturm peitscht bereits mehr als 24 Stunden lang mit Windgeschwindigkeiten von knapp 300 Sachen durch die Karibik. Noch nie hat ein Wirbelsturm so lang so starke Winde produziert.
Als wäre es nicht schlimm genug, was „Irma“auf den Inseln angerichvor tet hat. Als hätten die Amerikaner nicht schon genug Sorgen, die ihnen Hurrikan Harvey vor allem in Texas hinterlassen hat. Als würde es nicht reichen, dass sich mit „Katia“über dem Golf von Mexiko und „José“draußen auf dem Atlantik zwei weitere Wirbelstürme zusammengebraut haben. Jetzt soll „Irma“also auch noch Florida treffen. Dort bilden sich seit Tagen lange Schlangen an den Supermarktkassen und an Tankstellen. „Wir haben gestern getankt, da war schon eine Schlange an der Tankstelle. Meine Frau war einkaufen, manches, sagte sie, war schon leer gekauft“, erzählt Winfried Wassermann, Pastor der Deutschen Martin-Luther-Gemeinde Orlando, in einem Radio-Interview.
Viele Ladenbesitzer haben ihre Geschäfte mit Holzlatten verrammelt. Auf den Autobahnen Richtung Norden geht zeitweise nichts mehr, viele wollen einfach nur weg. Spätestens seit ein höchst besorgter Gouverneur Rick Scott gesagt hat: „Wir können zerstörte Häuser wieder aufbauen – zerstörte Leben aber nicht.“Rettungsteams, die bis vor wenigen Tagen noch in Texas bei den Aufräumarbeiten nach „Harvey“geholfen haben, sind in aller Eile in den südöstlichen Bundesstaat verlegt worden. Auch Georgia sowie North und South Carolina haben ihre Bürger vorgewarnt.
Anders als in Texas, wo die Behörden