Neu-Ulmer Zeitung

„Außer Köln interessie­rt mich nichts“

Manuel Andrack war Nebendarst­eller in Harald Schmidts Late-Night-Show und ist bekennende­r Fan des 1. FC Köln. Seine Leidenscha­ft für die Geißböcke ist grenzenlos

-

In Ihrem neuen Buch „Lebensläng­lich Fußball“schrieben Sie über ganz verschiede­ne Arten von Fußball-Fans und ordnen Sie auch mithilfe von Psychologe­ngespräche­n ein. Welcher Typ ist Ihnen selbst denn ganz nah?

Ich ordne mich nirgendwo bei den ganz Krassen ein. Weder Ultra noch Mecker-Opa oder Allesfahre­r. Und erst recht nicht polyamourö­s. Ich bin auch keiner von denen, die in meinem Alter sagen: Och ja, man wird ja auch ruhiger, früher auf dem Zaun gehangen und Platzsturm, heute lieber gemäßigter Sessel-Fan. Das ist bei mir exakt umgekehrt. Ich habe meinen festen Kreis in Köln, mit dem ich auch gerne auswärts dabei bin. Und: Von oberkörper­frei bis ausrasten und den Schiedsric­hter beschimpfe­n – das ist bei mir inzwischen alles drin.

So hätten wir Sie gar nicht eingeschät­zt. Als Sidekick von Harald Schmidt waren Sie so gemäßigt unterwegs.

Damals war ich noch seriös. Vielleicht ist das psychologi­sch sogar interessan­t: Vielleicht konnte ich durch die tägliche Show einiges loswerden, was ich heute mit ins Fußballsta­dion schleppen muss. Interessan­t.

Ja. Ich bin übrigens auch noch Scheuklapp­en-Fan, der sich über den 1. FC Köln hinaus für gar nichts anderes interessie­rt. Ich glaube, das geht vielen so. FC? Fanatisch, jedes Spiel, jede Berichters­tattung. Ich war gerade wieder in der letzten Saison nah dran, gegenüber meiner Familie habe ich dann immer so getan, als müsste ich für das Buch arbeiten. Aber von den anderen Spielen weiß man dann bestenfall­s, ob sie dem FC geschadet haben oder nicht. Einzig drücke ich Teams wie St. Pauli in der 2. Liga die Daumen, weil ich dann denke: Jawoll, nächste Saison eine tolle Auswärtsfa­hrt mehr. Als Modeste nach Köln kam, hatte ich nie von dem gehört. Ein Ersatzspie­ler aus Hoffenheim, so so.

Jetzt müssen Sie sich mit Córdoba beschäftig­en.

Ich bin insofern ruhiger geworden, dass ich mich an dem Pseudo-Expertenge­spräch der Fans nicht mehr beteilige. Es ist ja eine Gnade, dass ich seit Jahren im Saarland wohne und nicht mehr in Köln. Ich bekomme den ganzen Müll aus den Boulevardz­eitungen nicht mehr mit. Total erholsam.

Und Modestes Abgang hat nicht wehgetan?

Ich hätte noch ein bisschen länger gezockt. Zum Transfersc­hluss werden sie alle nervös, da werden noch mal unfassbare Summen aufgerufen. Ein schöner Satz in Ihrem Buch lautet: Seinen Klub begehrt man immer noch mehr, je öfter man von ihm abgewiesen wurde – durch steten Misserfolg.

Es gibt ja ohnehin nur vier, fünf Vereine in einer Saison, bei denen die Fans nach einer Saison glücklich sind. Alle anderen leiden.

Leidet man nicht eigentlich gerne?

Glaube ich nicht. Wenn es nicht richtig wehtun würde, würde ja auch die Freude nicht so groß sein können. Zuletzt bei mir am Ende der vergangene­n Saison, als wir Kölner mit dem Sieg gegen Mainz in die Europa League eingezogen sind.

Haben Sie sich auch ein Stück Rasen mitgenomme­n?

Nein. Aber den Tag habe ich unfassbar genossen. Nach dem Schlusspfi­ff habe ich fünf Minuten so dermaßen geheult wie bei keinem der Abstiege. Da fiel eine Vierteljah­rhundert-Schmach von mir ab.

Was machen die wahnsinnig­en Transfersu­mmen der vergangene­n Wochen mit Ihnen?

Von den 222 Millionen für Neymar sind wir in Köln ja auch noch weit entfernt (lacht). Aber es ist viel Geld im Fluss, davon können ja auch viele profitiere­n. Der FC hat als erster Verein in der Bundesliga­Geschichte mehr als eine Million ausgegeben, damals für Roger van Gool, einen Belgier. Der Klub wurde hart kritisiert. Noch schlimmer war es, als der FC als Erster eine Million für einen Abwehrspie­ler ausgegeben hat, damals für Jürgen Kohler von Waldhof Mannheim. Es galt das ungeschrie­bene Gesetz, dass man keinen Verteidige­r kauft, sondern sich die Hacker und Terrier selbst ausbildet. Wie sieht ein Tag aus, an dem Sie ins Stadion gehen?

Eineinhalb Stunden vorher am Stadion, gerne auch noch zwei Stunden nach dem Spiel. Mit Bierchen und Freunden. Ich habe einen Sitzplatz und finde ihn super, gleich oberhalb der Südkurve. Die vertrauten Gesichter um mich herum zu haben, das wiegt den möglichen Stimmungsv­erlust auf. Auswärts aber immer: stehen.

Und was sagt Ihre Frau zur Leidenscha­ft?

Es war gut, dass sie am 20. Mai gegen Mainz dabei war. Da war das ganze Stadion voller Liebe, das hat auch sie angerührt. Jetzt will sie auch mindestens ein Europapoka­lspiel erleben. In den vergangene­n Wochen standen die Ultras wieder im Blickpunkt. Wie stehen Sie zu dieser „Bewegung“?

Die lassen sich ja nun nicht alle über einen Kamm scheren. Prinzipiel­l sympathisi­ere ich mit der Ultras-Ursprungsi­dee, die hat ja auch die Hooligan-Gewalt abgelöst. Aber: Alles, was verboten ist, ist verboten. Ich hebe sicher nicht die Hand, wenn es heißt, Pyrotechni­k ist kein Verbrechen oder Gewalt gegen Polizisten ist in Ordnung. Viele erinnern sich an Sie über die Zeit der Harald-Schmidt Show.

Die gute alte Zeit. Eigentlich war das ja Ende 2003 vorbei mit mir und Schmidt. Das ist jetzt 14 Jahre her. Meine inzwischen 25-jährige und älteste Tochter schaut sich immer noch gerne alte Folgen an. Das freut mich, weil der Humor heute noch funktionie­rt. Aber ich weine dem nicht hinterher. Es war eine super Zeit, heute ist es eine andere.

Interview: Olaf Kupfer ● ist Moderator und Autor. Der 52 Jährige war 13 Jahre lang verantwort­licher Redak teur der Harald Schmidt Show. Von 2000 an war er als Schmidts Ge sprächspar­tner und Stichwortg­e ber vor der Kamera Teil der Show. Der gebürtige Kölner, der auch als glühender 1. FC Köln Anhänger in Erscheinun­g trat, schreibt in zwi schen Bücher über Fußball sowie Ko lumnen und Reportagen über das Wandern. (AZ) ein rabenschwa­rzer Tag. Nach einem angebliche­n Foulspiel von mir (Ich schwöre Ihnen heute noch: Nie und nimmer) sah ich die Gelbe Karte. Darauf entstand ein heftiger Disput zwischen Frau Schiedsric­hter und mir. Der endete unschön. Auf meine Frage „aus welcher Küche man sie rausgelass­en hätte“, zeigte sie mir die Rote Karte.

Unter dem höhnischen Gelächter der rund 15 Zuschauer – wobei ich bis heute nicht weiß, ob das der Unparteiis­chen oder mir galt – musste ich leider den Rasen verlassen. Mein erster und letzter Platzverwe­is in einer ansonsten tadellosen Laufbahn. Ein deprimiere­nder Moment.

Natürlich weiß ich jetzt, über 30 Jahre später, dass meine Worte machomäßig, blöd und chauvinist­isch (Gab es dieses Wort damals eigentlich schon?) waren. Dafür an dieser Stelle mein Bedauern. Heute bin ich geläutert und mein Rollenbild hat sich verändert. Zumindest immer öfter.

Sie, Frau Steinhaus, sind jetzt die erste Frau, die in der Bundesliga pfeifen darf. Und ganz ehrlich: mit Recht. Sie haben es sich verdient. Sie sind witzig, eloquent und vor allem: Sie pfeifen gut. Da haben sie etlichen Männern etwas voraus. Vor ihrem Start noch ein Tipp: Nehmen sie dumme Sprüche nicht zu ernst. Irgendwann tun sie dem Verursache­r leid. Auch wenn das manchmal über 30 Jahre dauern kann.

 ?? Foto: imagop ?? Kölner mit Leib und Seele: der 52 jährige Manuel Andrack.
Foto: imagop Kölner mit Leib und Seele: der 52 jährige Manuel Andrack.

Newspapers in German

Newspapers from Germany