Neu-Ulmer Zeitung

Sie können nicht anders

Der Dieselskan­dal ist noch lange nicht ausgestand­en, der Zeitgeist ruft nach Ökologie – aber die Autoherste­ller setzen auch auf dieser IAA wieder voll auf Leistung und Luxus. Warum sich das Konzept bald überlebt haben könnte

- Thomas Geiger, dpa

Es ist ein bisschen wie der Tanz auf dem Vulkan. Denn auf der einen Seite eilen die Autoherste­ller von Rekord-Quartal zu Rekord-Quartal. Doch auf der anderen Seite werden immer mehr Marken in den Sog des Dieselskan­dals hineingezo­gen.

Und als wäre das nicht genug, reißt die Diskussion um Fahrverbot­e und zwingende Elektroquo­ten genauso wenig ab wie der Jubel über Newcomer vom Schlage eines Tesla. In diesem Spannungsf­eld müssen die Autobauer zum Branchengi­pfel nach Frankfurt und bei der IAA (Publikumst­age: 16. bis 24. September) neue Ideen vorstellen.

Das ist eine Aufgabe, der sich diesmal nicht alle Marken stellen. Während die deutschen Hersteller das Heimspiel schlecht schwänzen können, bleibt ein knappes Dutzend Hersteller von Abarth bis Volvo kurzerhand zu Hause, darunter Volumenmar­ken wie Peugeot und Fiat.

Wer zur IAA fährt, setzt auf eine Karte, die bei Messen immer zieht: Luxus und Leistung sollen die Faszinatio­n für das Fahrzeug wecken und die Stimmung heben, selbst wenn Neuheiten mit mehr als 1000 PS oder für mehr als eine Million Euro kaum auf große Stückzahle­n kommen werden. Es sind deshalb vor allem Supersport­wagen, Oberklasse-Limousinen und natürlich SUV, die sich berechtigt­e Hoffnungen auf eine Hauptrolle im Messezirku­s machen.

Der größte Star dürfte sich am Mercedes-Stand drehen. Dort zieht die schnelle Tochter AMG zu ihrem 50-jährigen Bestehen das Tuch von einem neuen Sportwagen, der laut Firmenchef Tobias Moers eher hyper als super ist. Nicht umsonst hat er dank Technik aus der Formel 1 mehr als 1000 PS, wird 350 km/h schnell und wird knapp drei Millionen Euro kosten. Weil gegen dieses Auto kein anderes Modell eine Chance hat, wird es bei Mercedes zumindest keine weitere große Premiere geben. Der neue CLS und die nächste G-Klasse sind zwar fertig, müssen aber wohl noch hinter dem Vorhang warten.

Auch die Konkurrenz fährt groß auf, holt dafür aber nicht den Sport- sondern den Smoking aus dem Schrank. So hat Audi das Messedebüt des neuen Flaggschif­fs A8 angekündig­t. In der Halle der BMW Group steht neben dem zum Sechser aufgestieg­enen Fünfer GT und der Neuauflage des X3 vor allem die achte Generation des Rolls-Royce Phantom im Rampenlich­t. Luxuriöser, so verspricht die BMW-Tochter für das neue Topmodell, könne man sich auf der Straße nicht bewegen.

Hier der ultimative Sport, dort maximaler Luxus – und dazwischen stehen Neuheiten wie die nächste Generation des Bentley Continenta­l, die dritte Auflage des Porsche Cayenne oder ein neuer BMW M5 erstmals mit Allradantr­ieb, die diese Pole jeweils auf ihre Art unter einen Hut bringen sollen.

Zwar werden diese PS-Pretiosen an den Besucherta­gen wohl am dichtesten umlagert sein. Doch so ganz ohne Neuheiten für den kleineren Geldbeutel muss die IAA nicht auskommen. So macht Volkswagen seinem Namen alle Ehre und feiert das Publikumsd­ebüt des neuen Polo. Und für alle, denen ein Tiguan zu bieder oder zu teuer ist, enthüllt VW den jugendlich­er wirkenden Geländewag­en T-Roc.

Damit ist der Boom auf der Buckelpist­e aber noch lange nicht vorbei. In die Reihe mit Cayenne, X3 und T-Roc gehören noch ein paar weitere Geländegän­ger. Schließlic­h zeigen Hyundai und Kia ihre aufgedress, bockten Stadtflitz­er Kona und Stonic, die VW-Töchter Seat und Skoda holen Arona und Karoq auf die Bühne. Opel lässt auf den Crossland X den Grandland X folgen. Jaguar stellt dem F-Pace als kleinen Bruder den E-Pace zur Seite, Dacia zeigt die Neuauflage des SUVs Duster. Damit dürfte dann bald jede Nische im Großstadtd­schungel besetzt sein.

Zwar liest sich das Premierenp­rogramm nach wie vor imposant. Doch ist die Liste schon deshalb nicht so lang wie in den Vorjahren, weil ein knappes Dutzend Hersteller fehlt. Und das liegt nicht allein an den hohen Kosten für so einen Messeauftr­itt, sagt Automobilw­irtschaftl­er Ferdinand Dudenhöffe­r. Er fürchtet einen anhaltende­n Zubeiden schauersch­wund und einen Bedeutungs­verlust, weil sich das Konzept überlebt habe.

Erstens könne man neue Autos im Internet mittlerwei­le früher und besser sehen als in einer Messehalle. Und zweitens sei den Besuchern die Begeisteru­ng abhandenge­kommen, klagt der Professor: Für eine Computerme­sse wie die Gamescom übernachte­ten die Teens in Köln in Zeltstädte­n. „So was war vor 50 Jahren bei Autos denkbar. Aber heute kann sich das keiner mehr vorstellen“, sagt Dudenhöffe­r. In seinen Augen muss sich nicht nur die Autoindust­rie verändern und neue Wege gehen. Um zu überleben, müssten sich auch die Messen neu erfinden. Mit der Designstud­ie Vision EQ zeigt Smart auf der Internatio­nalem Automobil-Ausstellun­g in Frankfurt, wie sich Daimler Carsharing in Zeiten autonomer Elektroaut­os vorstellt. Der Smart soll dann nicht nur elektrisch, sondern auch autonom fahren können. Daher haben die Designer zum ersten Mal bei einem Modell aus dem Daimler-Konzern ganz auf Lenkrad und Pedale verzichtet und auch alle anderen Bedienelem­ente weggelasse­n. Stattdesse­n steuert man den kugelrunde­n Zweisitzer mit seinen 2,69 Metern komplett mit einer Smartphone-App.

 ??  ?? Krise? Welche Krise? Die britische VW Tochter Bentley bringt den neuen Continenta­l mit nach Frankfurt. Er hat 635 PS und kostet um die 200000 Euro.
Krise? Welche Krise? Die britische VW Tochter Bentley bringt den neuen Continenta­l mit nach Frankfurt. Er hat 635 PS und kostet um die 200000 Euro.
 ??  ?? Doch, es gibt auch etwas für den kleineren Geldbeutel, zum Beispiel die zweite Gene ration des Dacia Duster, der wohl um die 12000 Euro zu haben sein wird.
SMART
Doch, es gibt auch etwas für den kleineren Geldbeutel, zum Beispiel die zweite Gene ration des Dacia Duster, der wohl um die 12000 Euro zu haben sein wird. SMART
 ?? Foto: dpa ?? Lenkrad? Braucht die Design Studie Vi sion EQ keines mehr.
Foto: dpa Lenkrad? Braucht die Design Studie Vi sion EQ keines mehr.
 ??  ?? Auch BMW zeigt demonstrat­iv Muskeln, etwa mit dem neuen M5.
Auch BMW zeigt demonstrat­iv Muskeln, etwa mit dem neuen M5.
 ?? Fotos: Hersteller, dpa ?? Traum in Rot: der offene Ferrari Portofi no mit 600 PS.
Fotos: Hersteller, dpa Traum in Rot: der offene Ferrari Portofi no mit 600 PS.
 ??  ?? Größer, stärker, teurer: der Porsche Ca yenne, ab knapp 75 000 Euro.
Größer, stärker, teurer: der Porsche Ca yenne, ab knapp 75 000 Euro.
 ??  ?? Der Star steht noch im Dunkeln: AMGs Jubiläums Hypercar mit 1000 PS.
Der Star steht noch im Dunkeln: AMGs Jubiläums Hypercar mit 1000 PS.

Newspapers in German

Newspapers from Germany