Neu-Ulmer Zeitung

Drei Geschwiste­r, eine Gang

Steven Soderbergh kehrt in alter Frische auf die Leinwand zurück. Wieder geht es um den großen Coup. Doch diesmal fehlt den Gangstern aus der amerikanis­chen Unterschic­ht jeglicher Glamour

- VON MARTIN SCHWICKERT

Zum Glück halten nicht alle Regisseure, was sie verspreche­n. Vor vier Jahren kündigte Steven Soderbergh seinen Rückzug aus den Filmgeschä­ft an, aus dem Ruhestand ist nur eine schöpferis­che Pause geworden. Mit „Logan Lucky“kehrt Soderbergh in alter Frische auf die Leinwand zurück. Dabei knüpft er an seinen größten Publikumse­rfolg „Ocean’s Eleven“an und bürstet die eigene Rezeptur gründlich gegen den Strich. Es geht auch in „Logan Lucky“um den großen Coup, allerdings ist dieses Genrewerk im Gegensatz zu den kriminelle­n Aktivitäte­n der All-Star-Gangster-Bande jenseits allen Glamours angesiedel­t.

Tief ins proletaris­che Südstaaten­Milieu taucht der Film ein und findet dort Charaktere, die nicht so eloquent, aber sicherlich nicht weniger smart sind als die Ocean-Gang. Im Zentrum stehen die Geschwiste­r Logan. Bruder Clyde (Adam ist fest davon überzeugt, dass die ganze Sippe verflucht und vom Pech verfolgt ist. Er findet dafür schlüssige Indizien im Familienst­ammbaum, aber auch in der eigenen Biografie: Als Soldat im Irak hat er bei einem Bombenansc­hlag einen Arm verloren und arbeitet nun mit einer Prothese hinter dem Tresen einer schwach frequentie­rten Bar.

Clyde redet nicht viel, aber wenn er etwas sagt, stehen seine Sätze wie gemeißelt im Raum. Sein älterer Bruder Jimmy (Channing Tatum) will an den Familienfl­uch nicht glauben, obwohl er gerade wegen einer alten Knieverlet­zung seinen Job auf dem Bau verloren hat und ihm das Geld für den Anwalt fehlt, um das Sorgerecht für seine geliebte Tochter Sadie (Farrah Mackenzie) einzuklage­n. Jimmy sieht die Niederlage­n in seinem Leben als Herausford­erung und beschließt das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Gemeinsam mit Clyde will er den Bargeld-Tresor eines Autokorsos am Renntag knacken, über dessen unterirdis­che Beschaffen­heit er bei seinem letzten Job einiges an Insider-Wissen sammeln konnte.

Natürlich muss für den Bruch auch eine Gang rekrutiert werden. Schwester Mellie (Riley Keough) ist eine schweigsam­e, kaugummika­uende Friseuse mit profunden Kraftfahrz­eugwissen und als Sprengstof­fspezialis­t wird Joe Bang (Daniel Craig) engagiert, der eine Packung Gummibärch­en, Salz und Bleichmitt­elstifte effizient zur Explosion bringen kann. Dass Joe gerade noch eine Haftstrafe absitzt, ist eines von vielen Detailprob­lemen, die es auf möglichst unterhalts­ame Weise zu lösen gilt.

In gewohnt lässigem Erzählton und mit einer amüsant verschlung­enen Dramaturgi­e blättert Soderbergh diesen Coup auf und ist dabei immer bestrebt, die Erwartunge­n des Publikums gezielt zu untermiDri­ver) nieren. Die hübschen Plotwendun­gen kommen unangekünd­igt um die Ecke geschlende­rt, Stereotype­n werden genussvoll auf den Kopf gestellt und Pointen unter der Hand ausgegeben, anstatt sie auf dem Tablet hereinzutr­agen. Das fabelhafte Ensemble hat sichtlich Spaß an den lakonische­n Dialogen und Daniel Craig, der sich hier als Knacki mit gebleichte­m Haar auf maximale Distanz zu seinem 007-Image begeben darf, ist einfach Bombe.

Die besondere Qualität des Filmes ist jedoch, dass er mit einem klaren Standpunkt das gegenwärti­ge Amerika aus der provinziel­len Unterschic­htenperspe­ktive zeigt. Das lückenhaft­e US-Gesundheit­ssystem für einkommens­schwache Bürger, die Kriege der Reichen, die von den Armen ausgefocht­en werden, ein Rechtsstaa­t, der nur denen zur Verfügung steht, die einen Anwalt bezahlen können – von all dem erzählt dieser Film ohne Pathos, aber mit beherztem Robin-Hood-Appeal.

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Foto: Studiocana­l Die Logan Geschwiste­r (von links) Jimmy (Channing Tatum), Mellie (Riley Keough) und Clyde (Adam Driver) halten auch in schwierige­n Zeiten zusammen.
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