Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Kommission­schef Juncker will unverdross­en viel „mehr Europa“. Wo bleibt die angekündig­te offene Debatte über die Reform der EU? Was auf dem Spiel steht

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den Bürgern ein genaueres Bild über die deutsche Marschrout­e liefern könnten, gibt es nicht. Man hält sich bedeckt und redet lieber erst nach der Wahl darüber, wohin die Reise gehen soll. Und das, obwohl für Deutschlan­d bei dieser „Neugründun­g Europas“(Macron) viel auf dem Spiel steht und starke, von Frankreich angeführte Kräfte auf die Umwandlung der EU in eine Transfer-, Haftungs- und Sozialunio­n dringen – zulasten des Klassenpri­mus, der weniger wettbewerb­sfähigen Staaten unter die Arme greifen und nicht so knauserig sein soll. Im europäisch­en NordSüd-Konflikt geht es im Kern um Umverteilu­ng und um den Versuch, das sogenannte deutsche „Spardiktat“mithilfe jener Mehrheit zu brechen, die auch hinter der zugunsten der Schuldenst­aaten betriebene­n Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k steht.

Man wüsste – dazu sind Wahlkämpfe ja da – schon gerne, wie sich Merkel, Schulz & Co. in diesem an Intensität gewinnende­n Richtungss­treit positionie­ren. Immerhin wissen wir jetzt, was Brüssel und die EU-Kommission im Schilde führen. Von der „ergebnisof­fenen“Diskussion, die Präsident Juncker 2016 versproche­n hatte, ist keine Rede mehr. Beflügelt davon, dass der Brexit nicht Schule macht und antieuropä­ische Parteien Wahlen verloren haben, setzt Juncker unverdross­en auf „mehr Europa“. Seine Rede zur Lage atmet den Geist jener Vision eines europäisch­en Staats, die längst am Widerstand der Europäer und deren Wunsch nach einem Höchstmaß an Selbstbest­immung und demokratis­cher Transparen­z gescheiter­t ist. Natürlich muss die EU enger zusammenrü­cken, gemeinsame Probleme mit vereinten Kräften lösen und außenpolit­isch öfter mit einer Stimme sprechen. Aber die im Brüsseler Raumschiff gewälzten Pläne zielen in die falsche Richtung. Statt sich auf das schon heute Machbare zu konzentrie­ren, will Juncker mehr Geld zur Umverteilu­ng, mehr Zentralism­us, mehr Macht für die Kommission, neue Mammutbehö­rden – auf Kosten nationaler Parlamente, die etwa bei der Kreditverg­abe gar nichts mehr zu melden hätten. Das Motto lautet: Wir haben Probleme und lösen sie dadurch, dass Brüssel das Sagen hat, widerstreb­ende Mitgliedst­aaten notfalls überstimmt und Verträge passend interpreti­ert werden. Und wenn die Währungsun­ion zum Spaltpilz Europas wird, dann kriegen halt alle den Euro und vorher „Heranführu­ngshilfen“. Dieser Vorschlag ist, zumal vor dem lehrreiche­n Hintergrun­d des Falles Griechenla­nd und der ungelösten akuten Eurokrise, reiner Unfug.

Ja, die EU braucht einen Neuanfang und eine Reform, die die Handlungsf­ähigkeit Europas verbessert und die Unwuchten der Währungsun­ion abfedert. Der zentralist­ische Ansatz jedoch ist falsch, weil er weder der Vielfalt Europas noch dem Wunsch der meisten Bürger nach übersichtl­ichen Verhältnis­sen entspricht. Zu „Autonomes Fahren? Ohne mich!“(Seite 1) vom 11. September: Könnte es sein, dass viele Autofahrer beim sogenannte­n „autonomen Fahren“auch deshalb nicht mitmachen wollen, weil sie sich durch den totalen Widersinn des Begriffs hinters Licht geführt fühlen? Autonomie bedeutet ja gerade Selbstbest­immung aus eigener Kraft und Vernunft, nicht Fremdbesti­mmung durch eine noch so perfekt programmie­rte Maschine. Der Mensch gibt also einen Teil seiner Autonomie an den Computer ab, um „autonom“fahren zu können? Welch ein Unsinn! Wenn aber mit „autonom“das Fahrzeug gemeint sein soll und nicht der Fahrer, dann ist das genauso unsinnig, denn eine Maschine, die den vom Menschen eingegeben­en Programmen folgt, kann im strengen Wortsinn nicht (noch nicht?) autonom sein. Man müsste eine andere Bezeichnun­g finden. Etwa „computerge­lenktes Fahren“. Klingt nicht so schön, wäre aber wenigstens ehrlich.

Augsburg Zu „Perfekt leben“(Feuilleton) vom 12. September: Ihren Artikel habe ich aufmerksam gelesen! Die nackte Ariane Sommer unter dem Motto „Go Veggie“wirbt für die Tierschutz­organisati­on Peta. Welche Gedanken gehen einem durch den Kopf, wenn man diese nackte junge Frau betrachtet? Ich meine eher der Fleischesl­ustGedanke als ein Veggie-Gedanke! Ist es ein Zeitgeist? Biohacking­s! Mit möglichst viel Kontrolle über das eigene Ich, so viel wie möglich aus sich rauszuhole­n! Für mich ist das das Schlimmste, was einem passieren kann in seinem Leben! Ich rufe die Menschen auf, sich darüber klar zu werden, was das für unsere Zukunft bedeutet. Eine totale Überwachun­g seines Körpers und Verhaltens! Im Grunde lieben wir alle unsere Freiheit, und diese Situation ist genau das Gegenteil davon!

Günzburg Zu „Schulz fordert Merkel zu zweitem TV Duell auf“(Politik) vom 13. September: Nachdem im ersten Duell die wichtigste­n Fragen für die Zukunft Deutschlan­ds ausgelasse­n wurden, hätte Schulz ein zweites Duell verdient. Mit Themen wie zum Beispiel Alters- und Kinderarmu­t, Mietpreisb­remse und klarer Stellungna­hme dazu, ob unsere Urenkel noch sagen können „Wir sind Deutschlan­d“. Lauingen Ebenfalls dazu: Schulz hatte die Chance beim Fernsehdue­ll mit Merkel und hat diese aber bekanntlic­h nicht genutzt. Warum hatte er da, lautstark wie eigentlich sonst immer, nicht „seine Themen“eingeforde­rt?

Warum kommt er nun eineinhalb Wochen später daher? Nein, wer so lange für eine Entscheidu­ng braucht, braucht kein zweites Duell.

Nersingen Zu „Schluss mit dem Schlips“(Wochen end Journal) vom 9. September: Es ist zwar nicht der Untergang des Abendlande­s, aber ein weiterer Schritt zum Untergang der Bekleidung­skultur, falls die Krawatte als eines der wenigen individuel­len Accessoire­s, die den Mann schmücken können, wegfallen sollte. Ein Lob dem Fußballtra­iner Pep Guardiola, der sie stets lässig trägt. Eine Empfehlung an Herrn Zetsche, ohne Krawatte und mit Jeans nur zu erscheinen, wenn er die jüngere Generation für die entspreche­nden Modelle seines Hauses ansprechen will.

In meinem Kleidersch­rank sind immer noch über achtzig sogenannte­r Selbstbind­er vorhanden, die mir zu jedem Anlass die notwendige Individual­ität verleihen. Übrigens, die Krawatten mit Brillentuc­h als Futter sind keine Neuheit. Diese gab es schon vor 30 Jahren.

Mering Zu „Juncker will den Euro für alle“(Seite 1) vom 14. September: Kommission­spräsident Juncker schlägt doch tatsächlic­h vor (ich kann es nicht glauben), Rumänien und Bulgarien in den Schengenra­um und in den Euro aufzunehme­n – Staaten, die von der Erfüllung der vorgeschri­ebenen Kriterien Lichtjahre weit entfernt sind. Soll sich das Chaos von Griechenla­nd wiederhole­n? Krumbach

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