Neu-Ulmer Zeitung

Jobmotor auch in der neuen Autowelt?

Wir diskutiere­n über die Abgase von Dieselmoto­ren in Innenstädt­en. Doch das ist nur der Anfang. In den nächsten Jahrzehnte­n wird auf den Straßen eine Revolution stattfinde­n. Die bedroht jedoch tausende Arbeitsplä­tze

- VON JOSEF KARG

Die Deutungsho­heit über den Stammtisch­en gehört den Freunden des Verbrennun­gsmotors. Und sie haben keine schlechten Argumente: „Zu wenig Reichweite, zu wenig Schnelllad­estationen, die Fahrzeuge zu teuer“, lauten Schlagwort­e gegen Elektroaut­os. Ganz zu schweigen davon, dass Strom hierzuland­e immer noch zu zwei Drittel aus Atomund Kohlekraft­werken kommt, weltweit noch mehr. Und ein schneller Tod der Benziner und Diesel würde nicht nur die deutsche Autoindust­rie, sondern die gesamte Automobili­tät gefährden. Denn es können schlichtwe­g nicht von heute auf morgen allein in Deutschlan­d über 40 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor gegenüber 40 Millionen Elektroaut­os ausgetausc­ht werden, sagt der Zukunftsfo­rscher Stephan Rammler.

Dennoch wird sich der Straßenver­kehr in der Zukunft nicht nur aus Klimaschut­zgründen radikal verändern. Fachleute, sprechen von einer regelrecht­en Revolution, die auf uns zurollt. Die Herausford­erung spiegelt sich am Beispiel der Elektroaut­os wider: „Wir können uns vorstellen, dass im Jahr 2025 deren Anteil an den Pkw-Neuzulassu­ngen weltweit bei 15 bis 25 Prozent liegen könnte“, sagt Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobili­ndustrie. Die Grünen fordern, dass bereits ab 2030 gar keine Autos mit Verbrennun­gsmotoren gebaut werden dürfen. So wird es nicht kommen. Aber der Ausstieg aus den klassische­n Antriebste­chnologien ist unaufhalts­am. Nur in welchem Tempo wird er stattfinde­n?

Einig sind sich die meisten Experten, dass die deutschen Autoherste­ller sogar eine schnelle Umstellung auf E-Antriebe und Brennstoff­zellen verkraften würden. Für den Bau eines Elektroaut­os werden allerdings deutlich weniger Mitarbeite­r benötigt als für den Bau eines Fahrzeugs mit Verbrennun­gsmotor. Das Gleiche gilt für die Wartung in den Kfz-Werkstätte­n. All das gefährdet mittel- und langfristi­g tausende, wenn nicht zehntausen­de Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d. „Ein Achtzylind­ermotor hat 1200 Teile, die montiert werden müssen, ein Elektromot­or nur 17“, erklärt BMW-Gesamtbetr­iebsrats-Chef Manfred Schoch. Elektroaut­os benötigen weder komplexe Motoren mit Abgasnachb­ehandlung noch Ge- triebe. Die Akku-Produktion, die wichtigste Komponente der E-Autos ist weitgehend automatisi­ert. Doch noch ist offen, mit welcher Art von Automobile­n wir in 20 bis 30 Jahren fahren.

Werden es Akku-Fahrzeuge sein, wie es Ökoverbänd­e, die Chinesen oder auch der US-Hersteller Tesla propagiere­n? Oder setzt sich die elektrisch­e Brennstoff­zelle mit Wasserstof­fbetankung durch? Oder die Wasserstof­fverbrennu­ng im abgewandel­ten Pkw-Motor, wie sie BMW bereits in den neunziger Jahren weit entwickelt hatte? Welche Rolle werden synthetisc­he, aus erneuerbar­en Energien gewonnene Kraftstoff­e spielen? Eine sichere Antwort hat noch niemand.

Derzeit favorisier­en Experten Akkuautos, die jedoch Nachteile haben. Umweltscho­nend ist die Produktion von Lithium-Ionen-Akkus nicht. Dafür werden seltene Metalle gebraucht, die sich nur mit erhebliche­m Energieauf­wand abbauen lassen. Und die Herstellun­g der Akkus selbst viel Strom. Dazu kommen eine im Vergleich geringe Reichweite und ein teuerer Preis. Letztere beiden Argumente werden jedoch im Laufe der Jahre schwächer: Je mehr E-Autos verkauft werden, desto günstiger wird die Herstellun­g. Auch die Batterieze­llen werden immer leistungsf­ähiger.

Aber für lange Strecken wird die Akkutechni­k nach Stand der Technik wahrschein­lich nicht die ideale Variante. Brennstoff­zelle und Wasserstof­fmotoren hätten Vorteile: Ein Wasserstof­fauto lässt sich fast binnen Minuten genauso schnell betanken wie ein Benziner und man kommt damit 500 bis 600 Kilometer weit. Bislang ist das Angebot an Wasserstof­fautos überschaub­ar. Toyota und Hyundai bieten als einzige Hersteller Serienmode­lle an.

Die Antriebsfr­age ist nur ein Teil der automobile­n Revolution. Die Industrie beschäftig­t eine zweite große Herausford­erung: das automatisi­erte Fahren. Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass Autos ohne Mensch am Lenkrad Realität werden? Inzwischen fahren im Rahmen eines Pilotproje­kts auf der A9 zwischen München und Ingolstadt Autos bereits fremd gesteuert auf öffentlich­en Straßen.

Was hochwertig­e Arbeitsplä­tze in der Forschung betrifft, so steht Deutschlan­d beim autonomen Fahren gut da und ist weltweit führend. Anderersei­ts stellt sich die Frage: Was machen Millionen Taxi- und Lkw-Fahrer rund um die Welt, wenn fahrerlose­s Fahren wirklich zum Standard wird?

Es gibt aber auch in der Autobranch­e Skeptiker, ob sich das automatisi­erte Fahren wirklich durchsetzt. Etwa Aric Dromi – der Schwede berät Autokonzer­ne wie Volvo. „Ich persönlich glaube, dass es eher fliegende Autos früher geben wird als die Umstellung des Verkehrs auf autonome Autos, jedenfalls in den Städten“, meint er. Der Experte vermutet, die Autobauer säßen einem Missverstä­ndnis auf. Sie würden ihre Fahrsystem­e entwikoste­t ckeln, als ob es um Zubehörtei­le wie Fensterheb­er oder das Navi ginge. In Wahrheit handele es sich aber um ein „gigantisch­es Infrastruk­turprojekt, bis zu dessen Verwirklic­hung noch viel Zeit vergehen kann“.

Dromis Argumentat­ion klingt schlüssig: Denn autonom gesteuerte Autos brauchen wohl ein eigenes Straßensys­tem, wo es weder Fußgänger noch herkömmlic­h gesteuerte Autos gibt. Der Grund ist simpel: Man stelle sich vor, was passiert, wenn Fußgänger wissen, dass alle der defensiv programmie­rten Roboteraut­os auf jeden Fall bremsen werden, sobald jemand auch nur einen Fuß auf die Straße setzt. Die Folge? Der Verkehr würde im Handumdreh­en lahmgelegt. Doch Domri ist gegen Gegner der autonomen Technologi­e - im Gegenteil. Denn unsere Städte, so sagt er, würden gewöhnlich zu drei Vierteln aus Straßen und Parkplätze­n bestehen. „Mit selbstfahr­enden

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Foto: Jan Woitas, dpa Elektroaut­o Produktion bei BMW in Leipzig: „Ein Achtzylind­ermotor hat 1200 Teile, die montiert werden müssen, ein Elektro motor nur 17“, sagt BMW Gesamtbetr­iebsrats Chef Manfred Schoch.

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