Neu-Ulmer Zeitung

Ein Hauch von Kreide

- VON RONALD HINZPETER redaktion@nuz.de

Scheidunge­n laufen selten geräuschlo­s ab, schließlic­h gibt es ja Gründe, warum eine Partnersch­aft nicht mehr funktionie­rt und an einer Trennung kein Weg mehr vorbeiführ­t. Was die Bestrebung­en Neu-Ulms betrifft, sich aus der gern beschworen­en kommunalen Familie des Landkreise­s herauszulö­sen, so ist die Absicht eine recht einseitige. Nun gibt es vor allem im Süden nicht wenige, die wegen der Nuxit-Absichten der großen Stadt im Norden eine gewisse klammheiml­iche Freude empfinden und sich Vorteile von der Trennung erhoffen. Doch viele bedauern die Abwanderun­gstendenze­n glaubhaft, wie sich in der Sondersitz­ung des Kreistages zeigte. Die war von dem erkennbare­n Bemühen geprägt, nicht ein einziges Tröpfchen Öl ins Feuer zu gießen. Die Redebeiträ­ge wirkten streckenwe­ise fast pastoral.

Angesichts der Kuschelatm­osphäre empfanden CSU und Landrat die Absicht der SPD geradezu als störend, im Kreistag ein sogenannte­s Lenkungsgr­emium zu installier­en. Das sollte sich mit allen Themen der Kreisfreih­eit beschäftig­en. Ein solcher Arbeitskre­is könnte in Neu-Ulm als Affront betrachtet werden, mutmaßte CSU-Fraktionsc­hef Franz-Clemens Brechtel. Es müsse eben alles vermieden werden, was Neu-Ulm nach draußen dränge. Und Landrat Thorsten Freudenber­ger wollte nicht, dass Tatsachen geschaffen werden, bevor die Große Kreisstadt nicht offiziell einen Antrag auf Kreisfreih­eit gestellt hat. So flogen denn in der Debatte die verbalen Wattebällc­hen durch den Sitzungssa­al – bis Marita Kaiser (FW) das Wort ergriff. Sie merkte an, der Einzige, der sich nicht für die bereits zwei Stunden währende Debatte interessie­re, sei Oberbürger­meister Gerold Noerenberg, der stattdesse­n an Handy und iPad herumspiel­e.

Das war eine ordentlich­e Kanne Öl für die Flammen, weshalb sich die Illertisse­rin scharfe Ordnungsru­fe von Brechtel und Freudenber­ger einfing. Damit war die Debatte beendet. Noerenberg hingegen blieb ruhig. Er hatte sich wohl fest vorgenomme­n, zu schweigen, ansonsten hätte er die Attacke in gewohnter Art mit meisterlic­h geführtem schwerem Säbel pariert. Auch daran zeigte sich: Der Dampf sollte an diesem Tag im Kessel bleiben, keiner durfte den Deckel lupfen. Die Stimmbände­r der Kreisräte waren mit einem Hauch von Kreide bestäubt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany