Straße? Hausnummer?
Mal eine Frage: Führen Sie noch ein Adressbuch auf Papier? Sie wissen schon: Abgegriffen mit den Jahren, viele Durchstreichungen, auf engstem Raum hineingekritzelte Adressänderungen, Namen in allen Kugelschreiberfarben dieser Welt, irgendwo zwischen den Seiten handgeschriebene Zettel und abgewetzte Visitenkarten. So ein lebenslang geführtes Adressbuch ist ein zerfledderter Stammbaum – mit Zweigen, die längst ins Nichts führen, mit verschrumpelten Früchten, mit Wurzeln, die vergessen sind. Alle Namen, alle Nummern, alle Straßen: ein Verzeichnis der Menschen, mit denen wir einmal zu tun hatten oder noch immer haben.
Aber solche Kladden verschwinden wie der Fotoapparat und der Stadtplan und der Walkman – ist heute alles in einem Gerät drin, alles geschluckt vom smarten Smartphone. Adressbuch, Kamera, Navi, Musik. Aber neulich gemerkt, was das eben auch bedeutet: In den „Kontakten“, wie Adressen heute heißen, finden sich fast nur noch Telefonnummern und Mail-Accounts. Zwar alles schön alphabethisch geordnet und nirgendwo etwas unleserlich. Zu vielen Namen gibt es auch Fotos. Ready for Kommunizieren around the clock! Aber was schicken? Also einen Brief mit Papier drin und Marke drauf? Dazu müsste man… Genau: analoges Wissen notiert haben. Sachen wie Hausnummer, Straße, Ort, Postleitzahl. Große Verlegenheit. Was tun? Internet! Zusammengoogeln. Aber da strandet man schnell – du findest Homepages, aber keine Heime. Siehst Wiki-Einträge, aber keine Straßennamen. Findest die Telefonnummern, die du schon hast. Aber wohin den Briefträger schicken? Die Leute wohnen bei Facebook oder Xing und in den Wolken. Netter Ratschlag von nebenan: Fotografier deinen ollen Brief halt ab und schick ihn per Whatsapp, Mann. (mls)