Blühende Kerzen und flüssiges Gold
Erntezeit am Bodensee
Traktor gezogen. „Apfelzügle“, nennt Landwirt Joachim Knoll ihn und gondelt Richtung Plantage. „Das Obstanbaugebiet Bodensee liegt im Streit mit dem Alten Land, wer größer ist“, sagt Knoll: „Hier sind es rund 8000 Hektar.“
Ursprüngliche Apfelsorten
Im Gegensatz zu den großen Knollschen Spalier- und Niederstammanlagen, hat der Koch Markus Keller eine Art Museumsgarten, eine Obsthochstammanlage, neben seinem Landgasthof in Lippertsreute. Robuste, alte Sorten, ungespritzt. „In Erinnerung daran angelegt, wie Obstbau früher in unserer Region aussah“, sagt er und schneidet mit geübter Hand einige Äpfel- und Birnenspalten. Sein Wissen über regionale Produkte gibt der Gasthofbesitzer auch gern in Kochkursen weiter. Neben Äpfeln bietet die Region auch einen großen Schatz ausgezeichneter Weine. Von lieblich bis trocken. Wer beim Traubenlesen, „wimmeln“, wie es regional heißt, nicht richtig zupackt, muss nicht lange auf guten Rat warten. „Immer gegen den Berg. Wenn man tiefer steht, sieht man den Stiel besser zum Abschneiden“, erklärt ein Erntehelfer. Positionswechsel. Stimmt. „So funktioniert’s. Gegen die Hand zu schaffen, geht eben nicht so schnell“, fügt er noch an. Ist das die charmante BodenseeFormulierung für „zack, zack“? Greifen, schneiden, schauen. Die gut gereiften, unversehrten Trauben landen in kleinen, dann in großen Eimern, letztere auf wendigen Traktoren. Nächster Halt: Winzerverein Hagnau, die älteste Winzergenossenschaft im Weinanbaugebiet Baden. Dort wird die Ernte gewogen und der Zuckergehalt ermittelt. Ein paar Stufen führen hinab zum Herzstück des Winzervereins. Im Keller brennen Stabkerzen in Weinflaschen, gigantische 700-Liter-Holzfässer erinnern an Jubiläen. Es ist das Reich von Kellermeister Jochen Sahler. Hier schafft und hütet er mit seinem Team literweise flüssigen Genuss. Anita Schmidt, ehemalige badische Weinkönigin, schwärmt von „Fülle“und „Konsistenz“. „Jede Beere hat ihr eigenes Aroma“, erläutert die diplomierte Betriebswirtin: „Weine müssen nicht von Anfang an voll da sein. Sie machen Stück für Stück auf.“Schmidt erklärt, berät – und missioniert. Der Tischnachbar hat ein schwindelerregendes Verkostungstempo. „Ein Winzer trinkt halt schneller – das ist ein Geburtsfehler“, flüstert er mit einem Zwinkern. Es muss schön sein, eng mit der Natur zu leben.