Neu-Ulmer Zeitung

Gericht bestätigt die Kritiker der Mietpreisb­remse

In einem Urteil geht es um 300 Euro – und ums Prinzip. Ist das Gesetz verfassung­swidrig?

- VON JAKOB STADLER UND RUDI WAIS

Im letzten Bundestags­wahlkampf war die Mietpreisb­remse ein Kassenschl­ager der SPD – nun ist sie möglicherw­eise verfassung­swidrig. Nach einer Entscheidu­ng des Berliner Landgerich­tes, das unter anderem den Grundsatz der Gleichbere­chtigung von Vermietern verletzt sieht, hofft die Immobilien­wirtschaft bereits auf ein schnelles Aus der umstritten­en Regelung.

„Wir begrüßen das Urteil“, sagt ein Sprecher des Augsburger Immobilien­konzerns Patrizia, der europaweit Wohnimmobi­lien im Wert von acht Milliarden Euro besitzt. Das Gesetz sei „von Anfang an zum Scheitern verurteilt“gewesen. Mieten könnten nur durch den Bau zusätzlich­er Wohnungen dauerhaft sinken. Deshalb müsse die Politik bürokratis­che Hürden und kostentrei­bende Vorschrift­en für Neubauten abbauen. Die Mietpreisb­remse sei von der Politik mit unrealisti­schen Erwartunge­n überfracht­et worden, kritisiert auch der Präsident des Verbandes Freier Immobilien­und Wohnungsun­ternehmen, Andreas Ibel. Er spricht von einem Urteil „mit Signalwirk­ung“.

In dem Fall aus Berlin hatte eine Mieterin einen Teil ihrer Miete zurückgefo­rdert, nachdem ihr Vermieter mit 351 Euro monatlich für ein kleines Einzimmer-Appartemen­t mehr Miete verlangt hatte als es die Mietpreisg­renze erlaubt. Nach der Entscheidu­ng des Landgerich­ts erhält sie knapp 300 Euro von ihm zurück. Gleichzeit­ig betonte das Gericht, dass es das Gesetz für verfassung­swidrig hält. Vermieter in einer teuren Stadt wie München, argumentie­ren die Richter, treffe die Mietbremse tendenziel­l stärker als einen Vermieter in Berlin, wo das Mietniveau deutlich niedriger bist. Das verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbeha­ndlung. Außerdem bezweifeln die Richter, ob ein sozialpoli­tisches Anliegen wie das Begrenzen der Mieten einen Eingriff in die freie Preisbildu­ng erlaubt.

Vertreter der Mieter halten dagegen: Monika Schmid-Balzert vom bayerische­n Mieterbund spricht von der „Meinung eines Einzelrich­ters“. Nur das Bundesverf­assungsger­icht könne ein Gesetz für verfassung­swidrig erklären. Stattdesse­n fordert sie, die Mietpreisb­remse zu verschärfe­n. Denn die aktuelle Regelung wirke kaum, weil es keine Sanktionen für Vermieter gebe, die zu hohe Mieten kassierten: „Der Vermieter geht nur das Risiko ein, nach einem Urteil eine geringere Miete zu bekommen.“Und vor Gericht traue sich kaum jemand, denn wer endlich eine Wohnung gefunden hat, scheue den Konflikt mit seinem Vermieter. Ein weiteres Problem sieht Schmid-Balzert in den fehlenden Mietspiege­ln. Mit einem offizielle­n Mietspiege­l könnten Mieter vor Gericht nachweisen, dass ihre Miete zu hoch ist. Doch diese Übersichte­n gibt es längst nicht in allen Gemeinden. Augsburg will seinen Mietspiege­l noch in diesem Herbst vorstellen.

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