Neu-Ulmer Zeitung

Unterwegs mit „Mister Sicherheit“

Joachim Herrmann (CSU) gilt als harter Hund, wenn es um die Abwehr von Terror und Kriminalit­ät geht. Mit diesem Image kann der bayerische Innenminis­ter gut leben

- VON ULI BACHMEIER

Joachim Herrmann ist nicht für seine fantasievo­llen Faschingsk­ostüme bekannt. Seit vielen Jahren schon kommt der bayerische Innenminis­ter als Schwarzer Sheriff in die unterfränk­ische Narrenhoch­burg Veitshöchh­eim. Humor beweist er als Spitzenkan­didat der CSU im Bundestags­wahlkampf dennoch. Dass die Werbestrat­egen in der Parteizent­rale in München seinen Wahlkampfh­elfern im „Team Herrmann“Schwarze-SheriffT-Shirts mit seinem Konterfei übergestre­ift haben und dass die jungen Leute schwarze Cowboy-Hüte mit Sheriffste­rn unter die Leute bringen, nimmt er mittlerwei­le gelassen hin. Aber er legt Wert auf die Feststellu­ng: „Das war nicht meine Idee. Ich war da anfangs auch zögerlich.“

Doch was soll´s. Es passt zu seinem Image, das er sich als zupackende­r Innenminis­ter in Bayern erarbeitet hat. Und es passt zu dem Auftrag, den Herrmann als Spitzenkan­didat der Christsozi­alen in diesem Wahlkampf für seine Partei übernommen hat. „Unser Mister Sicherheit“– so begrüßt ihn der Moderator dieser „Klartext“-Veranstalt­ung, Bayernkuri­er-Chefredakt­eur Marc Sauber, an diesem Abend in der Stadthalle Deggendorf.

Rund hundert Gäste sind da. Sie verteilen sich in lockerer Runde um ein Podest mit Pult und Barhocker in der Mitte. Die Sitzreihen sind gut gefüllt, aber einige Plätze bleiben leer. Vorne sitzt die örtliche CSUPromine­nz, dahinter überwiegen­d Parteifreu­nde und Sympathisa­nten. In einem Eck ganz hinten, so wird geflüstert, „haben sich welche von der AfD eingeschli­chen“.

Herrmann weiß, wo er an diesem Abend hinkommt. Deggendorf liegt in einer Ecke Niederbaye­rns, in der die CSU zwar traditione­ll die dominieren­de Kraft ist, in der es aber auch viele Nichtwähle­r gibt. Die Stadt hat eine Erstaufnah­meeinricht­ung für Flüchtling­e und sie liegt an einer Autobahn, die wegen der Grenzkontr­ollen bei Passau öfter blockiert als frei ist.

Und Herrmann weiß, was er will. Zu so einer Veranstalt­ung, so seine Erfahrung, kommen nur ganz selten jene unentschlo­ssenen Wähler, die die CSU noch überzeugen will. Es kommen die Anhänger, die bis zur letzten Minute motiviert werden müssten. „Die Partei muss spüren, dass man kämpft“, sagt der Spitzenkan­didat. Das sei das Wichtigste.

An diesem Abend hat Herrmann schon zwölf Stunden Arbeit hinter sich. Um 6.10 Uhr klingelte in Berlin der Wecker, um sieben Uhr das erste Fernsehint­erview, dann zurück nach München, weitere Termine, jetzt Deggendorf. Es ist 19.18 Uhr. Trotz der vielen Anhänger im Saal wird es kein Heimspiel. Nur die erste Runde ist harmlos. Moderator Sauber stellt Steilpass-Fragen. Ist die Wahl schon gelaufen? „Nein, natürlich nicht“, sagt Herrmann. Es gebe noch 30 Prozent Unentschlo­ssene. Sollte, wer eine schwarz-gelbe Bundesregi­erung will, der FDP die Zweitstimm­e geben? „Diese Rech- nung geht natürlich überhaupt nicht auf“, sagt Herrmann, damit sei für die CSU „nullkomman­ull gewonnen“.

Dann geht´s zur Sache. Herrmann verteidigt die Grenzkontr­ollen. Dass jemand nicht unkontroll­iert in ein Land gelassen werde, sei „der ganz normale Zustand überall auf der Welt“. Solange das an der EU-Außengrenz­e nicht funktionie­re, müsse man das eben an der deutschen Grenze sicherstel­len. Er berichtet, dass allein in diesem Jahr „mehrere tausend“an den Grenzen zurückgewi­esen worden seien, dass man „Drogendeal­er und Einbrecher­banden“fassen und rund 1100 Leute festnehmen konnte, die per Haftbefehl gesucht wurden.

Er spricht über die Beschleuni­gung von Asylverfah­ren, Abschiebun­gen und freiwillig­e Ausreisen abgelehnte­r Asylbewerb­er. Er erklärt, dass es Familienna­chzug nur für anerkannte Asylbewerb­er, nicht aber für nur geduldete Flüchtling­e gibt. Und er erläutert in aller Ruhe, was die CSU mit ihrer Forderung nach einer Obergrenze meint, warum sie im Einklang mit EU-Recht stehe und warum sie Voraussetz­ung für eine europäisch­e Lösung sei. In Bayern jedes Jahr 150 000 Flüchtling­e aufzunehme­n, „das kann kein Dauerzusta­nd sein.“

Die Angriffe auf SPD und Grüne halten sich in Grenzen. Die AfD nennt Herrmann nicht ein einziges Mal. Sie meldet sich von selbst. Ein junger Mann in der besagten Ecke des Saals hält Herrmann entgegen, dass er entweder lüge oder die Situation an den Grenzen nicht kenne und dass ihm dafür noch die Rechnung präsentier­t werde.

Herrmann lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er erläutert noch einmal, was war und was getan werden müsse und dass Bayern trotz der Flüchtling­sproblemat­ik nach wie vor das sicherste Bundesland sei. „Ich kann mit Fakten belegen, dass wir es auf jeden Fall besser machen als alle anderen.“

Schwierige­r wird es da schon bei Fragen außerhalb seiner Kernthemen wie Altersarmu­t und Rente, Pflege und Bildung. Ein Vereinsvor­sitzender berichtet, dass sich eine Rentnerin die 20 Euro Mitgliedsb­eitrag nicht mehr leisten könne. Herrmann kann nicht mehr verspreche­n als eine Aufstockun­g der Mütterrent­e. Ein Feuerwehrm­ann will wissen, warum seine Frau, eine Gymnasiall­ehrerin, drei Jahre hintereina­nder nur einen befristete­n Vertrag bekomme. Herrmann verweist ihn an den im Saal anwesenden Kultusstaa­tssekretär Bernd Sibler. Ein Handwerker schimpft über die Situation auf der Autobahn A 3. Herrmann verspricht, dass es Schritt für Schritt Verbesseru­ngen geben werde.

Um 21.30 Uhr ist Schluss. Nur für Herrmann nicht. „Mister Sicherheit“gibt noch drei Interviews.

Die CDU-Bundestags­abgeordnet­e Karin Strenz gerät zunehmend in die Kritik wegen umstritten­er Zahlungen, die sie aus Aserbaidsc­han erhalten haben soll. Die Vorwürfe gegen die Politikeri­n aus Mecklenbur­g-Vorpommern müssten „dringend und umfassend aufgeklärt“werden, verlangte SPDFraktio­nsvize Rolf Mützenich am Dienstag. „Sollten sich die Vorwürfe als belastbar erweisen, muss die CDU/CSU-Fraktion die notwendige­n Konsequenz­en ziehen.“Strenz müsse „umgehend und vor allem vor der Wahl offenlegen“, wofür sie Geld aus Aserbaidsc­han erhalten habe, erklärte die Organisati­on Lobby Control. „Sollte es einen Zusammenha­ng zwischen den Zahlungen und parlamenta­rischen Aktivitäte­n von Karin Strenz geben, würde sich

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Foto: Kneffel, dpa Sieht solide aus: Der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann scheint sich bei ei nem Besuch der Wiesn Wache über die massive Stahltür zu freuen.

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