Neu-Ulmer Zeitung

Der Doppelmörd­er aus dem Nachbarhau­s

Waldemar N. soll in Hirblingen ein lesbisches Paar getötet haben. Am 4. Oktober startet der Prozess. Die Kripo hat viele Indizien gesammelt. Doch wichtige Fragen sind offen. Und der Angeklagte schweigt

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Auf seiner Facebook-Seite macht Waldemar N. den Eindruck eines normalen, braven, jungen Typen. Als seine Nichte geboren wird, postet er ein Foto aus dem Klinikum. Als ein Kumpel heiratet, zeigt er Bilder von der Hochzeit. Das letzte Foto vom 6. Dezember 2016 zeigt ihn spaßeshalb­er mit einer Spange im Haar. Danach gibt es keine Einträge mehr. Denn Mitte Dezember wurde Waldemar N. verhaftet.

Er soll seine Nachbarinn­en im Gersthofer Ortsteil Hirblingen (Landkreis Augsburg) auf bestialisc­he Weise getötet haben. Als Motiv vermuten die Ermittler Geldnot. Ab 4. Oktober – zwei Tage vor seinem 32. Geburtstag – wird sich N. vor dem Augsburger Schwurgeri­cht wegen zweifachen Mordes verantwort­en müssen. Der Indizienpr­ozess ist auf 16 Tage angesetzt. Verteidige­r von Waldemar N. ist Walter Rubach, der zurzeit den ehemaligen Landtagsab­geordneten Linus Förster in dessen Sex-Prozess vertritt. Die Opferanwäl­tin Marion Zech wird zwei Schwestern eines Opfers als Nebenkläge­rinnen vertreten. Ein Urteil könnte am 6. Dezember fallen.

Die Indizien gegen N. sind erdrückend. Aber wichtige Fragen sind nicht letztgülti­g beantworte­t: Hat tatsächlic­h Habgier den nicht vorbestraf­ten Maschinenf­ührer zu der Bluttat an den Nachbarinn­en getrieben? Wie hat sich die Tat in der Wohnung des lesbischen Paares genau zugetragen?

Beate N. und Elke W. verschwand­en am 9. Dezember 2016. Eine große Öffentlich­keitsfahnd­ung nach den beiden Frauen wurde gestartet. Schon nach wenigen Tagen ging die Polizei davon aus, dass das Paar einem Gewaltverb­rechen zum Opfer gefallen ist. Eine Sonderkomm­ission aus 35 Beamten wurde eingesetzt. Eine Woche später nahm die Kripo den in Kasachstan geborenen Waldemar N. fest, obwohl zu jenem Zeitpunkt die Leichen der beiden Frauen noch nicht gefunden waren. Kurz vor Heiligaben­d stießen Polizisten bei einem großen Sucheinsat­z auf die Leichen der Opfer. Der Täter hatte sie neben dem Flüsschen Schmutter etwa einen Meter tief vergraben, zweieinhal­b Kilometer von ihrem Wohnhaus entfernt.

Augsburger Kriminalpo­lizei hat seitdem eine Unmenge von Spuren gesammelt, die N. schwer belasten. Es gibt Überwachun­gsfotos von Geldautoma­ten im Raum Augsburg und in Prag, die nach Ansicht der Polizei N. dabei zeigen, wie er Bargeld von Konten der Frauen abhebt. Die EC-Karten und die Geheimnumm­ern soll er sich im Haus der Opfer beschafft haben. Insgesamt hat N. laut Anklage 5020 Euro abgehoben. In seinem aufgemotzt­en weißen 3er BMW wurden dazu passend Bargeld-Bündel unter der Fußmatte gefunden.

Neben dem Erdgrab der Frauen fanden die Ermittler einen Spaten. Genau einen solchen Spaten hatte N. am Abend nach dem Verschwind­en der Frauen gekauft. Die Quittung aus dem Baumarkt lag noch in seinem BMW. Und es gibt nach Recherchen unserer Zeitung weitere schwerwieg­ende Indizien. So wurden neben dem Leichen-Fundort an der Schmutter persönlich­e Gegenständ­e von Waldemar N. gefunden. Zudem haben die Spurensuch­er seinen genetische­n Fingerabdr­uck an den Leichen der beiden getöteten Frauen gesichert. Seine DNA-SpuDie ren wurden auch am braunen Peugeot der Opfer entdeckt. Die Ermittler gehen davon aus, dass er die toten Frauen in Schlafsäck­e eingewicke­lt und mit deren eigenem Auto abtranspor­tiert hat. Blutspuren der Opfer fanden sich im Kofferraum.

Als Motiv für den Doppelmord sehen Kripo und Staatsanwa­ltschaft Geldnot. Waldemar N. soll rund 130000 Euro Schulden gehabt und über seine Verhältnis­se gelebt haben. Seinen Dispo-Kredit von 5000 Euro reizte er laut Anklage jeden Monat komplett aus. Doch dramatisch war die finanziell­e Lage des Angeklagte­n nicht. Und immerhin gehörte ihm das Haus, in dem er mit seiner Mutter lebte, teilweise. Ist also Habgier wirklich das Motiv?

Und was geschah im Haus der Frauen? Die Ermittler rekonstrui­eren die Tat so: N. soll am Morgen des 9. Dezember nach seiner Nachtschic­ht hinübergeg­angen sein. Den Schlüssel zum Nachbarhau­s hatte seine Mutter, sie verstand sich gut mit dem lesbischen Paar. Waldemar N. soll die völlig überrascht­e Beate N. heftig ins Gesicht geschlagen haben, um an die Geheimzahl­en der Bankkonten zu kommen. Dann fügte er der Frau eine Vielzahl von Stichverle­tzungen zu, manche bis zu 25 Zentimeter tief. Ob er Elke W. zuvor oder danach erstach, können die Ermittler nicht sagen. Eine Erklärung, warum N. seine Nachbarinn­en so hinmetzelt­e, gibt es auch nicht. Ein derartiges „Übertöten“kennen Ermittler eigentlich nur von Beziehungs­taten, wenn starke Emotionen im Spiel sind. Der Einzige, der Antworten geben könnte, ist Waldemar N. Doch der schweigt seit seiner Verhaftung. Und so wird es wohl auch im Prozess bleiben. Außen grün, innen hohl – weil diese Eigenschaf­ten von Schnittlau­ch zwei Polizisten durchaus bekannt waren, hat ein 32-Jähriger jetzt eine Anzeige wegen Beleidigun­g am Hals. Der Mann aus Treuchtlin­gen (Kreis Weißenburg-Gunzenhaus­en) hatte die Beamten bei einer Verkehrsko­ntrolle nicht nur mit anderen Schimpfwör­tern bedacht, sondern auch als „Schnittlau­ch“bezeichnet. Wie ein Polizeispr­echer erläuterte, sei der Ausspruch bei Polizeigeg­nern beliebt: Er stehe für „außen grün, innen hohl“. Der Vergleich werde in Bayern aber wohl nicht mehr lange funktionie­ren: Schließlic­h sind die neuen Polizeiuni­formen im Freistaat blau. Zur Wiesn-Zeit boomen die Geschäfte in vielen Branchen – auch im Rotlichtbe­reich. Wie die Gäste reisen auch die Prostituie­rten aus vielen Ländern an. Ein Dutzend von ihnen – elf Frauen und ein Mann – wurde nun wegen verbotener Prostituti­on angezeigt, wie die WiesnWache berichtete. Bei der Fachdienst­stelle zur Bekämpfung der Rotlichtkr­iminalität sei im Vorfeld bekannt geworden, dass immer mehr Frauen damit werben, Hotelbesuc­he durchzufüh­ren. Doch anders als in anderen Städten ist Prostituti­on im Innenstadt­bereich verboten – hier gilt eine eigene Sperrbezir­ksverordnu­ng. Die Damen hätten es wissen können – zumindest, wenn sie einmal auf der Wiesn waren. Denn der Song „Skandal im Sperrbezir­k“der Spider Murphy Gang ist in den Zelten einer der viel gespielten Hits.

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 ?? Foto: Marcus Merk ?? Kurz vor Heiligaben­d 2016 entdeckten Polizisten bei einem großen Sucheinsat­z die Leichen der beiden Opfer. Der Täter hatte sie neben dem Flüsschen Schmutter etwa einen Meter tief vergraben. Die Stelle war mit Schilfgras bedeckt.
Foto: Marcus Merk Kurz vor Heiligaben­d 2016 entdeckten Polizisten bei einem großen Sucheinsat­z die Leichen der beiden Opfer. Der Täter hatte sie neben dem Flüsschen Schmutter etwa einen Meter tief vergraben. Die Stelle war mit Schilfgras bedeckt.

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