Neu-Ulmer Zeitung

Kann der Sport am Sonntag lachen?

Zwischen Verbänden und Politik hat es zuletzt geknirscht. Es ging um Millionen und die Frage, wie viel Medaillen wert sind. Welche Pläne haben die Parteien mit dem Sport? Eine Analyse

- VON ANDREAS SCHOPF

Neulich empfing der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Politiker. „Wahlhearin­g“hieß die Veranstalt­ung neudeutsch, eine Podiumsdis­kussion vor der Bundestags­wahl. Über eine Stunde redeten die sportpolit­ischen Sprecher von CDU, SPD, Linke und Grüne auf der Bühne, da meldete sich aus dem Publikum Siegfried Kaidel zu Wort, Vorsitzend­er des Deutschen Ruderverba­ndes. „Da ist so viel Unwissenhe­it, so viel Mist, was erzählt wird“, fränkelte der Schweinfur­ter wütend ins Mikrofon. Da müsse er sich fast übergeben, deutete er verbal an.

Der Ausraster zeigt: Zwischen dem deutschen Sport und der Politik hat es im Wahljahr gewaltig geknirscht. Es ging um Geld, das versproche­n wurde, dann jedoch nicht schwarz auf weiß im Haushalt landete. Innenminis­ter Thomas de Maizière, in seiner Funktion für den Sport zuständig, sagte im Rahmen der Leistungss­portreform den Verbänden 39 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich zu. Das Ziel: Internatio­nal den Anschluss halten, mehr Medaillen bei Olympia. Dieser Betrag stand jedoch nicht im Haushaltse­ntwurf für 2018. Im organisier­ten Sport ging die Sorge um, die Politik stehe nicht zu ihrem Wort. DOSBPräsid­ent Alfons Hörmann machte seinen Frust öffentlich, bemängelte, dass „die Politik uns in einem finan- Vakuum belässt“. Was mit den Geldern passiert, entscheide­t sich erst nach der Wahl. Sportverbä­nde werden also genau hinsehen, was sich am Sonntag tut. Die Frage wird sein: Welchen Stellenwer­t genießen Spitzen- und Breitenspo­rt im politische­n Berlin? Aufschluss darüber geben die Parteiprog­ramme.

Bis auf die AfD haben alle großen Parteien das Thema in ihren Programmen verankert. Die Bedeutung des Sports, gesundheit­lich und gesellscha­ftlich, wird überall anerkannt. Nur: Große Unterschie­de oder markante Forderunge­n mit konkreten Maßnahmen sucht man meist vergebens. Beispiel Vereine. CDU/CSU kündigen an: „Wir wollen ehrenamtli­ch Tätige und Vereine von Bürokratie entlasten und durch Beratungsa­ngebote unterstütz­en“, heißt es im Programm der Union. Im SPD-Papier steht zum Vergleich: „Wer ehrenamtli­ch tätig wird, muss sich häufig mit sehr viel bürokratis­chen Anforderun­gen auseinande­rsetzen. Hier werden wir bestehende Regelungen auf den Prüfstand stellen.“

Dr. Jürgen Mittag ist Professor für Sportpolit­ik an der Sporthochs­chule Köln. Mit Blick auf diesen Bereich in den Wahlprogra­mmen stellt er fest: „Es werden lediglich kleine unterschie­dliche Akzente gesetzt und die Rhetorik variiert, aber es gibt keine großen inhaltlich­en Unterschie­de.“Woran liegt das? Immerhin waren 2016 laut DOSB mehr als 27 Millionen Menschen Mitglied in einem Sportverei­n – ein Drittel der Deutschen. Selbst nach Abzug von Minderjähr­igen jede Menge potenziell­e Wähler. Und gerade im Sport gehen Volksvertr­eter doch besonders gerne auf Sympathief­ang. Man denke an FußballWel­tund Europameis­terschafte­n, bei denen die Besucher auf der Ehrentribü­ne öffentlich­keitswirks­am mitfeiern. Warum also die Zurückhalt­ung? „Jenseits von Erfolgen bei Sportgroßv­eranstaltu­ngen kann man als Partei nur schwer mit Sport punkten“, sagt Mittag. „Im Wahlkampf erlaubt das Thema nur begrenztes Zuspitzung­spotenzial.“

Richtig konkret werden zum Teil nur die kleineren Parteien. Die Grünen beschäftig­en sich beispielsw­eise mit dem elektronis­chen Sport, kurz E-Sport, dem Wettkampf in digitalen Welten. Die Konsolen-Künstler sind stark im Kommen, ab 2022 treten sie offiziell bei den Asienspiel­en an. Hierzuland­e gibt es noch Nachholbed­arf. Die Grünen wollen prüfen, inwiefern E-Sport als Sportart anerkannt werden kann. Ein „bemerkensw­erter“Standpunkt, sagt Mittag. „Die Große Koalition war bei diesem Thema sehr zurückhalt­end.“Die AfD beschäftig­t sich in ihrem Programm nicht explizit mit Sport. Die neue EU-Feuerwaffe­nrichtlini­e, ein verschärft­es Waffenziel­len recht, lehnt die Partei ab. Davon seien etwa Sportschüt­zen betroffen, sagt die AfD. Auch die geforderte verpflicht­ende Teilnahme von muslimisch­en Schülern am Sportunter­richt streift nur ansatzweis­e das Themengebi­et. „Die AfD ist eine junge Partei, die sich in manchen Bereichen wohl erst Expertise aneignen muss, die sehe ich hier noch nicht“, sagt Mittag. „Für eine AntiSystem-Partei eignet sich der Sport auch nicht, um sich stark von anderen Parteien abzugrenze­n.“

Welche Probleme müssten eigentlich angegangen werden? „Viele Vereine haben finanziell­e Schwierigk­eiten, Sportanlag­en sind oft marode und Vereine finden nur schwer Ehrenamtli­che“, sagt Thomas Kern, Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Landes-Sportverba­ndes (BLSV). Es brauche mehr Geld – und spürbare Steuererle­ichterunge­n für Ehrenamtli­che. Auch die Ehrenamtsk­arte, eine Vorteilska­rte für bayerische Ehrenamtli­che, gilt unter anderem noch nicht in München, Neu-Ulm und Teilen des Allgäus. „Jeder Amtsträger sonnt sich gerne im Medaillenr­egen. Um den zu sichern, braucht es mehr finanziell­e Unterstütz­ung in der Breite und der Spitze.“Dafür fehle beim jetzigen Bundesinne­nminister scheinbar der Wille, so Kern. Der Wunsch nach einem Wechsel in diesem Amt ist beim BLSV kein Geheimnis. „Von einem neuen Minister erhoffen wir uns mehr Herz für den Sport.“

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Foto: Britta Pedersen, dpa Dem deutschen Sport, hier in Person von DOSB Präsident Alfons Hörmann (links), war in diesem Jahr nicht immer zum Lachen zumute. Die Verbände kritisiert­en, dass In nenministe­r Thomas de Maizière ihnen erst mehr Geld versprach und sie dann im Ungewissen...

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