Kann der Sport am Sonntag lachen?
Zwischen Verbänden und Politik hat es zuletzt geknirscht. Es ging um Millionen und die Frage, wie viel Medaillen wert sind. Welche Pläne haben die Parteien mit dem Sport? Eine Analyse
Neulich empfing der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) Politiker. „Wahlhearing“hieß die Veranstaltung neudeutsch, eine Podiumsdiskussion vor der Bundestagswahl. Über eine Stunde redeten die sportpolitischen Sprecher von CDU, SPD, Linke und Grüne auf der Bühne, da meldete sich aus dem Publikum Siegfried Kaidel zu Wort, Vorsitzender des Deutschen Ruderverbandes. „Da ist so viel Unwissenheit, so viel Mist, was erzählt wird“, fränkelte der Schweinfurter wütend ins Mikrofon. Da müsse er sich fast übergeben, deutete er verbal an.
Der Ausraster zeigt: Zwischen dem deutschen Sport und der Politik hat es im Wahljahr gewaltig geknirscht. Es ging um Geld, das versprochen wurde, dann jedoch nicht schwarz auf weiß im Haushalt landete. Innenminister Thomas de Maizière, in seiner Funktion für den Sport zuständig, sagte im Rahmen der Leistungssportreform den Verbänden 39 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich zu. Das Ziel: International den Anschluss halten, mehr Medaillen bei Olympia. Dieser Betrag stand jedoch nicht im Haushaltsentwurf für 2018. Im organisierten Sport ging die Sorge um, die Politik stehe nicht zu ihrem Wort. DOSBPräsident Alfons Hörmann machte seinen Frust öffentlich, bemängelte, dass „die Politik uns in einem finan- Vakuum belässt“. Was mit den Geldern passiert, entscheidet sich erst nach der Wahl. Sportverbände werden also genau hinsehen, was sich am Sonntag tut. Die Frage wird sein: Welchen Stellenwert genießen Spitzen- und Breitensport im politischen Berlin? Aufschluss darüber geben die Parteiprogramme.
Bis auf die AfD haben alle großen Parteien das Thema in ihren Programmen verankert. Die Bedeutung des Sports, gesundheitlich und gesellschaftlich, wird überall anerkannt. Nur: Große Unterschiede oder markante Forderungen mit konkreten Maßnahmen sucht man meist vergebens. Beispiel Vereine. CDU/CSU kündigen an: „Wir wollen ehrenamtlich Tätige und Vereine von Bürokratie entlasten und durch Beratungsangebote unterstützen“, heißt es im Programm der Union. Im SPD-Papier steht zum Vergleich: „Wer ehrenamtlich tätig wird, muss sich häufig mit sehr viel bürokratischen Anforderungen auseinandersetzen. Hier werden wir bestehende Regelungen auf den Prüfstand stellen.“
Dr. Jürgen Mittag ist Professor für Sportpolitik an der Sporthochschule Köln. Mit Blick auf diesen Bereich in den Wahlprogrammen stellt er fest: „Es werden lediglich kleine unterschiedliche Akzente gesetzt und die Rhetorik variiert, aber es gibt keine großen inhaltlichen Unterschiede.“Woran liegt das? Immerhin waren 2016 laut DOSB mehr als 27 Millionen Menschen Mitglied in einem Sportverein – ein Drittel der Deutschen. Selbst nach Abzug von Minderjährigen jede Menge potenzielle Wähler. Und gerade im Sport gehen Volksvertreter doch besonders gerne auf Sympathiefang. Man denke an FußballWeltund Europameisterschaften, bei denen die Besucher auf der Ehrentribüne öffentlichkeitswirksam mitfeiern. Warum also die Zurückhaltung? „Jenseits von Erfolgen bei Sportgroßveranstaltungen kann man als Partei nur schwer mit Sport punkten“, sagt Mittag. „Im Wahlkampf erlaubt das Thema nur begrenztes Zuspitzungspotenzial.“
Richtig konkret werden zum Teil nur die kleineren Parteien. Die Grünen beschäftigen sich beispielsweise mit dem elektronischen Sport, kurz E-Sport, dem Wettkampf in digitalen Welten. Die Konsolen-Künstler sind stark im Kommen, ab 2022 treten sie offiziell bei den Asienspielen an. Hierzulande gibt es noch Nachholbedarf. Die Grünen wollen prüfen, inwiefern E-Sport als Sportart anerkannt werden kann. Ein „bemerkenswerter“Standpunkt, sagt Mittag. „Die Große Koalition war bei diesem Thema sehr zurückhaltend.“Die AfD beschäftigt sich in ihrem Programm nicht explizit mit Sport. Die neue EU-Feuerwaffenrichtlinie, ein verschärftes Waffenziellen recht, lehnt die Partei ab. Davon seien etwa Sportschützen betroffen, sagt die AfD. Auch die geforderte verpflichtende Teilnahme von muslimischen Schülern am Sportunterricht streift nur ansatzweise das Themengebiet. „Die AfD ist eine junge Partei, die sich in manchen Bereichen wohl erst Expertise aneignen muss, die sehe ich hier noch nicht“, sagt Mittag. „Für eine AntiSystem-Partei eignet sich der Sport auch nicht, um sich stark von anderen Parteien abzugrenzen.“
Welche Probleme müssten eigentlich angegangen werden? „Viele Vereine haben finanzielle Schwierigkeiten, Sportanlagen sind oft marode und Vereine finden nur schwer Ehrenamtliche“, sagt Thomas Kern, Geschäftsführer des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV). Es brauche mehr Geld – und spürbare Steuererleichterungen für Ehrenamtliche. Auch die Ehrenamtskarte, eine Vorteilskarte für bayerische Ehrenamtliche, gilt unter anderem noch nicht in München, Neu-Ulm und Teilen des Allgäus. „Jeder Amtsträger sonnt sich gerne im Medaillenregen. Um den zu sichern, braucht es mehr finanzielle Unterstützung in der Breite und der Spitze.“Dafür fehle beim jetzigen Bundesinnenminister scheinbar der Wille, so Kern. Der Wunsch nach einem Wechsel in diesem Amt ist beim BLSV kein Geheimnis. „Von einem neuen Minister erhoffen wir uns mehr Herz für den Sport.“