Neu-Ulmer Zeitung

Die Angst der CSU vor dem Abstieg aus der Bundesliga

Es rumort nach der schweren Niederlage. Noch hat Seehofer die Lage im Griff. In der Union bricht der alte strategisc­he Kernkonfli­kt wieder aus

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Nach dem dramatisch­en Absturz der Union ist Feuer unter dem Dach der CSU. Im Gegensatz zur CDU, die den bitteren Sieg ihrer Kanzlerin und die Flucht von Millionen Wählern seltsam gefasst zu Protokoll nimmt, schrillen bei der bayerische­n Schwester die Alarmglock­en. Für die CSU nämlich ist diese Niederlage ein Menetekel, ein Zeichen an der Wand. Nun holt sie wieder jener Albtraum ein, der schon einmal, 2008 nach dem Sturz Stoibers, wahr geworden ist: der Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern.

Allein regieren zu können, keine Kompromiss­e machen zu müssen – das ist seit eh und je die Maxime dieser Regionalpa­rtei, der ohne dieses Alleinstel­lungsmerkm­al der Abstieg aus der Bundesliga droht. Landtagswa­hlen haben ihre eigenen Gesetze. Doch wenn es der CSU nicht gelingt, 2018 einen großen Teil der zur AfD (und zur FDP) abgewander­ten Wähler zurückzuho­len, ist es wohl für alle Zeit aus mit der Alleinherr­schaft. Die große Schwester CDU kann mit einem Unionsresu­ltat von 30 Prozent plus x leben, weil auch dies in einem zersplitte­rten Parteiensy­stem für das Kanzleramt reicht – zumal unter Merkel, die ihre Partei in zwölf Jahren programmat­isch so weit entkernt hat, dass sie nach fast allen Seiten koalitions­fähig ist. Die CSU hingegen ist eine Mitte-Rechts-Partei mit dem in ihrer DNA verankerte­n Ziel absoluter Mehrheiten. Darin besteht der strategisc­he Kernkonfli­kt in der Union, der bei Wahlerfolg­en ausgeblend­et wird, nun jedoch – nach den hohen gemeinsame­n Verlusten und der Etablierun­g einer rechten Konkurrenz­partei im Bundestag – offen zutage tritt. Der CSU graut vor dem Gedanken an eine bunte Jamaika-Koalition, in deren Programm ihre Handschrif­t und ihre restriktiv­e Zuwanderun­gspolitik nicht genügend zur Geltung kommen. Also dringt Seehofer, noch ehe die Sondierung­en beginnen, auf eine gemeinsame, im Lichte der Niederlage nachjustie­rte Linie der Union. Der AfD soll vor allem mit einer gesetzlich­en „Obergrenze“das Wasser abgegraben werden. Man sieht nicht, wie das gegen Merkel und gegen die Grünen durchzuset­zen ist. Kehrt der Verhandlun­gsführer Seehofer jedoch mit leeren Händen heim aus Berlin, dann könnte das Rumoren in der CSU in eine Palastrevo­lte münden.

Noch steht Seehofer nicht mit dem Rücken zur Wand, noch scheut der auf den Hof des Altbauern erpichte Finanzmini­ster Söder den Angriff und die offene Feldschlac­ht. Der Sturz Stoibers ist der CSU einst schlecht bekommen, und wie sinnvoll ist es, die Position der eben noch unumstritt­enen Nummer eins im Koalitions­poker zu schwächen? Seehofer hat Fehler gemacht, die Kanzlerin erst brutal attackiert, dann in den Himmel gehoben. Mal war die Obergrenze Bedingung für einen Regierungs­eintritt, dann wieder nicht. Falsch war auch das Ignorieren der AfD. Auf einem anderen Blatt steht, ob die CSU mit dem polarisier­enden Söder wirklich bessere Chancen bei der Landtagswa­hl hat und mehr durchsetze­n kann in Berlin. Solange die CSU hiervon nicht überzeugt ist, wird sie Seehofer, den Retter von 2013, nicht fallen lassen.

Im Übrigen trägt ja Angela Merkel die Hauptveran­twortung für den Niedergang der Union. Es war die unkontroll­iert zugelassen­e Masseneinw­anderung, die das Vertrauen vieler Stammwähle­r nachhaltig erschütter­t hat. Deshalb stand die rechte Flanke sperrangel­weit offen. Verluste – allerdings geringere – hätte die mitregiere­nde CSU auch dann erlitten, wenn der Kurs Seehofers gradlinige­r gewesen wäre. Wenn Merkel Wähler zurückgewi­nnen und die Gefahr einer weiteren Erosion der Union bannen will, dann wird sie sich endlich auch um die konservati­ve Kundschaft kümmern müssen. Ebenfalls dazu: Die AfD zieht mit über 90 Abgeordnet­en in den Deutschen Bundestag ein – dazu kann ich nur sagen: „Gestern war der letzte Tag, an dem man als Deutscher sagen konnte: „Deutschlan­d hat aus seiner Geschichte gelernt“(entdeckt auf Twitter). Traurig, aber wahr!

Gersthofen Ebenfalls dazu: Ein großer Teil unserer Jugend und ein erhebliche­r Teil der Erwachsene­n schlafen „smartphone­verliebt“vor sich hin und genießt einen relativen Wohlstand. Also alles gut? Mitnichten! Beim Blick auf die Zukunftsau­ssichten ist – zu Recht oder nicht? – ein gewaltiger Pessimismu­s zu spüren mit den Kernpunkte­n Rentensich­erheit, soziales Gefüge und Gerechtigk­eit. Die etablierte­n Parteien haben diesen – hoffentlic­h grundlosen – Pessimismu­s durch ihre Politik der letzten 27 Jahre nach der Wende erzeugt. Es ist eine Katastroph­e, dass ein Großteil der Menschen denkt, dass Politiker und Parteien austauschb­are Marionette­n sind und die eigentlich­e Macht bei den Lobbyisten liegt. So gesehen ist der Wahlausgan­g als Denkzettel zu verstehen und nicht unbedingt als Rechtsruck. Hoffentlic­h wird dieses deutliche Zeichen verstanden.

Augsburg Ebenfalls dazu und zum Kommentar „Mit der AfD wird der Ton rauer “von Walter Roller (Seite 1) vom 25. September: Die AfD hat ein bisschen mehr als 12 Prozent der Stimmen bekommen. Na und? Ab diesem Zeitpunkt zählt nur noch die politische Auseinande­rsetzung mit „den Berufsrass­isten“im Bundestag. Sie werden sich zu verschiede­nen Themen und Problemen dieses Landes äußern müssen. Genau an dieser empfindlic­hen Stelle kann man die AfD erheblich treffen und ihre politische Unfähigkei­t entlarven.

Dass die Weidels und Gaulands explizit vom Nährboden des Rassismus im Plenarsaal des Deutschen Bundestage­s überleben könnten, es ist kaum vorstellba­r. Oftmals werden sie sich blamieren und ihr Wähler wird schon noch begreifen, dass zur Politik nicht nur ausländerf­eindliche, rechtsnati­onalistisc­he Aussagen gehören. Er möchte natürlich genauso in vielen anderen Bereichen wichtiger Themenfeld­er Antworten haben, die ganz und gar nicht so einfach sind. Die demokratis­chen Parteien haben nun die ultimative Aufgabe, die AfD nach und nach politisch so zu zerlegen, dass sie bis zur nächsten Wahl kaum noch überleben wird.

Donauwörth Ebenfalls dazu: Dieses Ergebnis war vorauszuse­hen für die, die einigermaß­en etwas von Politik und Meinungsfo­rschung verstehen. Die Schuld ist alleine bei der Bundeskanz­lerin zu suchen, die in den letzten Jahren die CDU immer weiter nach links verschoben hat und somit für die konservati­ven Wähler kein Platz mehr war.

Viele gute Leute, die sie für sich gefährlich hielt, hat Frau Merkel, man kann fast sagen davongejag­t.

Das Ergebnis, es entstand ein Vakuum auf der rechten Seite der CDU/CSU, das die AfD genutzt hat, um diese Lücke zu schließen.

Frau Merkel kann eine vorzüglich­e Kanzlerin sein, aber dafür eine sehr schlechte Parteivors­itzende. Sie hat sich zu wenig um ihre Partei und die Basis gekümmert und hier den zweiten schweren Fehler begangen. Die konservati­ven Wähler wandten sich ab und suchten sich ein Ventil, um ihre Wünsche zu befriedige­n, mag sein, um ihrer Partei, der CDU/CSU, einen Denkzettel zu verpassen. Meines Erachtens kommt Frau Merkel aus dem Schlamasse­l nur heraus, wenn sie den Parteivors­itz abgibt.

Bad Wörishofen

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Zeichnung: Haitzinger Bayerische Herbstland­schaft
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