Die Neuerfindung des Schweinsbratens
In der bayerischen Küche ist der Schweinebraten der Klassiker schlechthin. Zwei Ingenieure haben seine Zubereitung in den vergangenen Jahrzehnten revolutioniert. Einer von ihnen verrät das Geheimnis, wie er auch zu Hause perfekt gelingt
Nachts, wenn auf dem Oktoberfest die letzten Spuren der Party beseitigt sind, arbeiten in den Küchen der riesigen Bierzelte die modernen Backofen still vor sich hin. Hendl, Schweinshaxen, Krustenbraten, Kalbsbrust, halbe FreilandEnten, Brotzeit-Platten: Rund 20000 Essen gehen an einem guten Tag allein im Löwenbräu-Festzelt über den Küchentresen. Alles frisch – von 35 Köchen und Helfern zubereitet –, das gehört zum Münchner Wiesn-Stolz. Das andernorts übliche Aufwärmen würde sich angesichts der Massen an Essen ohnehin kaum lohnen. Und mancher Hobbykoch staunt, wie es den Profis immer gelingt, dass die Schweinshaxen und die Krustenbraten außen resch knusprig und innen zugleich saftig weich werden. Das Geheimnis des Schweinsbratens im LöwenbräuZelt trägt Michael Lorenz in der Hosentasche seiner Lederhose auf einem USB-Stick.
Lorenz arbeitet für den Landsberger Profiküchenausrüster Rational und ist von dem Hersteller extra für die Wiesn als Ansprechpartner der Festküchen abgestellt. Die bayerische Firma mit ihren 1800 Mitarbeitern ist der Weltmarktführer sogenannter Kombidämpfer. Diese Profibacköfen arbeiten mit Hitze und Dampf. Seitdem der im vergangenen Juli verstorbene Rational-Gründer Siegfried Meister 1976 das erste von ihm entwickelte Gerät an den Feinkost-Gastronom Gerd Käfer ausgeliefert hatte, krempelte der Elektro-Ingenieur die ProfiGastronomie um – und zwar weltweit. Exakt 84 teils mannshohe Kombidämpfer tun auf der Wiesn ihren Dienst. „Self-Cooking-Center“heißt die heutige selbstreinigende Kombidämpfer-Generation: Auf USB-Sticks lassen sich individuell die Back-, Schmor- und Kochprogramme so einstellen, dass der Koch am Ende nur mit einem Handgriff das Automatikprogramm für jedes Gericht starten kann.
Im Löwenbräu-Zelt von Ludwig „Wiggerl“Hagn kommen alle Schweinshaxen, Schweinebraten, gefüllte Kalbsbrüste, aber auch die Steaks für den Zwiebelrostbraten aus dem „Rational“. Nur die tausenden an Hendln drehen wie eh und je am Grill. Dabei hatte der Ingenieur Meister seinen ersten Prototypen noch als technischer Direktor bei der damals weltweit florierenden Restaurantkette „Wienerwald“entwickelt. Firmenchef Friedrich Jahn, gab ihm persönlich den Auftrag, ein Gerät zu entwickeln, das seine Hendl noch schneller gar brät.
Doch am Ende war der „HendlJahn“trotz Umsetzung aller Ziele enttäuscht. Denn aus Meisters Gerät strömte kaum noch der typische Bratgeruch, der sich damals schwer über die Gasträume der Wienerwald-Restaurants legte. Meister trennte sich von Jahns Imperium und machte sich in Landsberg selbstständig. Während „Wienerwald“nach mehreren Insolvenzen fast überall aus dem Bild der Städte verschwand, schrieb Meister Gastronomie-Geschichte. Es gibt wohl kaum einen Bundesbürger, der nicht in Restaurants, Schnellimbissen, Kantinen oder aus Großküchen nicht schon Speisen aus einem „Rational“mit dem blau-roten Logo gegessen hat. Vom Sternekoch bis zum kleinen Metzgermeister schätzen Profis die simpel zu bedienenden Geräte.
„Für mich war die Umstellung auf die Rational-Geräte ein großer Qualitätssprung“, sagt Wiggerl Hagn. Der dienstälteste Wiesn-Wirt kann sich noch erinnern, wie er vor 38 Jahren noch die Schweinshaxen in Kohleöfen braten ließ. „Mit unseren heutigen Geräten können wir laufend frisch produzieren und auch um neun Uhr abends unseren Gäs- noch ein frisch gebratenes Spanferkel oder einen knusprigen Schweinsbraten servieren.“Das Geheimnis sowohl der reschen, saftigen Hax’n als auch ein Teil des weltweiten Rational-Erfolgs ist die sogenannte Übernachtgarung. „Für den Gast ist der Vorteil, dass das Fleisch dabei immer saftig bleibt“, sagt Hagn. „Und für mich als Wirt dass bei dieser Methode viel weniger Bratverlust entsteht.“Das heißt, von jedem Kilo Fleisch bleibt am Ende mehr Gewicht für die Teller übrig. Von der Energie, die die Hightech-Geräte einsparen, ganz zu schweigen. Entwickelt hat die Übernachtgarung bei Rational der Türkheimer Ingenieur Erhard Löffler. „Unsere Köche waren am Anfang gar nicht so von der Idee begeistert, da musste ich erst Überzeugungsarbeit leisten“, erinnert er sich. „Aber am Ende waren alle von der Qualität der Braten fasziniert.“
Löffler hat in seinem Ruhestand im Eigenverlag ein kleines Experten-Kochbuch geschrieben, mit dem jedermann mit seiner Methode die Profi-Braten nachkochen kann (Erhard Löffler, Traumhafte Braten über Nacht, 86 Seiten, Amazon, 13,07 Euro). Im Grunde perfektionierte der Ingenieur eine Methode seiner Großmutter aus dem unmittelbaren Nachkriegs-Berlin.
In der zerbombten Metropole war das Gas oft stundenlang gesperrt und Brennholz knapp. Wenn es seinen Eltern gelang, auf dem Schwarzmarkt ein Stück Rindfleisch für den Sonntagsbraten zu organisieren, hat es Löfflers Großmutter auf dem Küchenofen angebraten, mit Brühe und Suppengemüse im Bräter eine gute halbe Stunde vorgekocht. Danach kam der Bräter über Nacht in eine mit Decken ausgepolsterte Kochkiste. Erst am Sonntagmittag wurde der schwere Topf aus der Isolier-Kiste geholt: „Die Bratenscheiben waren kaum zerfasert und durch und durch butterzart und saftig“, erinnert sich Löffler. Sein halbes Leben wunderte sich der Ingenieur, dass er kaum jemals wieder so einen perfekten Braten auf den Tisch bekam.
Bei seinem Arbeitgeber Rational erinnerte sich Löffler an die Großmutter-Technik und entwickelte die in Amerika beliebte Niedertemperatur-Methode für die computergesteuerten Rational-Kombidämpten fer weiter. Um strenge Profi-Hygienevorschriften zu erfüllen, brät Löffler das Fleisch im Rohr an: Der Ofen wird auf 150 Grad Heißluft vorgeheizt, dann der Braten 10 Minuten auf 130 Grad gegart. Das Anbraten dient nicht dem durch Bratfett-Werbung verbreiteten Irrglauben, dass sich dadurch die „Poren schließen“, sondern zur Abtötung der Keime an der Fleischoberfläche. Nach zehn Minuten stellt Löffler den Ofen auf 80 bis 85 Grad Oberund Unterhitze um. Da ältere Geräte hier ungenau arbeiten, rät der Ingenieur, die Hitze beim ersten Mal mit einem separaten BackofenThermometer im Inneren des Rohrs zu kontrollieren und die Temperatur-Einstellung gegebenenfalls zu erhöhen. Bei gut 80 Grad schmort der Braten, mit etwas Brühe angegossen, mindestens zwölf Stunden. Das kostet am Ende eher weniger Strom, als ihn ein paar Stunden bei hoher Temperatur gar zu braten, versichert der Ingenieur.
Einen Krustenbraten gibt Löffler vor der ganzen Prozedur für zehn
Wir haben es ausprobiert. Und es funktioniert tatsächlich: Mit ein paar Tricks bleibt die Schaumkrone länger frisch und stabil im Bierglas. Wir kennen das: In manchen Gläsern zerfällt der Bierschaum schneller als in anderen. Obwohl wir sie sauber gespült haben, denn dass Fett ein Schaumkiller ist, wissen wir ja. Der Schaum entsteht bekanntlich beim Einschenken: Kohlensäurebläschen entweichen aus dem Bier und nehmen bei ihrem Weg an die Luft Eiweißstoffe mit – so bilden sich die Schaumblasen. Die Eiweißstoffe kommen aus der Gerste oder dem Weizen. Beim Bierbrauen gehört es zur Kunst, einen idealen Eiweißgehalt herzustellen. So zählt die sogenannte Eiweißrast beim Erhitzen der Maische zur Wissenschaft der Brauer. Auch die Bitterstoffe des Hopfens sorgen dafür, dass die Bläschen weniger schnell zerplatzen.
Je feinporiger der Bierschaum beim Einschenken ist, desto länger und stabiler hält er. Doch nicht nur Fett verhindert Schaum. Vor allem Spülmittel und Klarspüler in der Spülmaschine lassen den Schaum grobporig werden. Im Internet oder im Gaststättenbedarf gibt es deshalb Spezialspülmittel für Biergläser.
Es lässt sich aber auch einfach selber machen: Einen halben Liter Wasser mit einem Teelöffel Natronpulver und einem Esslöffel Waschsoda aufkochen. Abkühlen lassen und in eine mit viel Wasser ausgespülte leere Spülmittelflasche füllen und sicher aufbewahren. Die Lauge wirkt stark entfettend und killt Spülmittelreste: ein Spritzer ins Glas und dann mit Wasser und einer Spülbürste (am besten eine eigene nur für Biergläser) sauber schrubben, ausschütten und mit viel Wasser nachspülen. Waschsoda gibt es günstig in vielen Drogeriemärkten im Waschmittelregal. Michael Pohl