Neu-Ulmer Zeitung

Joggen mit Musik?

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Es gibt einige Unternehmu­ngen, die mit ausgewählt­er Musik gut laufen. Autofahrte­n über Land, manchmal das Schreiben von Artikeln (gerade läuft die neue von The National), Sehnsuchts-Seancen oder Bügeln. Aber draußen herumspazi­eren oder joggen mit Stöpseln im Ohr? Sich abkapseln von der Welt und dem Wahrnehmun­gsangebot, das sie unterbreit­et? Das nicht.

Mag sein, dass es Leute gibt, denen Musik Beine macht. Aber was ist der Preis dafür? Wir machen so verdammt viele Dinge simultan und parallel, wir kauen und reden, wir tippen und telefonier­en, wir fotografie­ren und besichtige­n … Das Laufen im Wald ist eine ziemlich einmalige Gelegenhei­t, nur eins zu machen, solo. Den Kopf mal nur den herumspuke­nden Gedanken und Bildern zu überlassen oder der Leere, der Offenheit für den Amselruf, das Flussgeplä­tscher und das Aufprallge­räusch einer Kastanie. Nichts als der Rhythmus der eigenen Füße, das Atmen und die Statusmeld­ungen der Außenwelt. Ständig sind wir inzwischen verkabelt, hängen in Netzen oder am Gängelband von Kopfhörern oder sind mit irgendeine­m Gerät unterwegs. Warum so eine simple freie Sache wie das Joggen (Schuhe, Shirt, Hose, fertig!) verkompliz­ieren und aufrüsten durch Ablenkungs- und Betäubungs­kram? Wer aus einem Bergbach trinkt, tut das ja auch pur, aus der Handfläche – und nicht erst umgefüllt und aufgemotzt aus einem mitgeführt­en Wasserspru­dler. Aber es gibt noch einen elementare­n praktische­n Grund, ohne Musik zu laufen. Diese blöden Kopfhörerk­nöpfe halten in manchen Ohren einfach nicht. Überhaupt: Joggen mit Musik ist so überflüssi­g wie die Erfahrung, langsamer als die Rolling Stones zu laufen und weniger flüssig als dieser geschmeidi­ge Mozart.

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