Gut getroffen: der schwebende romantische Orchesterton
(Kaspar) ein wenig mehr Durchschlagskraft. Und der Bass von Stephen Owen (Kuno) strömt nicht so rund, voll und gleichmäßig milde wie der von Stanislav Sergeev (Eremit).
Ihre besten Momente hatten die Augsburger Philharmoniker und Generalmusikdirektor Domonkos Héja einerseits in der Dramatik der Wolfsschluchtszene, andererseits in der geradezu schwebend auszelebrierten „Freischütz“-Klangromantik. Chapeau insbesondere für die Hörnergruppe und die Klarinette, für Cello und Bratsche. Beseelt gesungen. Und auch der (Extra-)Chor mitsamt der Brautjungfern erwies sich als vortrefflich professioneller, sozusagen biedermeierischer Liederkranz. Eine kleine Tempo-Inkongruenz mit dem Orchester in der eher direkten, kantigeren Akustik der Halle wird schnell behoben sein können.
Unter dem Strich gilt: Den szenischen und musikalischen Herausforderungen des „Freischütz“kann das Theater Augsburg auch in seiner Sanierungsphase, auch in der neuen Ausweichspielstätte – mit ihrer übrigens erstaunlich edlen Schauseite – trefflich und triftig begegnen. O
im Martini Park: 5., 8., 13., 31. Okt., 4., 11., 12. Nov. Hurra, ein wildes Buch! Leider wird es nicht ganz der Genialität seines Titels gerecht: „Über Deutschland, über alles“. Aber es kommt inhaltlich zur rechten Zeit und stößt formal in eine schmerzliche Lücke. Denn was etwa in den USA ein lebhaftes Genre ist, in dem sich auch prominente Autoren wie John Updike betätigen, liegt hierzulande ohne Puls darnieder: die freie Mischung aus Reportage und Essay, Privatem und Poesie – wie sie nun Pascal Richmann bietet. Kein Promi, vielmehr ein Debütant, 30 Jahre alt, studierter Sozialund Kulturanthropologe, zudem Absolvent der Autorenschmiede Hildesheim. In diesem frei mäandernden Werk bereist er Deutschland, hauptsächlich den Osten, aber auch die Außenstelle Mallorca. Er denkt über Heine und die nationalen Wurzeln des Wartburgfests 1817 nach, läuft mit bei einer Rechten-Kundgebung in Dresden, schwelgt in Fußball-Erinnerungen und schildert Bilder wie jenes, als bei einem Konzert in der halb leeren Dortmunder Westfalenhalle einige Fans von Lena Meyer-Landrut eine Deutschlandfahne auspacken und skandieren: „Wer Lena nicht liebt, soll Deutschland verlassen.“Schließlich endet der (teils in Fußnoten ausufernde) Reigen in Oggersheim, wo hinter gut bewachten Türen der Leichnam Kohls liegt. Kühn und klug, etwas überdreht und nicht ganz gelungen – aber schön, dass es dieses Buch gibt. (ws)
Hanser, 328 S., 20 ¤