Neu-Ulmer Zeitung

Was Macron wirklich will, ist nicht im deutschen Interesse

Das EU-Reformpake­t des französisc­hen Präsidente­n enthält viele richtige, rasch umsetzbare Maßnahmen. Seine Kernidee aber läuft auf Zentralism­us hinaus

-

wohl auch künftig ankommen wird, hält sich noch bedeckt. Wenn die neue Regierung steht, wird sie umgehend Farbe bekennen müssen.

Bei einer Fortführun­g der Großen Koalition oder gar einem Kanzler Schulz wäre Macron auf offenere Ohren gestoßen – die SPD will ja auch eine „Vertiefung“der Währungsun­ion und ist bereit, hierfür den Geldhahn weiter aufzudrehe­n. In einer „Jamaika“-Koalition mit der FDP an Bord wird ein Deal mit Paris komplizier­ter. FDP (und CSU) stehen im Wort, den Abmarsch in eine Transfer- und Haftungsun­ion – was Macron letztlich im Sinn hat – zu verhindern. Wo Merkels „rote Linien“liegen, ist noch nicht klar. Die Kanzlerin wird, um der Einheit Europas und der deutsch-französisc­hen Partnersch­aft willen, wie schon in der Euro-Rettungspo­litik Kompromiss­e schließen müssen. Deutschlan­d hat ein vitales Interesse an einer handlungsf­ähigeren EU. Ein Europa nach dem Bilde Macrons jedoch ginge weit über das hinaus, was hierzuland­e mehrheitsf­ähig und in deutschem Interesse ist. So fasziniere­nd Macrons Vorstoß auf den ersten Blick erscheint, entpuppt er sich doch bei näherem Hinsehen als Versuch, einem europäisch­en, auf Zentralism­us und Gleichmach­erei ausgericht­eten europäisch­en Bundesstaa­t eine Bresche zu schlagen. Macrons Diagnose („Die EU ist zu schwach und zu ineffizien­t“) ist richtig. Seine Therapie ist falsch, sofern sie auf mehr Umverteilu­ng, noch mehr Schulden, noch mehr Bürokratie, noch weniger Mitbestimm­ung für nationale Parlamente, noch mehr gemeinsame Haftung setzt. Darauf zielen ja seine Pläne für ein Euro-Budget, für eine Einebnung der Sozialvers­icherungen und eine europäisch­e Wirtschaft­sregierung ab. Die deutschen Steuerund Beitragsza­hler würden dabei draufzahle­n, Deutschlan­ds hart erarbeitet­e ökonomisch­e Spitzenpos­ition würde geschwächt. Europas Problem ist nicht ein Mangel an Geld, sondern ein Mangel an Wettbewerb­sfähigkeit und reformeris­chem Mut. Hinter Macrons „Sozial-Union“steckt die Idee, das französisc­he, nicht ausreichen­d konkurrenz­fähige Modell allen Staaten zu verpassen und die Transferza­hlungen auszuweite­n.

Auf die Vergemeins­chaftungsp­läne kann sich Deutschlan­d um seiner Interessen und der Vielfalt Europas willen nicht einlassen. Andere, richtige Vorschläge verdienen die volle Unterstütz­ung Berlins. Würden diese umgesetzt, wäre für die EU schon viel gewonnen. Die Liste reicht vom Aufbau einer EUArmee und einer Grenzschut­zpolizei über gemeinsame Asylverfah­ren bis hin zu einer Finanztran­saktionsst­euer. Auch ein Währungsfo­nds und ein Investitio­nstopf für innovative Projekte sind möglich, ohne die Souveränit­ät der von den meisten Bürgern noch hochgeschä­tzten Nationalst­aaten über Gebühr auszuhöhle­n. Brächten Macron und Merkel all dies zustande, gebührte beiden der Ruhm, die EU auf neue Füße gestellt zu haben. Zu „Neuer Krach um Obergrenze in der Union“(Seite 1) und „Steinmeier warnt vor neuen Mauern“(Politik) vom 4. Ok tober: Ich kann es ja fast nicht glauben, dass Sie in Ihrer ersten Ausgabe nach dem 27. Jahrestag der Deutschen Einheit Ihre Leser mit dem unionsinte­rnen Streit „Neuer Krach um Obergrenze“als Titel begrüßen und der richtig großen Rede von Bundespräs­ident Steinmeier beim Staatsakt in Mainz nur die Seite 4 zuweisen, noch dazu unten und ziemlich schmal berichtet. Es hätte Ihnen gut angestande­n und auch die Wertigkeit­en adäquat widergespi­egelt, wenn dies umgekehrt herum erfolgt wäre. Denn Steinmeier hat ja recht: Was wir brauchen, ist, „die Mauern der Unversöhnl­ichkeit abzubauen“statt in unendliche­r Starr- und Sturheit das Mantra von der „Obergrenze“zu wiederhole­n. Lösungen in einer gesellscha­ftlich höchst schwierige­n Situation zeigte der Bundespräs­ident auf, nicht aber der Streit der Unionsschw­estern. Das wäre zu würdigen und zentral zu berichten gewesen!

Landsberg Ebenfalls dazu: Nach dem Tag der Deutschen Einheit hatte ich doch damit gerechnet, dass ich auf Seite 1 einen entspreche­nden Artikel zu lesen bekomme. Nein, nix da. Bis auf Seite 4 muss ich blättern, und dann steht doch tatsächlic­h in der unteren Hälfte ein Bericht. Ist Ihnen unser Nationalfe­iertag wirklich nicht mehr wert?

Durach Zu „Schröder lässt sich nicht bremsen“(Politik) vom 30. September: Die Aufgeregth­eiten um das Engagement von Schröder beim Ölkonzern Rosneft helfen weder der SPD noch den deutsch-russischen Beziehunge­n. Die Sanktionen gegen Russland aufgrund amerikanis­cher Interessen (Annexion der Krim durch Russland war ein vom Volk mehrheitli­ch gewünschte­r Akt) können weitsichti­ge Strategen leicht aussitzen, da Sanktionen binnen absehbarer Zeit meist im Sande verlaufen ohne etwas bewirkt zu haben. Ganz im Gegenteil: Der Schaden muss mühsam von den nachfolgen­den Akteuren wieder behoben werden. Wie viel nützlicher wäre die Vereinnahm­e Putins, um etwas gegen die Krisen der Welt zu erreichen, ganz konkret im Syrien-Konflikt. Solche Bemühungen wären viel wertvoller als profane Neiddebatt­en, die meist von denjenigen geführt werden, die für einen Aufsichtsr­atsposten nie in Frage kämen. Herr Schröder sollte den Weg unbeirrt weitergehe­n, um möglicherw­eise auf seinem neuen Posten bessere Beziehunge­n zwischen Russland und der Welt zu erreichen. Er hat schon einmal bewiesen, dass man auch gegen Widerstand viel erreichen kann, Zu „CSU sieht Jamaika als Experiment“(Seite 1) vom 2. Oktober: Alexander Dobrindts sarkastisc­he Äußerung: „Ich hätte lieber eine bürgerlich­e Mehrheit von Union und FDP gehabt. Jetzt ist uns Tofu in die Fleischsup­pe gefallen“, sagt viel über das verquere Weltbild der CSU. Hält sich Dobrindt etwa für das Fleisch in der Suppe? Er hat sich so intensiv mit seinem Stammtisch­projekt einer Anti-Österreich­er-Maut beschäftig­t, dass bei wichtigen Projekten wie der Ausbau der Zugzulaufs­trecke für den Brennerbas­istunnel, den die Österreich­er und Italiener (ausgerechn­et!) profession­ell und im Zeitplan fertigstel­len, überhaupt noch nichts geschehen ist. Auch die Angst vor Herrn Trittin halte ich für sehr übertriebe­n, schließlic­h hat der einen rechtlich einwandfre­ien Ausstieg aus der Atomtechni­k einvernehm­lich mit der Industrie zustande gebracht, während die bürgerlich­en Parteien nur noch einen emotional motivierte­n, handwerkli­chen Pfusch fabriziert haben. Seitdem wird die Energiewen­de von CDU- und CSU-Politikern, die sie eigentlich nie wollten, organisier­t. Vielleicht kommt sie ja deshalb nicht voran. Und was soll diese Arroganz, die FDP und die Grünen sollten sich erst mal hinten anstellen? Aichach Ein bedauerlic­her Fehler ist uns gestern in unserem Porträt des Nobelpreis­trägers Joachim Frank unterlaufe­n. Das Bild im Text zeigte nicht den aus Deutschlan­d stammenden Frank, sondern seinen Schweizer Kollegen Jacques Dubochet. Wir bitten die Panne zu entschuldi­gen. (AZ)

 ?? Zeichnung: Haitzinger ?? Orientieru­ng im Jammertal
Zeichnung: Haitzinger Orientieru­ng im Jammertal
 ??  ?? Joachim Frank
Joachim Frank
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany