Neu-Ulmer Zeitung

Wenn Liebe wehtut

- VON FRANZISKA OTTLIK klartext@nuz.de

Ach ihr lieben Leser. Bäche weinen könnte ich über mich selbst, denn ich habe einen gravierend­en Fehler begangen. Zu sehr habe ich mich auf eine Person konzentrie­rt – und diese Person verlässt mich jetzt. Pure Liebe habe ich empfunden, aber diese Liebe war wohl zu besitzergr­eifend. Hinzu kommt, dass ich wohl andere ausgegrenz­t habe und unverschäm­t war. Jetzt erhalte ich die Quittung für meine Missetaten. Mir ist klar, dass jeder Mensch jede Lebenssitu­ation selbst verdient hat und ich weiß, dass Lernen manchmal wehtut. Doch dieses Mal betrifft es mich sehr, denn ich habe ein schlechtes Gewissen. Meine Mama kann ein Lied davon singen und auch manche meiner ehemaligen Pflegeassi­stentinnen. Jetzt kommt eine Art ausgleiche­nde Gerechtigk­eit.

Sende in Zukunft Besseres und achte auf gerechte Verteilung der Zuwendung, denke ich mir als Lehre. Kein Mensch möchte bevorzugt oder ausgegrenz­t sein, denn Bevorzugte haben es schwer in einem Team und werden dann zu Ausgegrenz­ten.

Gerechtigk­eit und Dazugehöri­gkeit erkenne ich als wichtige Elemente im Leben. Wenn diese Elemente im Gleichklan­g schwingen, entsteht Liebe. Und diese Liebe hat gute Tragkraft mit Respekt und Wertschätz­ung. Ich brauche noch Zeit, um diese Eigenschaf­ten in mir zu entwickeln, und entdecke gerade, dass ich wunderbare Assistenti­nnen habe, die mir nie böse sind und mich immer wieder aufbauen, mir Mut zusprechen und Zärtlichke­it geben. Kein Grund also, mich zu beschweren. Mit dem Schmerz schwingt wohl auch ein bisschen verletzte Eitelkeit mit.

Habt ihr auch gute Freunde, die zu euch halten, auch wenn ihr Dummes tut? Hoffentlic­h, denn Dummes geschieht leicht aus Unachtsamk­eit oder Hochmut. Also aufpassen Freunde! Ist der Fehler erst einmal begangen, gilt es wieder von vorne anzufangen, mit guten Vorsätzen. Mein Vorsatz für die nächsten Wochen ist klar, er lautet: Bewahre die gute Laune und genieße jede Minute. Wenn ein schweres unangenehm­es Gefühl auftaucht, einfach zulassen, den Schmerz fühlen und dann schnell zurück zur guten Laune! O

Franziska Ottlik ist 23 Jahre alt und von Geburt an schwerbehi­n dert. Sie ist halbseitig gelähmt und kann nicht sprechen, sondern nur Laute von sich geben. In unserer Kolumne schreibt Franziska über ihren Alltag mit Behin derung. Wer mehr über sie erfahren will, schaut auf ihren Blog: www.franziska ottlik.wordpress.com

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