Erst verkannt, jetzt bewundert
Markus Lüpertz durfte einst nicht einmal Etiketten für Weinflaschen malen, mittlerweile wird er für seine Arbeiten gefeiert. Zur Ausstellungseröffnung war die Galerie am Saumarkt rappelvoll, auch im Stadthaus begeistert er – mit Musik
Wenn sich „Malerfürst“Markus Lüpertz – eine auch von Kritikern seiner Arbeit oft benutzte Titulierung, die dem Künstler absolut missfällt – bei einem Konzert oder einer Vernissage die Ehre gibt, so ist dies ein Auftritt, der einem im Gedächtnis bleibt, eine Selbstinszenierung. So war es auch am Donnerstagabend zum übergreifenden Thema „Herzschmerz“in Ulm. Nach einem Konzert im nicht voll besetzten Stadthaussaal, das Lüpertz am Flügel spielend zusammen mit Stefanie Schlesinger (Gesang) und Wolfgang Lackerschmid (Vibrafon) bestritt, wurde seine Ausstellung in der von Bernd Geserick geleiteten, rappelvollen Galerie am Saumarkt eröffnet.
Markus Lüpertz durfte einst mangels Talent nicht einmal Etiketten für Weinflaschen malen, später wurde er als Student aus der Kunstakademie Düsseldorf geworfen, heute gehört der 76-Jährige zu den bedeutendsten deutschen Künstlern der Nachkriegszeit. Und sicher zu den eitelsten. Seine Erscheinung in Ulm war typisch für ihn: Spitzbart, schwarzer Anzug, weißes Hemd und weiße Socken, Klunker an der Hand, Ring im Ohr und gestützt auf einen seiner zig Gehstöcke, die für ihn zum Markenzeichen geworden sind. Der (alternde) Dandy unter den deutschen Künstlern versprüht aber auch eine Menge Charme, ist ebenso um- wie zugänglich. Ganz offensichtlich genoss er vor allem in der Galerie am Saumarkt das Bad in der Menge seiner Bewunderer.
Das „Herzschmerz“-Konzert im Stadthaus zeigte, dass er auch am Flügel (free-)jazzig mit viel Leidenschaft und Inbrunst agiert. Das Multitalent, das während seiner Studienzeit sogar zeitweise im Bergbau unter Tage arbeitete und sich später ein halbes Jahr lang in der französischen Fremdenlegion verdingte, präsentierte seine neuesten, kürzlich auf einer Schallplatte erschienenen Gedichte in Liedform. Die Texte sind meist kurz und prägnant, mitunter auch bissig: „Herzschmerz sagt: Sie liebt mich nicht. Flatterherz hat Angst und Schmerz. Eisenherz will nicht mehr leben. Blutrotherz will alle kriegen. Doch dein Herz aus Stein sagt Nein.“
Kennzeichen der Lieder, die von Stefanie Schlesinger mit sicherer Stimme sehr einfühlsam und eindringlich vorgetragen wurden, ist, dass ihr Text oft mindestens einmal wiederholt wird. Als ob er sich dem Zuhörer tief einprägen solle. Im Gegensatz zu den poetischen Liedern und den meist mehr hingehauchten Vibrafon-Klängen griff Lüpertz ordentlich in die Tasten, ließ den Zuhörer phasenweise leicht erschaudern. Aber so entstand letztlich doch ein reizvoller Spannungsbo- gen. Viel Beifall war dem Trio, insbesondere Lüpertz, nachher gewiss. Der Künstler gestand: „Für mich ist das heute ein sehr glücklicher Moment. Das Musizieren macht mich glücklich. Es geht um die Atmosphäre, um den Kunstraum, der mich umgibt.“Und da gehörten eben Musik, Literatur und Poesie auch dazu. Lüpertz: „Ich betrachte das als Boheme-Veranstaltung.“
Die Boheme-Veranstaltung fand kurz darauf bei der Vernissage am Saumarkt ihre Fortsetzung. In der Galerie von Bernd Geserick zeigt der frühere Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie Grafiken und Skulpturen, teilweise neueren, teilweise älteren Datums. So erhält der Besucher einen Überblick über die bisherige Arbeit des freischaffenden Künstlers.
Insbesondere mit seinen Skulpturen vermag Lüpertz immer wieder zu provozieren. So zeigt er in Ulm unter anderem die handbemalte Bronzeskulptur der Nymphe „Hora“, einer Geliebten von Zeus in der griechischen Mythologie. Er stellt sie ohne Kopf dar mit einem Speer in der rechten Faust. Dem „Herkules“, wie „Hora“im vergangenen Jahr entstanden, fehlt der linke Arm. Die Skulptur „Henry IV“besitzt einen überdimensionalen Kopf mit Spitzbart.
Spannend sind außerdem die zahlreichen Holzschnitte und Gouachen, die der Künstler in der Galerie ausstellt, sowie seine Lithografien mit Schriften, die auf Arkadien – die Vorstellung eines goldenen Zeitalters – abzielen.
Vernissage-Redner Martin Mäntele, der Ulmer Kunsthistoriker, bemerkte treffend: „Das Motto von Markus Lüpertz war ‚Kunst, die im Wege steht‘ und diesem ist er bis heute treu geblieben. Er greift immer wieder Mythen und Heldensagen auf und zeigt dabei keine strahlenden Supermänner, sondern Helden, denen Tragödien nicht fremd sind.“Man werfe nur einen Blick auf die Skulptur „Herkules“. Bernd Geserick hatte noch eine Überraschung für die Besucher parat: Er zeigte die Skulptur „Zwillinge“, die Markus Lüpertz gerade erst fertiggestellt hatte. Eine Premiere.