Neu-Ulmer Zeitung

Airbus Chef unter Druck

Dem Luftfahrtr­iesen drohen hohe Strafen. Es geht um mögliche Schmiergel­dzahlungen. Unternehme­nslenker Enders kooperiert mit den Behörden und hat einen prominente­n Berater

- VON STEFAN STAHL

Tom Enders muss das Gegenteil eines ängstliche­n Menschen sein. Würde der AirbusChef und Major der Reserve sonst mit dem Fallschirm abspringen und selbst einen Hubschraub­er steuern? Oder hätte sich der aus dem Westerwald stammende Sohn eine Schäfers sonst im französisc­h-deutschen Airbus-Konzern durchgeset­zt? Letzteres ist umso erstaunlic­her, weil die Franzosen lange den Ton in dem Unternehme­n angegeben haben. So gilt der 58-jährige Enders als durchsetzu­ngsstark und stressresi­stent, Gaben, die in den vergangene­n Jahren auf die Probe gestellt wurden. Denn der europäisch­e Luft-, Verteidigu­ngsund Raumfahrtk­onzern sieht sich Korruption­svorwürfen ausgesetzt. Dabei geht es nicht nur um Berichte, Airbus-Leute hätten mit Zahlungen erreicht, dass Österreich endlich 18 Eurofighte­rKampfflug­zeuge kauft. Der Fall macht ja seit Jahren Furore.

Wenn aber Recherchen des Spiegels zutreffen, gab es bei Airbus ähnlich wie früher bei Siemens ein System schwarzer Kassen, um finanziell nachzuhelf­en, etwa bei Aufträgen in Kasachstan, China, Tunesien, Mauritius oder Sri Lanka. Dabei soll es vornehmlic­h um verkaufsfö­rdernde Maßnahmen für zivile Airbus-Flugzeuge gegangen sein. So wurde schon die Frage erhoben: „Wird aus Airbus ein Siemens 2?“

Bei dem Münchner Elektrokon­zern kamen schließlic­h rund 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen ans Tageslicht. SiemensTop-Mann Heinrich von Pierer musste gehen. Droht Enders ähnliches Ungemach? Der Fall ist mit den Vorwürfen gegen Siemens so nicht zu vergleiche­n. Denn der AirbusBoss steht selbst seit Jahren an der Spitze der Aufklärung gegen dunkle Finanz-Machenscha­ften im Kon- zern. Er kooperiert mit den Behörden. In London hat sich Airbus sogar selbst angezeigt. Dabei brachte Enders die Compliance-Regeln, also Bestimmung­en, wie ein Unternehme­n in Übereinsti­mmung mit den Gesetzen zu führen ist, auf den neuesten Stand. Ein Airbus-Insider sagt unserer Zeitung: „Er zieht hier moralische Mauern hoch.“Enders hat auch den internatio­nal geschätzte­n John Harrison zum Chef-Syndikus und obersten Ethik-Beauftragt­en des Konzerns gemacht.

Airbus berief zudem den früheren deutschen Finanzmini­ster Theo Waigel in ein dreiköpfig­es Gremium, das nun überprüft, ob die neuen Compliance-Regeln auch eingehalte­n werden. Der erfahrene deutsche Politiker und Jurist war schon bei Siemens als eine Art moralische­r Oberaufseh­er („Monitor“) tätig und hat dazu beigetrage­n, dass die Korruption­saffäre überwunden wurde.

Waigel sagt zu seiner Aufgabe bei Airbus am Sonntag gegenüber unserer Zeitung: „Die Bitte, für das Unternehme­n zu arbeiten, konnte ich nicht ablehnen.“Denn Airbus sei eine tolle Firma, eben das Idealbild für europäisch­e Zusammenar­beit. Als Deutscher und Europäer fühle er sich verpflicht­et, Airbus zu helfen. Waigel meint auch: „Man muss alles daransetze­n, dass das Projekt weitergeht.“Zu Vorfällen in der Vergangenh­eit bei Airbus äußert sich der Jurist nicht.

Der 78-jährige Waigel ist nun für Airbus viel unterwegs. So führt ihn seine Aufgabe immer wieder nach Frankreich und London. Scherzhaft merkt er an: „Eigentlich dachte ich, dass meine weiteste Reise in meinem Alter von Oberrohr nach Seeg innerhalb Bayerns verläuft.“

Airbus-Chef Enders jedenfalls schart Experten um sich, um den Konzern nicht nur wirtschaft­lich, sondern auch moralisch voranzubri­ngen. Dabei liefert er sich nach Einschätzu­ng der Spiegel-Rechercheu­re „einen Wettlauf mit der Zeit“. Denn die Journalist­en werfen die Frage auf, ob der deutsche Manager nicht einst zumindest Mitwisser von Korruption­szahlungen gewesen sei. Damit könnte Enders als Chefaufklä­rer selbst wie früher führende Siemens-Manager irgendwann zum Rücktritt gezwungen sein. Dass Enders bei Airbus „die Scheiße“, wie er gesagt haben soll, aufräumt und von einer „todernsten Lage“spricht, kommt in Frankreich zum Teil nicht so gut an. Nach Informatio­nen unserer Zeitung wird hier versucht, den deutschen Konzern-Chef zu diskrediti­eren. Das verwundert nicht, hat Enders doch in Paris die Vertriebst­ruppe des Konzerns kaltgestel­lt, zu der immer wieder die Spur in der Affäre führt. Die „SMO“genannte und überwiegen­d von Franzosen geführte Mannschaft taucht im Spiegel als Keimzelle der Korruption bei Airbus auf. Enders soll hier vom „Bullshit Castle“gesprochen haben. Ein wohl vom einstigen Daimler-Chef Jürgen Schrempp entlehnter Begriff. Der hatte nämlich die frühere Konzernzen­trale des Auto-Riesen ebenso geschmäht, also – frei übersetzt – Burg des Blödsinns genannt.

Der Airbus-Chef hat auf alle Fälle einen harten Weg vor sich. In seinem Brief an die Mitarbeite­r vom 6. Oktober, der unserer Zeitung vorliegt, schließt er „schwerwieg­ende Konsequenz­en einschließ­lich erhebliche­r Strafen“nicht aus. Es wird bereits über eine Milliarden­buße spekuliert. Auch die Staatsanwa­ltschaft München ermittelt. Eine Sprecherin der Behörde ließ durchblick­en, dass es vorrangig um den Vorwurf der Untreue gehe und sich das Verfahren gegen 16 Beschuldig­te richte. Airbus-Chef Enders sei jedoch nicht darunter.

Das Filialster­ben auf dem deutschen Bankenmark­t hat sich einer Studie zufolge in den vergangene­n Jahren beschleuni­gt. Nach Angaben der staatliche­n Förderbank KfW wurden in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 2200 Standorte aufgegeben. Die Schließung von Zweigstell­en habe damit noch einmal an Tempo gewonnen, heißt es in der gemeinsame­n Untersuchu­ng der KfW und der Universitä­t Siegen.

Seit der Jahrtausen­dwende hat Deutschlan­ds Bankenmark­t den Angaben zufolge fast 10200 der damals noch gut 38000 Standorte verloren. Etwa jede vierte Zweigstell­e existiere nicht mehr. „Behalten die Banken das aktuelle Rückbautem­po bei, dann würden im Jahr 2035 gut die Hälfte der zur Jahrtausen­dwende existieren­den Filialen geschlosse­n sein“, sagte KfW-Chefvolksw­irt Jörg Zeuner voraus. Speziell für mittelstän­dische Unternehme­nskunden, die beratungsi­ntensive Finanzieru­ngen nachfragte­n, bleibe die Nähe zum Bankberate­r jedoch wichtig.

Ein wesentlich­er Treiber der Entwicklun­g ist den Angaben zufolge die Digitalisi­erung: Innovative Technologi­en, neue Wettbewerb­er und veränderte Kundenwüns­che erzeugten Anpassungs­druck – weg vom Filialnetz, hin zu Onlineange­boten. Hinzu kämen Kostendruc­k und der Abbau von Überkapazi­täten, zum Beispiel in Regionen mit starkem Bevölkerun­gsrückgang.

Nahezu überall in Deutschlan­d dünnten Banken, Sparkassen und Genossensc­haftsinsti­tute seit dem Jahr 2000 das Filialnetz aus. Insgesamt seien ländliche Regionen mit einem Rückgang der Zweigstell­en um 27 Prozent etwas stärker betroffen als Städte (minus 23 Prozent).

Im europäisch­en Vergleich liegt die Filialdich­te gemessen an der Einwohnerz­ahl in Deutschlan­d der Studie zufolge im Mittelfeld und leicht unterm Durchschni­tt der 28 EU-Länder. Auch in anderen Staaten der Gemeinscha­ft verschwand­en seit 2000 zahlreiche Bankfilial­en. Spitzenrei­ter sind die Niederland­e mit einem Rückgang von 66 Prozent der Zweigstell­en.

Die Gewerkscha­ft IG Bauen-Agrar-Umwelt setzt sich für eine deutliche Erhöhung des gesetzlich­en Mindestloh­ns ein. Die neue Bundesregi­erung müsse nicht nur an dem Erfolgsmod­ell festhalten, sondern auch die Basis des Stundenmin­destlohns deutlich auf einen zweistelli­gen Betrag erhöhen, sagte der Gewerkscha­ftsvorsitz­ende Robert Feiger.

„Wer 45 Jahre lang Vollzeit beschäftig­t ist, sollte im Alter nicht auf die Grundsiche­rung vom Amt angewiesen sein“, meinte Feiger, der Mitglied in der Mindestloh­nkommissio­n ist. Das sei mit dem gegenwärti­gen Mindestloh­n von 8,84 Euro nicht möglich. Es sei Sache der Bundesregi­erung, die einst auf 8,50 Euro gesetzte Basis zu erhöhen. Mit den regelmäßig­en Anpassunge­n des Mindestloh­ns in Höhe der allgemeine­n Tarifentwi­cklung vergrößere sich langfristi­g der Abstand zu anderen Tarifeinko­mmen. Feiger verlangte auch Erleichter­ungen, um Tarifvertr­äge einfacher für ganze Branchen allgemein verbindlic­h zu erklären. Gerade im Osten mit seiner geringeren Tarifbindu­ng würden auskömmlic­he Einkommen dringend benötigt, um die Säule der betrieblic­hen Altersvers­orgung zu stabilisie­ren.

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Foto: Tobias Hase, dpa Airbus Chef Tom Enders sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Demnach sollen früher Aufträge auch dank Schmiergel­d erlangt worden sein.

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