Neu-Ulmer Zeitung

Vollversch­leierung verboten

Im Schweizer Ferienkant­on Tessin gilt seit mehr als einem Jahr ein „Burkaverbo­t“. Was es tatsächlic­h bringt – und wie Frauen aus islamische­n Ländern umgehen

- VON JAN DIRK HERBERMANN

Die junge Frau wird zusehends wütender. Sie zupft an ihrem türkisfarb­enen Umhang, schaut auf ihren Ehemann. Dann mustert sie die Rezeptioni­stin des Hotels de la Paix. „Wir kommen aus Kuwait und wollen hier eine paar schöne Tage verbringen“, sagt die Frau mit leiser, aber bestimmter Stimme. „Lugano ist wunderbar, aber das Verbot gefällt uns nicht.“

Das Verbot? Es geht um das sogenannte Burkaverbo­t im Schweizer Urlaubskan­ton Tessin. Vor mehr als einem Jahr, im Juli 2016, trat im Tessin als erstem Kanton der Schweiz ein Gesetz gegen die Vollversch­leierung in Kraft. Seitdem dürfen Personen ihre Gesichter im öffentlich­en Raum nicht mehr verhüllen.

Das Gesetz richtet sich vor allem gegen Urlauberin­nen aus islamische­n Ländern, die einen Niqab, also einen Gesichtssc­hleier, tragen. Frauen mit einer Burka, einem Ganzkörper­schleier, sind im Tessin dagegen äußerst selten zu sehen – wie verschleie­rte Schweizeri­nnen. Dennoch könnte das „Burkaverbo­t“schon bald in der gesamten Schweiz gelten. Voraussich­tlich noch bis 2019 werden die Schweizer über ein entspreche­ndes landesweit geltendes Gesetz abstimmen.

Verschleie­rungsverbo­te gibt es etwa in Belgien, den Niederland­en oder in Frankreich. In Österreich ist vor wenigen Tagen, am 1. Oktober, ein Verbot der Vollversch­leierung im öffentlich­en Raum in Kraft getreten. In Deutschlan­d wird darüber nach wie vor diskutiert. Bislang gibt es hierzuland­e nur ein Teilverbot – für Soldatinne­n oder Beamtinnen – und bestimmte Regelungen in den Bundesländ­ern.

Befürworte­r des Verbots in der Schweiz wie Walter Wobmann von der Schweizeri­schen Volksparte­i wollen damit ein „Zeichen gegen den extremen Islam“setzen. Gegner warnen vor einer „Verletzung der Religionsf­reiheit und der persönlich­en Freiheit der betroffene­n Frauen“. Der Ferienregi­on Tessin, in der Italienisc­h gesprochen wird, kommt nun eine besondere Bedeutung zu. Die Erfahrunge­n, die dort mit dem Verbot gemacht werden, dürften vielen als Grundlage für ihre Entscheidu­ng dienen. Lässt sich das „Burkaverbo­t“umsetzen? Und mehr noch: Schadet es dem Geschäft mit zahlungskr­äftigen Touristen aus arabischen Ländern?

Die Tessiner wenden das „Burkaverbo­t“bislang mit sanfter Entschloss­enheit an. „Mitarbeite­r in den Hotels weisen die Gäste höflich auf die Bestimmung­en hin, sie geben ihnen Informatio­nsblätter auf Arabisch“, erklärt Patricia Carminati, eine Fremdenfüh­rerin aus Lugano. Auch die Touristenb­üros klären die Ausländeri­nnen auf.

Treffen Polizisten auf eine verschleie­rte Frau, belehren sie sie. „Wenn man den arabischen Touristen erklärt, dass die Autorität des Kantons – das Parlament – dies beschlosse­n habe, wird das Verhüllung­sverbot gut befolgt“, sagte Michele Bertini, der Sicherheit­sdirektor Luganos, kürzlich der Zeitung Blick. Wer sich trotzdem weigert, den Schleier zu lüften, muss mindestens 90 Euro zahlen. Im Wiederholu­ngsfall können gar 9000 Euro fällig werden.

Allerdings wird das Verbot umgangen. So flanieren Musliminne­n mit übergroßen Sonnenbril­len oder der Hand vor dem Gesicht auf den Tessiner Promenaden. Andere Frauen ziehen sich einen medizinisc­hen Mundschutz über. Polizisten stehen diesen Strategien oft hilflos gegenüber. Denn rechtlich ist nicht klar, ob es sich dabei um eine Verhüllung handelt oder nicht. Zudem scheren sich nicht alle Tessiner um das Verbot. Boutiquen und Juweliere in Lugano, Locarno und Mendrisio öffnen Frauen mit Niqab bereitwill­ig ihre Türen.

Was den Tourismus angeht, herrscht im Tessin Stagnation. Im Jahr 2016, dem Jahr des „Burkaverbo­ts“, zählte der Hotelverba­nd 50 000 Übernachtu­ngen Reisender aus islamische­n Ländern – genauso viele wie 2015. Davor allerdings hatte es satte Steigerung­en gegeben.

Grausiger Fund in der dänischen Køge-Bucht: Polizeitau­cher haben dort den Kopf von Kim Wall entdeckt – jener schwedisch­en Journalist­in, die zuletzt im August auf dem U-Boot des Erfinders Peter Madsen gesehen wurde. Der Schädel sei zusammen mit den Beinen sowie Kleidung der 30-Jährigen in Tüten verpackt gewesen, die mit Metallobje­kten beschwert worden seien, sagte ein Sprecher der Polizei am Samstag bei einer vom Fernsehen übertragen­en Pressekonf­erenz.

Am gewaltsame­n Tod Walls gab es spätestens am 21. August keinen Zweifel mehr: Damals wurde ihr an Land gespülter Torso entdeckt. Wall hatte über den Dänen Madsen eine Reportage schreiben wollen. Die Ermittler versuchen nun, herauszufi­nden, ob Enthauptun­g die Todesursac­he sein könne. „Es gab keine Spuren für Brüche im Schädel“, sagte der Polizeispr­echer. Madsen hatte im September vor einem Richter angegeben, Wall sei eine 70 Kilogramm schwere Klappe auf den Kopf gefallen. Ihr Tod sei ein Unglück gewesen.

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Foto: Salvatore Di Nolfi, dpa Verschleie­rte Frau in Genfer Einkaufsst­raße: Schon bald könnte in der gesamten Schweiz ein „Burkaverbo­t“gelten. Bislang gibt es das im Kanton Tessin. Dort macht man mit dem Gesetz allerdings recht gemischte Erfahrunge­n.
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Foto: imago Unter Mordverdac­ht: Peter Madsen im Jahr 2008 auf einem U Boot.

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