Neu-Ulmer Zeitung

Wenn das Einfache einen Preis verdient

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Gerechtigk­eit mahnen meist die an, die sich nicht gerecht behandelt fühlen. Der Einser-Schüler wird selten beim Lehrer vorstellig, um sich über die Notenverga­be zu beschweren. Wohingegen nachlässig­er Lernende nach einer MatheFünf die Schuld bei jenem Lehrer suchen, der ihnen unverständ­licherweis­e keinen Punkt für die richtige Schreibwei­se seines Namens zuerkannt hatte.

Vor allem im Sport ist der allzu menschlich­e Umgang beim Streben nach Gerechtigk­eit gut zu beobachten. Er ist stark interessen­getrieben. Fehlentsch­eidung zu eigenen Ungunsten: Zeter! Mordio! Fehlentsch­eidung zu eigenen Gunsten: Das gleicht sich im Verlauf einer Saison aus.

Unlängst lieferte der FC Bayern ein witziges Beispiel zum flexiblen Umgang mit Gerechtigk­eit. Der 222-Millionen-Transfer von Neymar sei nicht vereinbar mit den Regeln des finanziell­en Fair Plays. Kurz darauf lösen die Münchner einen Co-Trainer für rund zwei Millionen Euro aus einem Vertrag mit der Düsseldorf­er Fortuna aus. Vertragsla­ufzeit: neun Monate. Unfair sind immer die anderen.

Für das bedingungs­lose Streben nach Siegen die enormen Geldströme verantwort­lich zu machen, greift zu kurz. Auch in Amateurkla­ssen wird kontaktlos im Strafraum abgehoben und der Gegenspiel­er beschimpft. Der Profisport, vor allem der Profifußba­ll, hat aber eine Vorbildfun­ktion. Kinder ahmen nach, was sie bei ihren Idolen sehen. Da ist es sinnvoll, dass der DFB jährlich besondere Gesten mit der Fair-Play-Medaille honoriert.

Eine Ehrung, die Signalwirk­ung haben soll. Ob sie diese entwickelt, liegt nicht allein in den Händen des Verbands. Vor allem die Profis können dafür sorgen, dass die Medaille mehr ist als ein Feigenblat­t des DFB. Dass die Ehrung die Ebene der Symbolik verlässt und sich auf das Verhalten auf dem Platz auswirkt.

Gestern erhielt Andreas „Zecke“Neuendorf die Plakette für sein Wirken im Jugendfußb­all. Der Berliner steht stellvertr­etend für all die Trainer im Amateur- und Kinderbere­ich – viele von ihnen ehrenamtli­ch tätig. Im vergangene­n Jahr wurde Niko Kovac ausgezeich­net, weil er nach der gewonnenen Relegation gegen Nürnberg erst die gegnerisch­en Spieler tröstete, ehe er mit seiner Mannschaft feierte. Eine Selbstvers­tändlichke­it – wie auch der faire Umgang im Juniorensp­ort. Diese Selbstvers­tändlichke­iten aber verdienen es, ausgezeich­net zu werden. Weil sie besonders sind. Auf dem Feld. Und auch andernorts.

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