Eine verkappte Obergrenze für die Zuwanderung
Auf diesen Kompromiss hätten sich CDU und CSU schon früher einigen können. Begrenzung erfordert einen Richtwert. Hält der Burgfrieden in der Union?
CDU und CSU haben den erbitterten Streit um eine „Obergrenze“für die jährliche Zuwanderung erwartungsgemäß mit einem jener klassischen Formelkompromisse entschärft, die beide Seiten irgendwie das Gesicht wahren lässt, ein recht kompliziertes Regelwerk erfordern und erst im Praxistest ihre Tauglichkeit erweisen werden.
Niemand wird auch künftig an der deutschen Grenze abgewiesen, jedes Asylbegehren gründlich geprüft werden: Dieser Teil der Vereinbarung trägt den Stempel der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Merkel, die eine gesetzliche „Obergrenze“von Anfang an kategorisch abgelehnt hat. Der CSU-Vorsitzende Seehofer wiederum hat zwar keine formelle Obergrenze, wohl aber eine handfeste, überdies „garantierte“Orientierungszahl herausgeholt. Demnach sollen künftig nicht mehr als 200 000 Menschen pro Jahr in Deutschland Zuflucht finden können, wobei Arbeitsmigranten nicht angerechnet und Rückführungen bzw. freiwillige Ausreisen abgezogen werden. Und wenn sich, was ja nicht auszuschließen ist, der Migrationsdruck eines Tages wieder dramatisch verschärfen sollte, kann der Bundestag (und nur er) diese verkappte Obergrenze nach oben schrauben. Damit ist einsamen Entscheidungen einer Kanzlerin, wie sie im Herbst 2015 zum Entsetzen vieler Bürger getroffen wurden, ein Riegel vorgeschoben.
Die von der Union versprochene strikte „Begrenzung“der Zuwanderung ist nun immerhin mit einer konkreten Vorstellung davon unterfüttert, wie viele Einwanderer Deutschland aus den Krisen- und Bürgerkriegsregionen Afrikas und der muslimischen Welt Jahr für Jahr ungefähr aufnehmen will. Das ist ein Fortschritt, ist damit doch erstmals eine Zielgröße fixiert, die ohne soziale Verwerfungen zu „schaffen“ist und das Land im Hinblick auf die schwierige Integration der Neuankömmlinge nicht überfordert. Wer die Zuwanderung steuern und begrenzen will, braucht einen solchen Richtwert, der ja das Grundrecht auf Asyl nicht antastet. Man fragt sich allerdings, warum Merkel und Seehofer diesen Kompromiss nicht beizeiten und ohne diesen knallharten, das Publikum zunehmend nervenden Streit hinbekommen haben. Vermutlich wären auch die Stimmenverluste der Union mit einer gemeinsamen Wahlkampf-Linie weniger massiv ausgefallen. Erst jetzt, da die Einheit der Union ernsthaft gefährdet war und den Wahlverlierern Merkel und Seehofer eine weitere Erosion ihrer Machtbasen drohte, hat man sich zusammengerauft. Vom Tisch sind die Probleme damit nicht. Der Konflikt um die strategische Grundausrichtung der Union, die unter Merkel die konservative Kundschaft vernachlässigt hat, schwelt weiter. Vermutlich kann Seehofer die Basis der CSU mit diesem respektablen Verhandlungsergebnis erst einmal besänftigen, zumal ja niemandem in der CSU der Sinn nach einem Bruch der Union und einem Ausstieg aus der Regierungsverantwortung steht. Aber hält der Burgfrieden auch dann noch, wenn die Bildung einer „Jamaika“-Koalition (eine andere Option hat Merkel ja nicht mehr) Abstriche von diesem Begrenzungskonzept erzwingt? Die Grünen wollen zwar wieder unbedingt mitregieren, werden aber nicht alles schlucken.
Erst im Lichte des Koalitionsvertrags und des Fortschritts der dringend benötigten flankierenden EU-Maßnahmen wird sich beurteilen lassen, wie es um die Flüchtlingspolitik der neuen Regierung und die Durchsetzungskraft der Union tatsächlich bestellt ist. Darauf werden vor allem auch jene früheren, zur AfD geflüchteten Stammwähler achten, die die Union mit ihrer sehr flexibel gestalteten „Obergrenze“zurückholen will. Zu „CSU bleibt bei Obergrenze hart“(Seite 1) vom 7. Oktober: Ex-Ministerpräsident Beckstein beklagt sich, dass er und sein Parteichef Huber damals mit 43,8% der Stimmen zurücktreten mussten. Der Grund dafür war doch, dass die beiden für Bayern eine schlechte Politik gemacht haben und deshalb abgestraft wurden. Die 38,5% der letzten Bundestagswahl hatten doch eine andere Ursache. Die Wähler, die diesmal gegen die CSU gestimmt haben, waren doch der Meinung, wenn sie CSU wählen, wählen sie automatisch Frau Merkel, und die wollten sie nicht mehr. Bei der nächsten Landtagswahl, wenn es wieder um die Belange von Bayern geht, schaut es mit Sicherheit wieder ganz anders aus. Ich finde es schade, dass die obengenannten Ex-Größen aus ihrer Niederlage nichts gelernt haben. Holzheim Zum selben Thema: Ist die Obergrenze für Flüchtlinge wirklich ein zentrales Problem in unserem Lande? Die neuesten Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge belegen dies jedenfalls nicht: Von Januar bis August 2017 waren es 123878 Asylsuchende. Hochgerechnet auf das ganze Jahr 2017 wären dies gerade einmal 185817 Flüchtlinge. Der geneigte Leser kann sich selber einen Reim darauf machen, warum die CSU als einzige der vier Parteien, die eine Jamaika-Koalition bilden wollen, darauf beharrt.
Landsberg Zu „Leben auf der Wartebank“(Die Dritte Seite) vom 6. Oktober: 12 000 Obdachlose in Bayern und in gesamt Deutschland circa 500 000 – das ist für unsere Politik kein Thema, diese Leute schlafen im Flughafen auf einer Bank oder unter einer Brücke oder sonst irgendwo. Sie haben kein Dach über dem Kopf und es interessiert niemand, außer ein paar sozialengagierten Menschen, zum Beispiel die vom Projekt Mose. Für diese armen Menschen ist kein Geld da für Alleinerziehende, sozial Schwache und in Altersarmut lebende Rentner auch nicht. Aber für über eine Million Flüchtlinge wurde sofort dafür gesorgt, dass sie ein Bett und ein Dach über dem Kopf haben und medizinische Versorgung. Dafür sind circa 25 Milliarden oder mehr da – für deutsche Arme hat man kein Geld. Dann wundert man sich, dass 13% die AfD wählen!
Sonthofen/Burgberg Zu „Ein teurer, aufgeblähter Bundestag“(Politik) vom 30. September: Schon 2013 hat der damalige Bundestagspräsident Lammert darauf hingewiesen, dass wegen der Überhangund Ausgleichsmandate im nächsten Bundestag statt der bisherigen 598 mehr als 700 Abgeordnete sitzen könnten. Im Frühjahr 2017 hat er nochmals eine Wahlrechtsreform angemahnt. Die Parteien aber haben sich nicht einigen können. Die Wahl hat jetzt die größte Befürchtung Realität werden lassen. Es sind jetzt 111 Abgeordnete zusätzlich im Bundestag. Der Steuerzahler muss jährlich 75 Millionen Euro an Personalkosten (ohne Pensionen) tragen. Hinzu kommen Sach- und Raumkosten. In der Legislatur sind das mehr als 300 Millionen Euro. Das ist ein Skandal! Diese Gelder könnten besser für Bildung und Soziales ausgegeben werden. Wo bleibt der Aufschrei? Wir sollten deutliche E-Mails an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und an die Bundestagsabgeordneten in unserem Wahlkreis senden!
Augsburg