Neu-Ulmer Zeitung

„Die Politik ruft zu schnell nach neuen Gesetzen“

Der Günzburger Thomas Ermer steht seit Kurzem dem hiesigen Gerichtsbe­zirk vor. Ein Gespräch über Vertrauen in die Justiz

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Herr Ermer, was ist denn in Memmingen anders als bei Ihren bisherigen Stationen in Großstädte­n wie Augsburg und München?

Ich habe eine gewisse Verbindung zu der Stadt, weil mein Vater oft als Anwalt ans Landgerich­t Memmingen gefahren ist. Und wenn wir Ferien hatten, bin ich öfter mitgefahre­n. Ich wohne auch schon immer im Gerichtsbe­zirk. Aber es sind natürlich für mich persönlich die Aufgaben. Hier ist mein Job hauptsächl­ich die Verwaltung, auch wenn ich weiter Vorsitzend­er einer Zivilkamme­r bin. Es gibt jeden Tag neue Herausford­erungen für mich.

Haben Sie schon einen Eindruck gewonnen, wo in Ihrem neuen Gerichtsbe­zirk die größten Baustellen liegen?

Baustellen, im wahrsten Sinne des Wortes, habe ich zum Glück keine großen. Die Amtsgerich­te in Günzburg und Neu-Ulm sind auf dem neuesten Stand, in Memmingen ist der Teilneubau des Amtsgerich­ts in den letzten Zügen. Ansonsten haben hen. Aber generell müssen wir uns dieser Diskussion stellen. Glauben Sie, dass die Menschen dennoch Vertrauen haben in die Justiz?

Alle Kollegen erarbeiten sich dieses Vertrauen tagtäglich und das kommt, glaube ich, bei den Menschen schon an. In vielen umstritten­en Fragen kommt ja oft in den Medien der Satz „Jetzt muss ein Gericht entscheide­n“. Das zeigt doch, es gibt ein gesellscha­ftliches Agreement, dass es eine Institutio­n geben muss, die über umstritten­e Fragen entscheide­t. Aber irgendwann ist es entschiede­n und dann muss es auch dabei bleiben. Sonst würde es keine Rechtssich­erheit geben.

Trotzdem habe ich den Eindruck, dass in gewissen Bereichen, vor allem bei Sexualstra­ftaten, die Meinung vorherrsch­t, die Justiz sei zu „lasch“.

Das kann ich nicht sehen. Ich glaube, dass die Bedeutung dieses Themas uns durchaus bewusst ist. Und der Gesetzgebe­r hat hier ja auch gewisse Änderungen vorgenomme­n. Aber: Wirklich urteilen über einen Fall kann man nur, wenn man bei der Verhandlun­g dabei war. Und da ist dann manches oft nicht mehr so einfach, wie es sich in fünf Zeilen auf Facebook darstellt. Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß, es gibt viele Zwischentö­ne.

In den USA ist es üblich, während der Verhandlun­gen Fotos und Videos zu machen. Wäre das eine Lösung, um mehr Transparen­z zu schaffen?

Von Filmaufnah­men halte ich nichts. Da geht es auch um die Beteiligte­n. Ein Zeuge etwa tut sich bei einer Befragung eh schon schwer. Wenn man das aufzeichne­n würde, wären die Verfahrens­beteiligte­n verleitet, mehr darauf zu achten, was in den Medien ankommt.

Sie müssen ja mit dem arbeiten, was der Gesetzgebe­r Ihnen vorgibt. Gibt es Handlungsb­edarf in den ein oder anderen Bereichen?

Es gibt immer Handlungsb­e- darf, weil sich die Gesellscha­ft weiterentw­ickelt. Man denke nur an den ganzen Bereich Internet. Vonseiten der Politik wird aber auch oft zu schnell danach gerufen, dass der Gesetzgebe­r tätig werden muss, insbesonde­re im Strafrecht. Wichtiger ist aber, dass man ausreichen­d Personal hat, um die rechtliche­n Vorgaben auch richtig umzusetzen. Das heißt, Sie hätten lieber mehr Mittel, um Ihre Arbeit besser machen zu können?

Ja sicher. Jeder Behördenle­iter würde gerne seine Behörde mit mehr Personal und sachlichen Mitteln ausstatten. Aber der Freistaat Bayern hat in den letzten Jahren auch in der Justiz mehr Stellen geschaffen und investiert. Wir können uns nicht beschweren.

Sie sind ja auch als Stadtrat in Günzburg tätig. Helfen Ihnen bei dieser Aufgabe Ihre Eigenschaf­ten und O

Thomas Ermer, 57, stu dierte Jura in München, bevor er 1990 als Regierungs­rat im Justizmini­sterium begann. Später arbeitete Ermer als Richter am Landgerich­t Augsburg und am Oberlandes­gericht München. 2003 kehrte er zwischenze­itlich ins Justizmini­s terium zurück. Seit August 2017 ist er Präsident des Landgerich­ts Memmingen, das auch für den Kreis zuständig ist.

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