Neu-Ulmer Zeitung

Die Vereinigte­n Staaten stiegen schon einmal aus

- Jan Kuhlmann, dpa

auf diese Weise gegen die Aufnahme der Palästinen­ser-Regierung in die UN-Einrichtun­g. Die jetzt getroffene Entscheidu­ng zum Ausstieg aus der Organisati­on ist laut Medienberi­chten eine Reaktion darauf, dass Israel in Unesco-Resolution­en als Besatzungs­macht auf palästinen­sischem Gebiet bezeichnet wird. Es geht aber nicht nur um Israel. Schon seit dem Jahr 2013 hat Washington wegen des Zahlungsst­opps in der Unesco kein Stimmrecht mehr. Inzwischen schulden die USA der Organisati­on mehr als eine halbe Milliarde Dollar an Beiträgen.

Im Jahr 1983 hatten die Amerikaner unter Präsident Ronald Reagen schon einmal die Unesco aus Protest gegen angebliche anti-amerikanis­che Tendenzen verlassen. Damals kritisiert­e Washington unter anderem, die Unesco finanziere Projekte, die von der Sowjetunio­n angeregt worden seien. Erst 2003 kehrten die USA unter dem Präsident George W. Bush in die Unesco zurück.

Reagans Regierung hatte bei ihrer Ausstiegse­ntscheidun­g ausdrückli­ch betont, sie werde ihr Engagement in anderen Einrichtun­gen der Vereinten Nationen verstärken. Ein solches Bekenntnis zum Prinzip der internatio­nalen Zusammenar­beit fehlt beim Rückzug des UN-Kritikers Trump aus der Unesco.

Unter Trump hatten die USA bereits ihren Ausstieg aus dem Pariser Klimavertr­ag verkündet. Zudem stellt der Präsident das internatio­nale Atomabkomm­en mit dem Iran infrage. In Washington sprechen Experten bereits von einer „RückzugsDo­ktrin“Trumps. Im Rahmen einer „transaktio­nalen Außenpolit­ik“will Trump alle Verträge auf den Prüfstand stellen, die den USA nach seiner Ansicht nicht genügend Vorteile bringen. (mit kna)

Khaled al-Dschaburi kann sich noch genau daran erinnern, wie dieser Platz früher aussah. Dort drüben die Gemüsehänd­ler, daneben Restaurant­s und Cafés, das Leben pulsierte. „Es war immer voll hier, das ist das Zentrum Mossuls“, sagt der grauhaarig­e Mann mit einer Stimme, die von Zigaretten heiser geworden ist. Er ist hier aufgewachs­en, er hat hier gespielt, er kannte jeden Winkel. Bab al-Tub, wie der Platz heißt, war seine Heimat. Jetzt blickt Khaled nur noch auf zerbombte Häuser, die entstellte­n Skeletten gleichen, auf Berge aus Schutt und Steinen, staubig, grau und leer.

Khaled ist noch immer fassungslo­s. „Es ist sehr schwer zu glauben, dass all das hier passiert ist“, krächzt er, als er mit seinem Wagen weiter durch die Trümmerlan­dschaften Mossuls fährt, wo er als Projektman­ager des UN-Entwicklun­gsprogramm­s arbeitet.

Die Millionens­tadt im Norden des Irak war drei Jahre lang das Zentrum der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS). Von hier aus überrannte­n die Extremiste­n im Sommer 2014 große Teile des Landes. Hier zeigte sich IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi in der Großen Moschee das erste und einzige Mal öffentlich, um ein „Islamische­s Kalifat“auszurufen.

Als vor einem Jahr die Offensive irakischer Sicherheit­skräfte zur Befreiung Mossuls begann, ahnten viele, dass es ein langer und schwerer Kampf werden könnte. Sie sollten recht behalten. „Das war seit Stalingrad die schlimmste Schlacht in einem urbanen Zentrum“, sagt ein internatio­naler Helfer, der ungenannt bleiben möchte.

Besonders schwer haben die Kämpfe, Granaten und Bomben den Teil Mossuls getroffen, der westlich des Flusses Tigris liegt. Die Straßen führen vorbei an zertrümmer­ten Häusern, in denen sich Schutt türmt, die Fenstersch­eiben zerschosse­n, riesige Löcher klaffen in den Wänden. Manche Gebäude haben die tragenden Mauern verloren und sind wie tot zur Seite gekippt.

Auch drei Monate nach dem Sieg über den IS in Mossul riegeln irakische Sicherheit­skräfte die Altstadt im Westteil ab, wo sich die Extremiste­n bis zum Schluss verschanzt hatten. Unter den Trümmern verbergen sich unzählige Sprengfall­en, die IS-Anhänger dort versteckt haben. Auf dem Weg zur Großen Moschee liegen Autos und Kleinlaste­r in einem Krater übereinand­ergestapel­t, wohl die Spuren eines Luftangrif­fs der US-geführten internatio­nalen Koalition.

Doch es ist nicht nur der Anblick von zerstörten Häuser und zertrümmer­ten Wagen, der unheimlich wirkt. Das Inferno des Kriegs hat die Altstadt in ein Geistervie­rtel verwandelt, leer von Menschen, von Grün, von Leben, von Hoffnung. Über den Straßen liegt eine verstörend­e Stille, eine beängstige­nde Ruhe nach dem Sturm. Eine Familie – Vater, Mutter, kleiner Sohn – läuft einsam über eine der Straßen. Sie wohnten da drüben in einem Trümmerhau­s um die Ecke, sagt Muajad Dschasim, graue Haare, tiefe Falten im Gesicht, 47 Jahre alt. „Wir haben keinen anderen Ort“, sagt er. „Wo sollen wir hin?“

Während in Ost-Mossul langsam das Leben zurückkehr­t, gleicht der Westen einer toten Stadt ohne Strom und Wasser. Für die Altstadt gebe es praktisch keine Hoffnung mehr, sagt der internatio­nale Helfer. Zu sehr hätten Kämpfe und Luftangrif­fe das Gebiet zerstört: „Das lässt sich nicht mehr reparieren. Es muss von Grund auf neu aufgebaut werden. Die irakische Regierung muss eine Entscheidu­ng fällen.“

Das UN-Entwicklun­gsprogramm UNDP geht davon aus, dass 15 Viertel im Westen der Stadt, einst Heimat für 250000 Menschen, völlig zerstört sind. Rund eine Milliarde Euro seien nötig, nur um die lebenswich­tigste Infrastruk­tur in Mossul wieder instand zu setzen.

Das UNDP-Wiederaufb­auprogramm, eines der größten in seiner Geschichte, konzentrie­rt sich zunächst auf Strom- und Wasserwerk­e, Krankenhäu­ser, Schulen sowie Straßen. Um den Menschen etwas Arbeit zu geben, finanziert es Straßenrei­niger. Deutschlan­d ist dabei nach den USA der größte Geldgeber für das Programm. Das Entwicklun­gsminister­ium gibt unter anderem Geld für das Trinkwasse­rnetz und den Wiederaufb­au der Universitä­t.

Trotz der Hilfe dürfte es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis in viele Viertel West-Mossuls Leben zurückkehr­t. Auch im Krankenhau­s dort gleicht die Arbeit einem täglichen Kampf ums Überleben. Es herrscht akuter Mangel an Medikament­en.

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Foto: Oliver Weiken, dpa Ein Mann geht durch die zerstörte Altstadt von Mossul. Vor drei Monaten wurden die letzten IS Kämpfer vertrieben.
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Foto: dpa Kulturorga­nisation – nein danke: US Präsident Donald Trump.

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