Listenabgeordnete fürchten um ihr Landtagsmandat
können – weder persönlich noch politisch. Doch er hat nichts dergleichen getan. Vielleicht will er nicht als jemand dastehen, der sich vor der Verantwortung drückt. Vielleicht ist er wirklich davon überzeugt, dass nur er in Berlin das Maximum für die CSU und ihre kleiner gewordene Anhängerschaft herausholen kann. Vielleicht will er nur Zeit gewinnen, um zu verhindern, dass sein ungeduldig lauernder Konkurrent, Finanzminister Markus Söder, die Macht in der Partei und in Bayern an sich reißt.
Wahrscheinlich ist es von allem ein bisschen. Doch so genau weiß das in der CSU niemand. Das ist das Problem, das am ohnehin lädierten Selbstbewusstsein der Partei nagt. Von seiner Aussage, er wolle sich bei dem für Mitte November geplanten Parteitag wieder als Vorsitzender zur Wahl stellen und im Herbst 2018 wieder als Spitzenkandidat für die Landtagswahl antreten, ist Seehofer bisher nicht abgerückt. Mehr noch: Er hat der Partei eingebläut, bis zum Parteitag mit Rücksicht auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin auf jede öffentliche Personaldebatte zu verzichten. Sein Diktum lautet: Wer mich jetzt in Frage stellt, schwächt die CSU. Die Methode ist nicht neu. Schon in den Jahren zuvor hat Seehofer seine Parteifreunde immer wieder an den Fall Edmund Stoiber erinnert: Der Sturz des Anführers führe unweigerlich in die nächste Wahlniederlage.
Die Hängepartie aber, die er den Seinen verordnet hat, strapaziert die Nerven der zutiefst verunsicherten Landtagsfraktion aufs Äußerste. Ihre größte Angst ist der Verlust der absoluten Mehrheit der CSU in Bayern, womit für viele Listenabgeordnete ohne eigenen Stimmkreis auch der Verlust ihres Landtagsmandats verbunden wäre.
Genährt wird diese Angst von der katastrophal schlechten Stimmung an der CSU-Basis. Die Partei habe, so raunen längst nicht nur die Anhänger Söders, ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und dieses Problem habe einen Namen: Seehofer. Sein Hin und Her in der Flüchtlingspolitik wird als Hauptkritikpunkt genannt. Die Bundeskanzlerin erst zu verdammen und dann wieder zum Superstar der Union zu erklären, sei der Kardinalfehler vor der Bundestagswahl gewesen.
Schlimmer noch für Seehofer ist, dass dieser Fehler in den Augen seiner Kritiker nur der letzte in einer langen Reihe ist: Er habe von einem Tag auf den anderen der „Ehe für alle“zugestimmt und damit ohne Not ein Markenzeichen der CSU, den Schutz von Ehe und Familie, preisgegeben. Er laviere seit Jahren bei der dritten Startbahn für den Flughafen München herum. Er habe sich schon vor der Europawahl 2014 nicht entscheiden können, wo die CSU in der Europapolitik eigentlich hin will. Und er führe seine potenziellen Nachfolger und damit auch die ganze Partei seit Jahren an der Nase herum: Mal habe er angekündigt, 2018 aufhören zu wollen. Dann habe er es sich wieder anders überlegt. Mal sei er dafür gewesen, die Ämter von Parteichef und Ministerpräsident zu trennen, mal wieder nicht. Mal habe er „Kronprinzen“