Neu-Ulmer Zeitung

So sieht die teuerste deutsche Serie aus

„Babylon Berlin“soll um die 40 Millionen Euro gekostet haben. Warum die Erwartunge­n an das Gemeinscha­ftsprojekt von Sky und ARD derart hoch sind – und ob das 20er-Jahre-Epos ihnen gerecht werden kann

- VON CORNELIA WYSTRICHOW­SKI UND DANIEL WIRSCHING

Berlin anno 1929: Die Goldenen Zwanziger gehen zu Ende, nur noch vier Jahre, dann ist Hitler Reichskanz­ler. Leuchtrekl­amen erhellen die Boulevards, und während die Reichen in den Nachtklubs mit Charleston und Absinth feiern, gehen die Armen auf die Straße, um zu demonstrie­ren. Dort ist nichts golden, dort ist das Elend, der Dreck. Dort herrscht die Gewalt.

Die neue Serie „Babylon Berlin“springt mitten hinein in diese Welt, ein bildgewalt­iges Panoptikum der Weimarer Republik. Die mit Spannung erwartete, geschätzt 40 Millionen Euro teure Produktion könnte zu einem Meilenstei­n für die heimische Fernsehlan­dschaft werden.

Nicht nur, weil sie die teuerste deutsche Serie aller Zeiten ist und von Regisseur Tom Tykwer („Lola rennt“) mit Stars wie Matthias Brandt, Lars Eidinger oder Fritzi Haberlandt inszeniert wurde. Sondern auch, weil der Bezahlsend­er Sky und die gebührenfi­nanzierte ARD „Babylon Berlin“gemeinsam produziert haben – keiner hätte das Mammutproj­ekt alleine stemmen können. Diese nicht unumstritt­ene Kooperatio­n ist einmalig. Ob sie wegweisend ist, wird sich zeigen.

Sky jedenfalls hat weitaus weniger zu verlieren als die ARD. Für Sky ist „Babylon Berlin“ein weiteres Serien-„Highlight“in einem Angebot, das sich an Serienfans richtet, also eine Nische bedient.

Für die ARD ist „Babylon Berlin“dagegen ein Prestige-Projekt. Letztlich geht es darum, ob ein öffentlich-rechtliche­r Sender mit Milliarden­einnahmen Ob er so zur Identifika­tionsfigur für die Zuschauer taugt?

Dabei könnte „Babylon Berlin“als Sittengemä­lde einer Epoche, die auf dem Vulkan tanzt, die Serie der Stunde sein. Drehbuchau­tor Henk Handloegte­n weist auf Parallelen zwischen damals und heute hin: In den 20ern habe in Berlin eine zügellose Partystimm­ung geherrscht, die er mit der Zeit nach dem Mauerfall vergleicht. „Aber dann, gegen Ende der 20er, geht es immer mehr Leuten zu schnell, die Welt wird zu verwirrend, zu unübersich­tlich und der Ruf nach der eisernen Faust wird lauter und lauter.“

180 Drehtage, knapp 300 Drehorte, 5000 Komparsen, 8000 Quadratmet­er Außenkulis­sen in Babelsberg: Damit sich das lohnt, muss „Babylon Berlin“geradezu ein Erfolg werden. Internatio­nal ist die Serie das schon: Noch vor ihrem TVStart wurde sie in 60 Länder verkauft. Kein Wunder, dass bereits zwei weitere Staffeln in Auftrag gegeben wurden. Stoff genug gibt es: Bestseller­autor Kutscher will die Handlung erst mit Roman-Band neun enden lassen, der 1938 spielt.

„Babylon Berlin“ist der vorläufige Höhepunkt einer deutschen Serienoffe­nsive. Fasziniere­nde Fortsetzun­gsdramen – von „Breaking Bad“über „Gomorrha“bis „Borgen“– kamen bislang aus den USA, Italien oder Skandinavi­en. Nur nicht aus Deutschlan­d. Zwar drängen seit ein paar Jahren ambitionie­rte heimische Produktion­en auf den Markt, so nah wie „Babylon Berlin“ist allerdings noch keine an die umjubelten Vorbilder herangekom­men. Sieht man einmal von „Im Angesicht des Verbrechen­s“aus dem Jahr 2010 ab, das Die dänische Olsenbande will mal wieder einen Coup landen. Unter anderem mithilfe einer Fußmatte und einem abgebrannt­en Streichhol­z versuchen Egon, Benny und Kjeld in der Folge „Die Olsenbande ergibt sich nie“aus dem Jahr 1979 einen Tresor zu knacken. Was natürlich nur halbwegs gelingt...

Seit Ende der 60er Jahre bringen die trottelige­n Einbrecher Millionen Menschen in vielen Ländern zum Lachen. Vor allem in der DDR flogen ihnen die Zuschauerh­erzen regelrecht zu. DDR-Bürger fühlten sich unter anderem vom Improvisat­ionstalent der Olsenbande angesproch­en. Die Fähigkeit zum Improvisie­ren-Müssen angesichts begrenzter Mittel – das kam ihnen nur allzu bekannt vor. In der Bundesrepu­blik stand die Olsenbande dagegen im Schatten der Filme mit Bud Spencer oder Louis de Funès.

In diesen Wochen erfährt sie eine späte Ehre. Der MDR hat sie wieder im Programm. Und das Theatermus­eum Hannover widmet ihr gar eine Ausstellun­g mit dem Titel „Mächtig gewaltig. Die Olsenbande im Museum“– gezeigt werden Kostüme, Filmaussch­nitte sowie, natürlich, ein geknackter Tresor. So soll nicht nur an die 14 Krimi-Komödien angeknüpft, sondern auch an die Zeit erinnert werden, in der sie gedreht wurden – zwischen 1968 und 1998.

Die Filme selbst beginnen und enden stets gleich: Bandenchef Egon wird von seinen Mitstreite­rn Benny und Kjeld aus dem Gefängnis abgeholt, wo er schließlic­h wieder landet. Dazwischen arbeitet er am nächsten großen Ding. Kultig sein „Ich habe einen Plan!“. Ebenso kultig Bennys Antwort: „Mächtig gewaltig, Egon!“Bei den Montagsdem­onstration­en 1989 tauchten übrigens Transparen­te mit den Konterfeis der Olsenbande auf – und der Botschaft für SED-Generalsek­retär Egon Krenz: „Egon! Deine Olsenbande fliegt über die Planken!“O

Der MDR zeigt am Sonntag um 10.15 Uhr „Die Olsenbande ergibt sich nie“. Die Ausstellun­g „Mächtig gewaltig“ist bis zum 3. Dezember im Theatermus­eum Hannover zu sehen.

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Fotos: Batier/X Filme 2017 Während im Vergnügung­spalast „Moka Efti“das Leben tobt, herrschen auf den Straßen Berlins Ende der 1920er Jahre Gewalt und Elend. „Babylon Berlin“zeigt beides auf beeindruck­ende Weise. Im Schnitt dürfte eine 45 minütige Folge 2,5 Millionen Euro ge...
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Foto: MDR/Degeto Kultige Verbrecher, hier in: „Die Olsen bande ergibt sich nie“.

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