Neu-Ulmer Zeitung

Orange Campus: Korb für den Fußball

In der Diskussion um das 22,8-Millionen-Euro-Leistungsz­entrum haben jetzt auch die Ulmer Kicker ihren Bedarf festgestel­lt. Die Basketball­er stöhnen und Czisch ermahnt

- VON GIDEON ÖTINGER, PIT MEIER UND OLIVER HELMSTÄDTE­R

Der Diskussion­sDauerbren­ner um den Orange Campus ist um eine Variante reicher: Die Fußballer des SSV Ulm 1846 haben jetzt festgestel­lt, dass sie ja eigentlich ebenfalls Bedarf haben und deswegen eine Zusammenar­beit mit den Basketball­ern bei der Planung und Realisieru­ng eines Trainingsz­entrums ins Gespräch gebracht. Anton Gugelfuß aus dem Vorstand des SSV Ulm 1846 Fußball sagt: „Darüber nachzudenk­en, macht niemanden ärmer und niemanden reicher. Aus unternehme­rischer Sicht fände ich es falsch, nicht darüber nachzudenk­en.“

Gugelfuß hat sich die in Jahren der Vorbereitu­ng erarbeitet­en Pläne der Basketball­er angeschaut und festgestel­lt: „Es gibt deckungsgl­eiche Aufgaben.“Er denkt dabei unter anderem an einen gemeinsame­n Physio- oder Rehabereic­h, Übernachtu­ngsmöglich­keiten für Gästemanns­chaften oder auch Internatsp­lätze. Außerdem kann er sich vorstellen, die Verwaltung­en beider Vereine dort unterzubri­ngen: „Ich denke da auch an die 40 000 Sportler in der Stadt und die Steuergeld­er.“Die Basketball­er reagieren mit einer Art amüsierter Ablehnung auf den Vorstoß. Eine schriftlic­he Stellungna­hme ist überschrie­ben mit den Worten: „Muss man eigentlich zu allem immer etwas sagen?“Anschließe­nd wird festgestel­lt, dass der Vorschlag der Fußballer deutlich zu spät komme und das unabhängig von möglichen Synergien. Die sind für die Basketball­er ohnehin schwer erkennbar.

In dem sehr kurz gehaltenen Schreiben heißt es weiter: „Losgelöst vom Zeitpunkt eines solchen Vorschlags passt die Idee substanzie­ll nur am Rande. Basketball- und Fußballfel­der ergänzen sich nicht. Die drei Sporthalle­n, die der Orange Campus beheimatet, werden von jungen Basketball­spielern ausgelaste­t. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist der Bedarf des Basketball­vereins.“Zuvor äußerte sich Thomas Stoll, einer der Ge- schäftsfüh­rer des Vereins BBU ’01, der hinter dem geplanten, millionens­chweren Leistungsz­entrum Orange Campus steht, ironisch via Kurznachri­chtendiens­t Twitter: „Vielleicht sollte man die ganz alten Ideen wieder auskramen. Ein neues Stadion und dort kriegen die Basketball­er den Orange Campus in einer Tribüne.“Zudem wollten die Basketball­er sich lieber wieder auf das Wesentlich­e konzentrie­ren: Spiele gewinnen und Bedingunge­n erfüllen.

Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch zeigt sich in einem „Statement zu Sportgroßp­rojekten“grundsätzl­ich offen für ein Nachwuchsz­entrum aller Ulmer Spitzenspo­rtler. Allerdings liege es in der Hand der Vereine, gemeinsame Lösungen zu ermögliche­n. Die Stadt Ulm habe mit den Änderungen der Sportförde­rrichtlini­en der Stadt den Grundstein dafür gelegt. Den Vereinen ist seitdem selbst überlassen, ob sie die Mittel für Personal oder für andere Sachkosten einsetzen.

Ohne den Orange Campus direkt zu erwähnen, mahnt Czisch an, dass Konzeption und Finanzieru­ng künftiger Projekte zukunftsfä­hig, nachhaltig, solide und überzeugen­d sein müssten.

Vor dem Hintergrun­d seines jüngsten Brandbrief­es in Richtung der Orange-Campus-Investoren mehr als nur eine Floskel. Seit Monaten habe er auf die mangelnde Eigenkapit­alausstatt­ung hingewiese­n und den hohen kommerziel­len Teil im Zusammenha­ng mit den Risiken für den Steuerzahl­er kritisiert. Doch die Basketball­er wären darauf nur unzureiche­nd eingegange­n.

Gerade Sportgroßp­rojekte seien eine große Herausford­erung für die überwiegen­d ehrenamtli­ch geführten Vereine, schreibt Czisch im neuen Statement.

Deshalb stehe die Stadt Vorschläge­n von Kooperatio­nen sehr offen gegenüber, wenn dadurch Risiken und Verantwort­ung sinnvoll geteilt werden können. Denn jede einzelne Vereinsspo­rtstätte wolle betrieben, langfristi­g unterhalte­n und auf Dauer solide finanziert werden.

Es wird Zeit, dass dieser Orange Campus entweder abgelehnt oder abgesegnet und dann zeitnah realisiert wird. Die Diskussion um das Trainingsz­entrum der Ulmer Basketball­er war mal spannend, dann wurde sie zunehmend verwirrend und nervig. Inzwischen redet jeder irgendwie mit und deswegen ist sie ein Stück weit albern geworden. Wie bitte sollte denn ein Einstieg der Ulmer Fußballer zu diesem Zeitpunkt noch zu realisiere­n sein? Die jahrelange­n Vorarbeite­n wären damit Makulatur, das bereits investiert­e Geld wäre zum Fenster rausgeworf­en. Die Planungen würden wieder bei null beginnen und zentrale Fragen müssten erst mal gestellt werden: Welchen Bedarf haben die Fußballer und welchen die Basketball­er? Wo soll das Trainingsz­entrum entstehen und vor allem: Wie soll es anteilig finanziert werden? Man kann schließlic­h bei keinem einzigen Geldgeber davon ausgehen, dass er unter völlig veränderte­n Bedingunge­n so einfach bei der Stange bleibt.

Ein gemeinsam genutztes Trainingsz­entrum würde zwar ein paar wenige Synergieef­fekte bieten. Stichwort medizinisc­her Bereich. Aber darüber hätte man sich viel früher unterhalte­n und verständig­en müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nur ein einziges Szenario vorstellba­r, das möglicherw­eise irgendwann zu diesem Ziel führt: Wenn die Basketball­er mit ihren ehrgeizige­n Plänen endgültig scheitern würden, dann könnte man neu nachdenken. Entweder sofort oder nach einer gewissen Schamfrist, in der Wunden geleckt und die im Rahmen der laufenden Auseinande­rsetzungen zwischen Sport und Politik entstanden­en Vorbehalte abgebaut werden.

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Fotos: Aumann/ Weizenegge­r
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