Orange Campus: Korb für den Fußball
In der Diskussion um das 22,8-Millionen-Euro-Leistungszentrum haben jetzt auch die Ulmer Kicker ihren Bedarf festgestellt. Die Basketballer stöhnen und Czisch ermahnt
Der DiskussionsDauerbrenner um den Orange Campus ist um eine Variante reicher: Die Fußballer des SSV Ulm 1846 haben jetzt festgestellt, dass sie ja eigentlich ebenfalls Bedarf haben und deswegen eine Zusammenarbeit mit den Basketballern bei der Planung und Realisierung eines Trainingszentrums ins Gespräch gebracht. Anton Gugelfuß aus dem Vorstand des SSV Ulm 1846 Fußball sagt: „Darüber nachzudenken, macht niemanden ärmer und niemanden reicher. Aus unternehmerischer Sicht fände ich es falsch, nicht darüber nachzudenken.“
Gugelfuß hat sich die in Jahren der Vorbereitung erarbeiteten Pläne der Basketballer angeschaut und festgestellt: „Es gibt deckungsgleiche Aufgaben.“Er denkt dabei unter anderem an einen gemeinsamen Physio- oder Rehabereich, Übernachtungsmöglichkeiten für Gästemannschaften oder auch Internatsplätze. Außerdem kann er sich vorstellen, die Verwaltungen beider Vereine dort unterzubringen: „Ich denke da auch an die 40 000 Sportler in der Stadt und die Steuergelder.“Die Basketballer reagieren mit einer Art amüsierter Ablehnung auf den Vorstoß. Eine schriftliche Stellungnahme ist überschrieben mit den Worten: „Muss man eigentlich zu allem immer etwas sagen?“Anschließend wird festgestellt, dass der Vorschlag der Fußballer deutlich zu spät komme und das unabhängig von möglichen Synergien. Die sind für die Basketballer ohnehin schwer erkennbar.
In dem sehr kurz gehaltenen Schreiben heißt es weiter: „Losgelöst vom Zeitpunkt eines solchen Vorschlags passt die Idee substanziell nur am Rande. Basketball- und Fußballfelder ergänzen sich nicht. Die drei Sporthallen, die der Orange Campus beheimatet, werden von jungen Basketballspielern ausgelastet. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist der Bedarf des Basketballvereins.“Zuvor äußerte sich Thomas Stoll, einer der Ge- schäftsführer des Vereins BBU ’01, der hinter dem geplanten, millionenschweren Leistungszentrum Orange Campus steht, ironisch via Kurznachrichtendienst Twitter: „Vielleicht sollte man die ganz alten Ideen wieder auskramen. Ein neues Stadion und dort kriegen die Basketballer den Orange Campus in einer Tribüne.“Zudem wollten die Basketballer sich lieber wieder auf das Wesentliche konzentrieren: Spiele gewinnen und Bedingungen erfüllen.
Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch zeigt sich in einem „Statement zu Sportgroßprojekten“grundsätzlich offen für ein Nachwuchszentrum aller Ulmer Spitzensportler. Allerdings liege es in der Hand der Vereine, gemeinsame Lösungen zu ermöglichen. Die Stadt Ulm habe mit den Änderungen der Sportförderrichtlinien der Stadt den Grundstein dafür gelegt. Den Vereinen ist seitdem selbst überlassen, ob sie die Mittel für Personal oder für andere Sachkosten einsetzen.
Ohne den Orange Campus direkt zu erwähnen, mahnt Czisch an, dass Konzeption und Finanzierung künftiger Projekte zukunftsfähig, nachhaltig, solide und überzeugend sein müssten.
Vor dem Hintergrund seines jüngsten Brandbriefes in Richtung der Orange-Campus-Investoren mehr als nur eine Floskel. Seit Monaten habe er auf die mangelnde Eigenkapitalausstattung hingewiesen und den hohen kommerziellen Teil im Zusammenhang mit den Risiken für den Steuerzahler kritisiert. Doch die Basketballer wären darauf nur unzureichend eingegangen.
Gerade Sportgroßprojekte seien eine große Herausforderung für die überwiegend ehrenamtlich geführten Vereine, schreibt Czisch im neuen Statement.
Deshalb stehe die Stadt Vorschlägen von Kooperationen sehr offen gegenüber, wenn dadurch Risiken und Verantwortung sinnvoll geteilt werden können. Denn jede einzelne Vereinssportstätte wolle betrieben, langfristig unterhalten und auf Dauer solide finanziert werden.
Es wird Zeit, dass dieser Orange Campus entweder abgelehnt oder abgesegnet und dann zeitnah realisiert wird. Die Diskussion um das Trainingszentrum der Ulmer Basketballer war mal spannend, dann wurde sie zunehmend verwirrend und nervig. Inzwischen redet jeder irgendwie mit und deswegen ist sie ein Stück weit albern geworden. Wie bitte sollte denn ein Einstieg der Ulmer Fußballer zu diesem Zeitpunkt noch zu realisieren sein? Die jahrelangen Vorarbeiten wären damit Makulatur, das bereits investierte Geld wäre zum Fenster rausgeworfen. Die Planungen würden wieder bei null beginnen und zentrale Fragen müssten erst mal gestellt werden: Welchen Bedarf haben die Fußballer und welchen die Basketballer? Wo soll das Trainingszentrum entstehen und vor allem: Wie soll es anteilig finanziert werden? Man kann schließlich bei keinem einzigen Geldgeber davon ausgehen, dass er unter völlig veränderten Bedingungen so einfach bei der Stange bleibt.
Ein gemeinsam genutztes Trainingszentrum würde zwar ein paar wenige Synergieeffekte bieten. Stichwort medizinischer Bereich. Aber darüber hätte man sich viel früher unterhalten und verständigen müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nur ein einziges Szenario vorstellbar, das möglicherweise irgendwann zu diesem Ziel führt: Wenn die Basketballer mit ihren ehrgeizigen Plänen endgültig scheitern würden, dann könnte man neu nachdenken. Entweder sofort oder nach einer gewissen Schamfrist, in der Wunden geleckt und die im Rahmen der laufenden Auseinandersetzungen zwischen Sport und Politik entstandenen Vorbehalte abgebaut werden.