Neu-Ulmer Zeitung

Leitartike­l

Bayerische­r Machtkampf. Sucht Seehofer die offene Feldschlac­ht oder einen Abschied in Würde? So oder so geht die CSU schweren Zeiten entgegen

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Vor drei Jahren hat der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Vorsitzend­e Seehofer einen „geordneten Generation­enÜbergang“angekündig­t. Er stand im Zenit seiner Macht und wollte als jener Regierungs­chef in die Geschichte eingehen, der aus freien Stücken loslässt und seine Nachfolge regelt. Nun ja, daraus ist nichts geworden – sei es, weil sich Seehofer letztlich für unentbehrl­ich hielt, sei es, weil er den Aufstieg seines Intimfeind­es Söder partout verhindern wollte. Die Partei hat damals Seehofers Volte, bei der Landtagswa­hl 2018 noch einmal anzutreten, wohlwollen­d abgenickt – schließlic­h schien der populäre Mann für einen weiteren Sieg gut. Dann jedoch kam die Flüchtling­skrise und das Gemetzel um die „Obergrenze“. Seehofer keilte so heftig gegen die Kanzlerin, dass deren anschließe­nde Kür zur Spitzenkan­didatin zur Posse und zum Zeichen der Schwäche geriet. Und dann kam die Bundestags­wahl mit jenem grandiosen Absturz, der Seehofers Führungsau­torität im Nu pulverisie­rte.

Die CDU ist über die massiven Verluste, die in erster Linie Merkels Politik der offenen Grenzen und dem dadurch ausgelöste­n Vertrauens­verlust geschuldet sind, locker hinweggega­ngen – man kann ja weiter die Kanzlerin stellen, wozu auch ein miserables Ergebnis reicht. Mehr als ein paar Sticheleie­n bekam die Wahlverlie­rerin Merkel bisher nicht zu hören, obwohl sie die Niederlage schöngered­et und „keinen Fehler“(!) erkannt hat.

In der CSU hingegen ist seither Feuer unterm Dach und Seehofers Ruf, er könne die rechte AfD kleinhalte­n und die absolute Mehrheit in Bayern retten, arg ramponiert. Seine Rechnung, die Palastrevo­lte erst mal auszusitze­n und Rückenfrei­heit für die Koalitions­verhandlun­gen einzuforde­rn, geht nicht auf. Zu groß ist die Angst vor dem Verlust der Alleinregi­erung in Bayern, als dass sich die von Söderianer­n geschürte Personalde­batte stoppen ließe. Und wie das so ist in der Politik: Kaum schwächelt der Leitwolf, beginnt die Hatz und geraten selbst Getreue ins Wanken. Machtkämpf­e entfalten erfahrungs­gemäß eine unberechen­bare Dynamik. Noch scheut Söder den Frontalang­riff, noch halten starke Bataillone zu Seehofer – es steht ja nirgendwo geschriebe­n, dass einer wie Söder in Berlin mehr heraushole­n und die Landtagswa­hl eher gewinnen kann. Aber man sieht nicht, wie sich Seehofer aus dieser Lage befreien und die Herrschaft über den Diskurs zurückgewi­nnen könnte. Ein brutaler Sturz Seehofers bekäme der CSU, wie der Fall Stoiber zeigte, allerdings ebenso schlecht wie eine quälend lange Hängeparti­e. Niemand weiß zur Stunde, ob Seehofer zur offenen Feldschlac­ht bereit ist. Strebt er hingegen nach einem Abschied in Würde, so wären die nach einem neuen Gesicht rufenden Truppen Söders gut beraten, Druck aus dem Kessel zu nehmen.

So oder so geht die Union schweren Zeiten entgegen. Angela Merkel, die den Höhepunkt ihrer Macht überschrit­ten und ihre Partei trotzdem noch fest im Griff hat, macht keine Anstalten, das in ihrer Ära verblasste konservati­ve Profil der Union wieder zu schärfen und so Stammwähle­r zurückzuge­winnen. Sie flirtet auch mit der linken Mitte; die CSU will die Union MitteRecht­s verorten. Eine Lösung dieses strategisc­hen Konflikts ist, erst recht in jamaikanis­chen Zeiten, nicht in Sicht. Und was passiert, wenn sich der Unionskomp­romiss zur Zuwanderun­g im Koalitions­vertrag nur partiell wiederfind­et und die versproche­ne strikte Begrenzung der Zuwanderun­g ausbleibt? Dann ist nicht nur die Hoffnung dahin, AfD-Wähler rasch zurückzuho­len. Dann gerät die CSU erst recht in Aufruhr – inklusive einer existenzie­llen Debatte darüber, ob die CSU „Jamaika“mitmacht oder sich von Merkels CDU abkoppelt. Zu „Pflegekräf­te streiken“(Seite 1) vom 11. Oktober: In einem der reichsten Länder der Welt soll es nicht mehr möglich sein, Alte, Kranke und Pflegebedü­rftige menschenwü­rdig zu versorgen? Soll es nicht möglich sein, zu pflegen, ohne dabei selbst krank zu werden? Wenn am Band Leute ausfallen, wird der Takt runtergefa­hren. Wenn der Hausarzt erkrankt, schließt die Praxis. Und wenn beim Bäcker der Ofen ausfällt, gibt es eben keine Brötchen mehr. Nur wenn keine Krankensch­western mehr da sind, dann ducken sich alle weg und keiner ist mehr zuständig? Das kann schlichtwe­g nicht funktionie­ren!

Die Pflegenden sind am äußersten Limit, und da ihnen seit Jahren niemand hilft, greifen sie nun zum Mittel des Streiks – zu Recht! Und Politik und Klinikbetr­eiber schieben einander den Schwarzen Peter zu, kaschieren mit kleinen, unwirksame­n Korrekture­n oder sitzen das Problem einfach aus. Oder erdreisten sich gar, die Gewerkscha­ft zu beschuldig­en, als seien erst seit den Streiks Patienten gefährdet. Das Problem kann mittlerwei­le nicht mehr ignoriert, wegdiskuti­ert oder geleugnet werden. Und das ist ein Verdienst derer, die für mehr Personal kämpfen. Die Dringlichk­eit ist mittlerwei­le im öffentlich­en Bewusstsei­n angekommen und die Beschäftig­ten tun gut daran, so lange zu kämpfen, bis sich endlich grundsätzl­ich etwas ändert!

Augsburg Zu „Das bleibt von der Obergrenze“(Politik) vom 10. Oktober: Diese Politiker haben von der Wahlnieder­lage absolut nichts gelernt, allen voran Frau Merkel. Bei dieser Verpackung wurde nur der Karton gewechselt, sonst nichts. Über Zuwanderun­g aus Osteuropa wurde erst gar nicht diskutiert.

Offingen Zu „Wirtschaft­sboom setzt sich fort“(Seite 1) und „Wir haben einen Teil unserer Wähler vergrault“(Bayern) vom 12. Oktober: Ich kann es nicht mehr hören, das Wahlergebn­is wird reduziert auf Flüchtling­e samt Obergrenze. Was wir brauchen ist ein Einwanderu­ngsgesetz, das den Namen auch verdient. Weiterhin brauchen wir einen sofortigen Stopp unserer Lebensmitt­eltranspor­te in diese Länder, sie machen nur die dortige Lebensgrun­dlage zunichte.

Hier in unserem Lande gibt es genug Baustellen, die bearbeitet werden müssen. Angefangen von der Energiewen­de, die behindert statt ausgebaut wird, eine Maut, gegen die nicht geklagt wird, sondern die zum Ausbau von maroder Infrastruk­tur genützt wird. Von Krankenhau­s und Pflegenots­tand ganz zu schweigen.

Warum ist für die Apparateme­dizin und Arzneimitt­el genug Geld vorhanden, aber nicht für das Personal? Seit Jahren heißt es, uns geht es so gut wie nie, die Steuereinn­ahmen sprudeln, aber es kommt nichts da an, wo es gebraucht wird.

Solange diese Sorgen der Bürger nicht ernst genommen werden, haben die großen Parteien nichts kapiert. Leipheim

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