Unter dem Weihnachtsbaum lag ein Zettel – ein Code
ist. Das Übliche, könnte man sagen: Es geht um Gott und die Menschheit, das ganz große Ding also. Irgendwo gibt es eine versteckte Botschaft, irgendwas muss entschlüsselt werden, keiner kann das so gut wie Langdon. Keiner auch so schnell, ein Tag sollte reichen. Nebenbei klappert er diesmal die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Spaniens ab, Guggenheim-Museum in Bilbao, Gaudis Sagrada Familia in Barcelona. Das Übliche ist aber vor allem dies: Keine Woche auf dem Markt, schon steht Browns Roman auf Platz eins der Bestseller-Listen. Und wenn es daher einen Schriftsteller gibt, der auf die Buchmesse in Frankfurt verzichten könnte, weil mehr Aufmerksamkeit in dieser Bücherwelt schier nicht möglich ist, dann Brown. Er ist dennoch da.
Und mit ihm ja auch wieder all diese anderen Büchermenschen, Verleger, Autoren, Buchhändler, die wie Pilger jeden Morgen zum Messeturm ziehen, um die großen Rätsel der Branche zu lösen: Wird das Lesen überleben? Was passiert mit dem Buchmarkt? Gibt es so etwas wie eine Bestseller-Garantie? Und wie kann man die Menschen noch zu den Büchern bringen, wenn alle immerzu aufs Smartphone starren und abends ihre Serien bei Netflix glotzen. Die großen Fragen eben. Letztendlich immer noch unbeantwortet, insofern ist die Messe also genau der richtige Ort für einen wie Dan Brown beziehungsweise Robert Langdon. Wann hatte der Mann schließlich schon mal fünf Tage Zeit, um ein Rätsel zu knacken? Sollte klappen.
einmal sind aber andere wichtige Dinge zu klären. Wie es zum Beispiel mit Gott weitergeht. Es mag auf dieser Messe wirklich sehr viele sehr kluge Menschen geben, die in den wie Waben angeordneten Ständen sehr kluge Worte zum Zustand der Welt und der Literatur äußern, aber die XXL-Fragen sind nur etwas für Dan Brown. Der lächelt fein, streicht sich durchs geföhnte Haar, muss aber doch einmal etwas klarstellen: Er weiß das gar nicht! Er sei weder so klug wie sein Held, noch so mutig und mit seinen Romanen wolle er die Menschheit auch nicht belehren, sondern nur gut unterhalten. Was man an dieser Stelle vielleicht anfügen darf: Er sieht auch nicht ganz so knuffig aus wie der Schauspieler Tom Hanks als Robert Langdon. Der wirkt wiederum dafür oft ein wenig ramponiert
und Brown mit blauem Sakko und heller Hose wie aus dem Ei gepellt.
Aber zurück zu, äh, genau, dem lieben Gott. Nein, natürlich nicht Dan Brown, der ist Agnostiker und sieht die Sache so: Organisierte Religion werde wohl nicht überleben, ein äußerlicher Gott verschwinden, nicht aber die Spiritualität, die sich mit einer künstlichen Intelligenz kurzschließen werde… Zu kompliziert? Etwas ausführlicher, nämlich auf 670 Seiten, steht das so ähnlich auch im neuen Roman. Daraus wird Dan Brown auf dieser Messe auch lesen. Wie es ja alle tun und dann darüber reden, die wenigsten aber wie Brown vor 1800 Zuhörern.
Wer sich nur lange genug durch die Hallen treiben lässt, mal hier lauscht, mal da, braucht zumindest für den Small-Talk gar nicht in die Bücher hineinschauen. Mit den GeErst
sprächsfetzen lässt sich schon ordentlich etwas anfangen. „Robert Menasse? Ist doch der neue Buchpreisträger.“„Stimmt ja, großer Europa-Roman.“„Und, klingt total verrückt, aber den Terroranschlag in Brüssel hatte er im Buch bereits vorhergesehen.“„Echt?…“„Und, bei Rushdie gewesen?“„Salman? Ja, Gott, war das voll. Sagt übrigens Ähnliches wie Menasse, dass sein Roman schon gewusst habe, dass Donald Trump gewählt würde, er selbst es nicht habe wahrhaben wollen …“„Na, so was, interessant. Ich gehe jetzt rüber zu Sebastian Fitzek, Thrillerautor, hält bei den Selbstpublishern einen Vortrag, wie man erfolgreich wird, hahaha ...“„Na dann viel Spaß noch, man sieht sich!“„Heute Abend bei Yasmina Reza?“
In fünf Tagen kann man auf der Messe keine einzige Seite gelesen haben und dennoch zumindest ein Gefühl für diesen Bücherherbst bekommen. Wobei, es fühlt hier ja jeder anders. Auch so ein Rätsel. Ein Verleger erklärt, es sei schon sehr finster in der Buchwelt und alle, die Verlage und die Autoren, würden nur noch die Hälfte verdienen. Ein anderer Verleger sieht die Lage wolkig bis heiter. Weil doch Geschichten erzählen und konsumieren auch für die neuen Generationen wichtig sei. Und dazwischen mahnt die Augsburgerin Eva Leipprand vom Verband der deutschen Schriftsteller, dass durch billige Bücher der „Self-Publisher“allmählich eine „Umsonstkultur“in der Branche etabliert werde. Unwetterwarnung also. Tatsache aber ist: Der Sommer war mies, minus ein Prozent, der Herbst sollte besser groß werden, und zwar mit solchen Kalibern wie