„Mein Grab ist schon ausgehoben“
Nach der Wahl war es kurz still um Sigmar Gabriel. Jetzt dreht der Außenminister mit Witz und Selbstironie im Niedersachsen-Wahlkampf voll auf. Was wird aus dem früheren SPD-Chef? Noch überspielt der Sozialdemokrat den Schmerz
Sigmar Gabriel gewährt einen Blick in sein Seelenleben. Es sei schon ein „ganz schräges Gefühl“, immer noch als Außenminister unterwegs zu sein, während die anderen an Jamaika basteln, erzählt er im „Café Spesso“in Hannover, Stadtteil Bothfeld. Nebenan verramscht ein Matratzenladen seine Produkte zu Kampfpreisen, vor der Fensterfront donnert die Straßenbahn in die City. Zwei alte Damen, die sich für den schlanken Vizekanzler im azur-blauen Jackett hübsch gemacht haben, verputzen vergnügt ihr Tiramisu. Die SPD ist gerade bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent abgeschmiert. Aus und vorbei. Keine neue „GroKo“in Berlin, wie Gabriel bis zum Schluss gehofft hat. Kein Ministeramt mehr. Bye-bye Weltpolitik. Opposition. Generationenwechsel bei den Sozialdemokraten. Für Gabriel ist da kein Platz mehr in der ersten Reihe. Jedenfalls sieht es derzeit stark danach aus.
Im ARD-Deutschlandtrend und im ZDF-Politbarometer geht es mit der Popularität des Chefdiplomaten bereits steil bergab. Seine Frau Anke stimme ihn längst auf die Zeit das wie eine Drohung klingen. Umgekehrt darf man fragen: Wer außer Gabriel kann so fulminant, ohne Manuskript, die Weltlage von Trump bis Kim, von Angst vor Terror und Flüchtlingen, den Aufstieg der AfD und das Versagen der Volksparteien so unters Volk bringen, dass selbst alte Genossen an seinen Lippen hängen?
In der Fraktion hoffen sie, Gabriel, der Architekt der GroKo 2013, habe kapiert, dass seine große Zeit vorbei sei. Aber ist das wirklich so? Gabriel, der brave Hinterbänkler?
Wie eine Abschiedstournee wirken seine Auftritte in Niedersachsen – wo SPD-Ministerpräsident Stephan Weil überraschend aussichtsreich um die Titelverteidigung kämpft – keineswegs. Er wird beobachten, was Andrea Nahles (die er lobt) an der Fraktionsspitze macht. Den angeschlagenen Schulz erwähnt er mit keinem Wort. Am Montag fliegt Gabriel noch mal zum EU-Außenministertreffen nach Luxemburg, andere Auslandsreisen sind in Planung, bis Jamaika die Regierungsgeschäfte übernimmt. Dem Finanzminister Wolfgang Schäuble,