In der Bürokratieklemme
Handwerksbetriebe tun sich schwer damit, Flüchtlinge auszubilden. Doch das liegt nicht unbedingt an den Asylbewerbern, sondern an ganz anderen Dingen
Der junge Mann ist das, was Schreiner einen „echten Holzwurm“nennen, also einer, der sich als Lehrling sehr geschickt anstellt. Das Berufsgrundschuljahr hat er sehr gut bestanden. Er sei unwahrscheinlich freundlich, menschlich in Ordnung – „ein Traum“, urteilt seine Seniorchefin. Das Problem ist nur: Er stammt aus Afghanistan und muss Deutschland voraussichtlich wieder verlassen. Sein Asylverfahren ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber arbeiten darf er dennoch nicht. Er soll nun seine Herkunft nachweisen, doch eine Geburtsurkunde, die sogenannte Tazkira, konnte er noch nicht beschaffen, denn so was wie ein Zentralregister existiert in Afghanistan nicht. Die Seniorchefin der Schreinerei, die wegen des laufenden Verfahrens ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat viel Zeit in den talentierten jungen Mann investiert und ärgert sich über die ständigen bürokratischen Hürden. Sie steht damit nicht alleine.
Kreishandwerksmeister Michael Stoll kennt die Probleme sehr gut. Er hat sich schon früh dafür eingesetzt, dass Flüchtlinge eine Ausbildung bekommen, denn dem Handwerk geht hierzulande bekanntlich der Nachwuchs aus. Mittlerweile sieht er die Sache deutlich nüchterner als noch vor zwei Jahren, wie er einräumt. „Wir sind da ziemlich blauäugig rangegangen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Das liegt nur zum Teil an den Flüchtlingen, die sich in der Schule mit der Sanitär-, Spenglerei- und Heizungsbaubetriebs aus Pfuhl kämpfte intensiv darum, seinen afghanischen Azubi behalten zu dürfen. Die Ausländerbehörde in Augsburg wollte ihn Anfang des Jahres zügig ausweisen, weil er nicht schnell genug einen Pass vorlegen konnte.
Wenn er davon erzählt, kann Stahl ausgesprochen ungehalten werden, denn es dauerte Monate, bis der Pass kam, was allerdings auch nur mit gewissen Zuwendungen im Herkunftsland zu bewerkstelligen war. Allerdings hätte das alles nicht gereicht. Doch dann setzten sich Europaministerin Beate Merk und Neu-Ulms Oberbürgermeister Gerold Noerenberg dafür ein, dass die Bürokratie bei der Fristsetzung etwas großzügiger verfuhr, was sie zuvor nicht getan hatte.
Von ähnlichen Schwierigkeiten kann auch Walter Singer, Asylhelfer aus Vöhringen, berichten. Etwa von dem jungen Pakistani, der bei einer Schlosserei hoffnungsvoll gestartet war, locker die Einstiegsqualifizierung geschafft hatte, doch dann an der Bürokratie scheiterte. Er konnte zwar die geforderte „Bürgernummer“, mit der jeder Pakistani in seinem Heimatland registriert wird, beibringen. Doch die seiner Eltern nicht. Das war das Ende seiner Ausbildung, obwohl er bereits einen Eintrag in der Handwerksrolle bekommen hatte. Singer: „Die Firma bräuchte ihn dringend, aber jetzt sitzt er zu Hause und ist down.“
Es sind solche Beispiele, die den Kreishandwerksmeister sagen lassen: „Für die Betriebe bauen sich Schwierigkeiten auf, da fragt man sich dann, warum man sich das antut. Wir bekommen Knüppel zwischen die Beine geworfen.“Geschäftsführerin Ulrike Ufken fasst die Schwierigkeiten so zusammen: „Die Bürokratie ist das größte Problem.“
Das hatten kürzlich auch die Unternehmen Harder Logistics (NeuUlm), Blech und Technik (Vöhringen) und das Autohaus Mack (Senden/Illertissen) beklagt. In einer sichtlich ungehaltenen gemeinsamen Erklärung kritisierten sie: „Flüchtlinge in unserem Landkreis zu integrieren, wird durch die Bürones kratie behindert.“Während die drei konkret das Landratsamt attackierten – was die Kreisbehörde prompt zurückwies –, wollen das die Handwerker ausdrücklich nicht tun. Die Probleme lägen nicht hier in NeuUlm, sondern an den Vorgaben der bayerischen Landespolitik.
Die Kreishandwerkerschaft schlägt eine Art Unternehmenspatenschaft für Flüchtlinge vor. Das bedeutet: Die Firmen geben ihnen eine Chance im Beruf, und: „Wenn ich jemanden ein Jahr lang teste, dann kann ich mich auch für ihn einsetzen“, so Stoll. Das Landratsamt bekomme dann eine entsprechende Rückmeldung. Es sei doch besser, den Menschen eine sinnvolle Beschäftigung zu geben, als sie in den Unterkünften rumsitzen zu lassen. Ulrike Ufken baut auf den guten Ruf hiesiger Betriebe: „Wenn sich ein Unternehmer für jemanden einsetzt, dann muss das doch Gewicht haben.“
Das letzte Wort in dieser Angelegenheit soll der Pfuhler Josef Stahl bekommen, der den Bogen noch ein wenig weiter spannt, wenn er sagt: „Wenn wir jemanden hier ausbilden, haben doch alle was davon. Wenn er dann irgendwann wieder nach Afghanistan geht, kann er dort sein Land aufbauen. Eine bessere Entwicklungshilfe kann man doch gar nicht leisten.“