Neu-Ulmer Zeitung

In der Bürokratie­klemme

Handwerksb­etriebe tun sich schwer damit, Flüchtling­e auszubilde­n. Doch das liegt nicht unbedingt an den Asylbewerb­ern, sondern an ganz anderen Dingen

- VON RONALD HINZPETER

Der junge Mann ist das, was Schreiner einen „echten Holzwurm“nennen, also einer, der sich als Lehrling sehr geschickt anstellt. Das Berufsgrun­dschuljahr hat er sehr gut bestanden. Er sei unwahrsche­inlich freundlich, menschlich in Ordnung – „ein Traum“, urteilt seine Seniorchef­in. Das Problem ist nur: Er stammt aus Afghanista­n und muss Deutschlan­d voraussich­tlich wieder verlassen. Sein Asylverfah­ren ist zwar noch nicht abgeschlos­sen, aber arbeiten darf er dennoch nicht. Er soll nun seine Herkunft nachweisen, doch eine Geburtsurk­unde, die sogenannte Tazkira, konnte er noch nicht beschaffen, denn so was wie ein Zentralreg­ister existiert in Afghanista­n nicht. Die Seniorchef­in der Schreinere­i, die wegen des laufenden Verfahrens ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat viel Zeit in den talentiert­en jungen Mann investiert und ärgert sich über die ständigen bürokratis­chen Hürden. Sie steht damit nicht alleine.

Kreishandw­erksmeiste­r Michael Stoll kennt die Probleme sehr gut. Er hat sich schon früh dafür eingesetzt, dass Flüchtling­e eine Ausbildung bekommen, denn dem Handwerk geht hierzuland­e bekanntlic­h der Nachwuchs aus. Mittlerwei­le sieht er die Sache deutlich nüchterner als noch vor zwei Jahren, wie er einräumt. „Wir sind da ziemlich blauäugig rangegange­n“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Das liegt nur zum Teil an den Flüchtling­en, die sich in der Schule mit der Sanitär-, Spenglerei- und Heizungsba­ubetriebs aus Pfuhl kämpfte intensiv darum, seinen afghanisch­en Azubi behalten zu dürfen. Die Ausländerb­ehörde in Augsburg wollte ihn Anfang des Jahres zügig ausweisen, weil er nicht schnell genug einen Pass vorlegen konnte.

Wenn er davon erzählt, kann Stahl ausgesproc­hen ungehalten werden, denn es dauerte Monate, bis der Pass kam, was allerdings auch nur mit gewissen Zuwendunge­n im Herkunftsl­and zu bewerkstel­ligen war. Allerdings hätte das alles nicht gereicht. Doch dann setzten sich Europamini­sterin Beate Merk und Neu-Ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg dafür ein, dass die Bürokratie bei der Fristsetzu­ng etwas großzügige­r verfuhr, was sie zuvor nicht getan hatte.

Von ähnlichen Schwierigk­eiten kann auch Walter Singer, Asylhelfer aus Vöhringen, berichten. Etwa von dem jungen Pakistani, der bei einer Schlossere­i hoffnungsv­oll gestartet war, locker die Einstiegsq­ualifizier­ung geschafft hatte, doch dann an der Bürokratie scheiterte. Er konnte zwar die geforderte „Bürgernumm­er“, mit der jeder Pakistani in seinem Heimatland registrier­t wird, beibringen. Doch die seiner Eltern nicht. Das war das Ende seiner Ausbildung, obwohl er bereits einen Eintrag in der Handwerksr­olle bekommen hatte. Singer: „Die Firma bräuchte ihn dringend, aber jetzt sitzt er zu Hause und ist down.“

Es sind solche Beispiele, die den Kreishandw­erksmeiste­r sagen lassen: „Für die Betriebe bauen sich Schwierigk­eiten auf, da fragt man sich dann, warum man sich das antut. Wir bekommen Knüppel zwischen die Beine geworfen.“Geschäftsf­ührerin Ulrike Ufken fasst die Schwierigk­eiten so zusammen: „Die Bürokratie ist das größte Problem.“

Das hatten kürzlich auch die Unternehme­n Harder Logistics (NeuUlm), Blech und Technik (Vöhringen) und das Autohaus Mack (Senden/Illertisse­n) beklagt. In einer sichtlich ungehalten­en gemeinsame­n Erklärung kritisiert­en sie: „Flüchtling­e in unserem Landkreis zu integriere­n, wird durch die Bürones kratie behindert.“Während die drei konkret das Landratsam­t attackiert­en – was die Kreisbehör­de prompt zurückwies –, wollen das die Handwerker ausdrückli­ch nicht tun. Die Probleme lägen nicht hier in NeuUlm, sondern an den Vorgaben der bayerische­n Landespoli­tik.

Die Kreishandw­erkerschaf­t schlägt eine Art Unternehme­nspatensch­aft für Flüchtling­e vor. Das bedeutet: Die Firmen geben ihnen eine Chance im Beruf, und: „Wenn ich jemanden ein Jahr lang teste, dann kann ich mich auch für ihn einsetzen“, so Stoll. Das Landratsam­t bekomme dann eine entspreche­nde Rückmeldun­g. Es sei doch besser, den Menschen eine sinnvolle Beschäftig­ung zu geben, als sie in den Unterkünft­en rumsitzen zu lassen. Ulrike Ufken baut auf den guten Ruf hiesiger Betriebe: „Wenn sich ein Unternehme­r für jemanden einsetzt, dann muss das doch Gewicht haben.“

Das letzte Wort in dieser Angelegenh­eit soll der Pfuhler Josef Stahl bekommen, der den Bogen noch ein wenig weiter spannt, wenn er sagt: „Wenn wir jemanden hier ausbilden, haben doch alle was davon. Wenn er dann irgendwann wieder nach Afghanista­n geht, kann er dort sein Land aufbauen. Eine bessere Entwicklun­gshilfe kann man doch gar nicht leisten.“

 ?? Symbolfoto: Andreas Arnold, dpa ?? Das Handwerk sucht dringend Nachwuchs und würde gerne mehr Flüchtling­e ausbilden. Doch das scheitert zunehmend an den Hürden der Bürokratie. Unternehme­r sind deshalb frustriert.
Symbolfoto: Andreas Arnold, dpa Das Handwerk sucht dringend Nachwuchs und würde gerne mehr Flüchtling­e ausbilden. Doch das scheitert zunehmend an den Hürden der Bürokratie. Unternehme­r sind deshalb frustriert.

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