Neu-Ulmer Zeitung

Eine Klodeckel Designerin träumt von Kaiserin Sissi

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Bruchstück­en aus Opernarien, Musical-Songs und Kinderlied­ern in die WC-Spülung vor. Erfüllend ist das aber alles nicht, und in ihren nächtliche­n Träumen erscheinen der Klodeckel-Designerin regelmäßig sechs historisch­e Frauengest­alten. Aber was wollen ihr die nächtliche­n Traum-Besuche von Johanna von Kastilien, genannt „die Wahnsinnig­e“, von Kaiserin Sissi, der Bildhaueri­n Camille Claudel, von Virginia Woolf, Maria Callas und Amy Winehouse sagen? Kündigen sie Valerie ein baldiges Ableben an, oder wird sie gar selbst wahnsinnig? Mithilfe des Publikums und eines Traumdeutu­ngsbuches versucht die Protagonis­tin, die Ursachen der verstörend­en Träume zu erkunden.

Hopfensitz schlüpft in die Rollen der sechs Frauen, welche die – ebenfalls von ihr dargestell­te – Valerie Deli nächtens heimsuchen. Was haben die sechs verstorben­en Frauen miteinande­r zu tun? Und vor allem: Was haben sie mit Valeries Leben im 21. Jahrhunder­t zu tun? Johanna von Kastilien zieht im Jahr 1506 ihren stets untreu gewesenen und früh verstorben­en Ehemann im Sarg monatelang durch Kastilien. Kaiserin Sissi verbirgt ihr Gesicht jenseits des 30. Geburtstag­es hinter einem schwarzen Fächer und betreibt extremen Körperkult. Camille Claudel – hochbegabt­e Muse von Auguste Rodin – gesteht ihren Zorn auf den Künstler, der sie benutzte. Die hypersensi­ble Virginia Woolf schreibt gegen die Depression an. Maria Callas, die „Diva assoluta“, spricht über Aristotele­s Onassis, der sie ver- ließ. Der stärkste Moment des Abends ist die letzte Miniatur, in der Hopfensitz in die Rolle der britischen Popsängeri­n Amy Winehouse schlüpft, die 2011 an einer Alkoholver­giftung starb. Und die, das ist wahrschein­lich kein Zufall, einen Hit namens „Valerie“hatte.

Die Begegnung mit den tragischen Frauenfigu­ren aus dem Jenseits kommt relativ ernst daher. Den weniger ernsten Anteil des Abends verpackt Hopfensitz in die Ideen und in die Depression der WC-Designerin. Quasi nebenbei zeigt Valerie Deli außerdem, dass Hopfensitz, in Neu-Ulm mit „Mondschein­tarif“ schon einmal ein Soloprogra­mm gezeigt hat, eine wirklich gute Singstimme hat. Am Ende des Stückes wird die von ihr ins Leben gerufene Valerie erkennen: Frau muss die eigene Kreativitä­t verwirklic­hen und darf die Verantwort­ung fürs eigene Leben nicht von anderen übernehmen lassen. Und wenn die eigene Kreativitä­t eben Musik fürs Klo schaffen will – dann auch das! O

Wieder heute, Samstag, und morgen, Sonntag, sowie am 19., 20., 21., 26., 27. und 28. Oktober. Karten on line unter theater neu ulm.de und un ter Telefon 0731/55 34 12. Ein Mann, so breit wie lang: Roger „Rummelsnuf­f“Baptist, Markenzeic­hen heisere Stimme und gewaltige Muskelpake­te, tauchte vor einigen Jahren in den Klubs auf. In seiner Biografie, dieses Jahr erschienen, erzählt der Musiker vom Undergroun­d-Punk der DDR und seiner Zeit als Türsteher, seiner Reisewut und den Konflikten mit den Ordnungsmä­chten, plaudert aus seiner Kindheit und seinen wildesten Jahren. Morgen, Samstag, liest Baptist im Ulmer Büchsensta­del aus „Rummelsnuf­f. Das Buch“. Beginn ist um 20 Uhr, der Eintritt ist frei. Die Lesung wird live auf Radio free FM übertragen. (az)

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