Der talentierte Herr Kurz und sein Schwenk nach rechts
Österreichs politischer Jungstar hat sich erfolgreich aus der Großen Koalition ausgeklinkt. Jetzt muss er Lösungen liefern – und Freiräume für die Zukunft gewinnen
Was ist eigentlich das Bemerkenswerteste am Wahlergebnis in Österreich? Dass der Juniorpartner einer Koalitionsregierung sich personell und inhaltlich neu aufgestellt hat, Neuwahlen vom Zaun brach – und jetzt voraussichtlich den neuen Bundeskanzler stellen wird. In Deutschland dagegen werden Parteien, die mit Kanzlerin Angela Merkel koalieren, von Wahl zu Wahl geschrumpft – während Merkel, die im Übrigen auch ihre eigene Partei schrumpft, weiter im Amt bleibt.
Die konservativ-betuliche Österreichische Volkspartei war ebenfalls solch ein Schrumpfkandidat. Aber ein politisches Nachwuchstalent hat sie unverhofft wieder sexy gemacht: Sebastian Kurz, der bisherige Außenminister, kann nun mit 31 Jahren Europas jüngster Regierungschef werden.
Kurz bestach mit seiner Jugend, mit seinem Elan, der sich zeigte, als er den lahmen Tanker Volkspartei für die Wahl zu einem flinken Schnellboot umbaute, vor allem aber mit seinem Mut, in der aktuellen Lage inhaltlich neue Wege zu gehen. Er verschob in einem Politikfeld, das Österreichs Bürger wie kein anderes bewegt, den Kurs nach rechts: Asyl und Migration. Kurz schuf damit ein klares Unterscheidungsmerkmal zur sozialdemokratischen Kanzlerpartei SPÖ und kam mit seiner „neuen ÖVP“locker über die 30-Prozent-Marke – obwohl der Platzhirsch auf diesem Feld, die rechtspopulistische FPÖ, ebenfalls weiter zulegte.
Warum sind die Österreicher hier so sensibel? Eigentlich besteht kein Grund dafür: Dem Land geht es wirtschaftlich gut. Die Flüchtlingswelle von 2015, die Österreich im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ebenso viele Asylanträge (90000) einbrachte wie Deutschland (890 000), ist abgeebbt, seit mit maßgeblicher österreichischer Hilfe die Balkanroute für Flüchtlinge geschlossen wurde. In der Alpenrepublik gilt eine Art Obergrenze, ein Richtwert, der von der regierenden Großen Koalition auf Betreiben der ÖVP eingeführt wurde, und der 2016 auch nicht überschritten wurde. Sogar ein Burkaverbot, dessen Sinn heftig umstritten ist, wurde in Kraft gesetzt.
Aber die Angst vor Wohlstandsverlust und Überfremdung ist größer als von der klassischen Politiktheorie erwartet. Selbst weltoffene Menschen spüren ein Gefühl der Unsicherheit. Es geht auch nicht nur um materielle, sondern ebenso um kulturelle Werte. Nimmt man das Ergebnis von ÖVP und FPÖ zusammen, so haben an die 60 Prozent der Österreicher für eine weitere rigorose Eindämmung der illegalen Einwanderung gestimmt – nachdem ihnen beide Parteien diese Option aber auch intensiv im Wahlkampf angeboten haben. Kurz hat die Ängste ernst genommen. Nun muss er Lösungen liefern – um Freiräume für politische Zukunftsthemen zu gewinnen.
Sind aus der Österreich-Wahl Lehren für Deutschland zu ziehen? Ein simpler politischer Rechtsschwenk ist kein Patentrezept. Die Volkspartei hat ihre Stimmengewinne nicht nur der Forderung nach besserer Grenzsicherung und Reduzierung der Sozialhilfe für Asylbewerber zu verdanken, sondern auch dem Generationswechsel an der Spitze – und dem talentierten Herrn Kurz, der begeistert.
In diesem Zusammenhang muss auch an den jungen, ebenfalls faszinierenden Emmanuel Macron erinnert werden, der in Frankreich mit einem proeuropäischen Wahlkampf die Rechtspopulistin Marine Le Pen ausgestochen hat. Jetzt will der französische Präsident einen Neustart für Europa. Wo wird Kurz als Kanzler in dieser Frage stehen: an der Seite der Bremser aus den Visegrad-Staaten – oder bei den Erneuerern? Hoffentlich verlässt ihn der Mut zur politischen Neuorientierung nicht so schnell. Zu „Ingolstädter Verhältnisse“(Die Dritte Seite) vom 16. Oktober: In Ihrem Artikel heißt es: Das gute Wahlergebnis der AfD sei vor allem darauf zurückzuführen, dass sie gekonnt mit den Ängsten der Bevölkerung gespielt habe. Dies ist jedoch wohl nur die halbe Wahrheit. Denn nur so lange die etablierten Parteien sich in keiner Weise um die Sorgen und Nöte der Bürger kümmern, kann eine Partei wie die AfD dadurch punkten. Wenn die etablierten Parteien ein weiteres Erstarken der AfD tatsächlich verhindern wollen, so hätten sie jetzt wieder vier Jahre Zeit, um zu zeigen, dass sie endlich ihre Hausaufgaben gemacht haben, indem sie endlich dafür sorgen, dass der Wohlstand in unserem Land auch beim kleinsten Arbeiter oder Rentner ankommt.
Mindelheim Zum Leitartikel „Wenn der Leitwolf schwächelt ...“von Walter Roller am 14. Oktober: Herr Roller beschreibt absolut treffend die Lage von Horst Seehofer, ich würde hinzufügen: Wenn die CSU wieder zu alter Stärke zurückkommen und die an andere Parteien verlorenen Wähler zurückgewinnen will, dann gibt es nur einen Weg: Seehofer tritt zurück und ebnet den Weg zu einem geordneten Übergang, und zwar schnell, bevor er weiter beschädigt wird. Die neue Führung setzt die CSU-Positionen in Berlin bei den Koalitionsverhandlungen durch oder tritt aus der CDU/CSU Fraktion aus, dann soll Frau Merkel sehen, wie sie ohne die CSU eine Regierung hinbekommt. Das ist das, was die CSUWähler wollen und nichts anderes. Dann können die Landtagswahlen in Bayern kommen …
Unterdießen Zum selben Thema: Eine ökumenische Theologie, die strittige Fragen zwischen den Konfessionen theologisch reflektiert, kann erst dann mit Annäherung belohnt sein, wenn ein freiwillig im Zölibat lebender katholischer Priester einem geschiedenen und wieder verheirateten evangelischen Pastor zur Kommunion die Hostie, den Leib Christi, reicht. Solange aber ein Kamel versucht, durch ein Nadelöhr zu kriechen, wird daraus nichts!
Wolfertschwenden Zu „Grundschüler in Freistaat sind die besten“(Seite 1) vom 14. Oktober: Die Überschrift ist schon sehr gnädig gewählt, denn ebenso gut könnte sie heißen: „Grundschüler – bundesweit – deutlich schlechter als vor vier Jahren“. Nun sind Daten jedweder Erhebung eine Sache, deren Interpretation ist eine andere. Rufe nach mehr Geld, mehr Lehrern und kleineren Klassengrößen … Gemutmaßt wird, dass die schlechten Ergebnisse mit dem hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund zusammenhängen könnten. Aber diesen Schülern mangele es an intellektuellem Talent mit Sicherheit nicht… Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich hier jeder die Dinge so zurechtlegt, wie sie in sein Weltbild passen. Eines aber dürfte unstrittig sein: Wer unter den „vorsintflutlichen“Schulsystemen der 60er, 70er Jahre oder von noch früher zu „leiden“hatte, wird sich fragen, welch wundersamer Fügung er es zu verdanken hatte, dass er überhaupt irgendetwas lernte.
Meitingen Zu „Rechtsfreie Zone mitten in Berlin“(Politik) vom 12. Oktober: Großes Lob an den mutigen Verfasser dieses Artikels, Bernhard Junginger. Besser kann man die chaotischen Zustände des früheren Berliner Erholungsgebietes nicht beschreiben. Und das vor der Nase von Bundeskanzlerin und Bundespräsident. Da zeigen sich Ohnmacht und Kontrollverlust unserer Regierung – nicht nur in Berlin.
Diedorf