Neu-Ulmer Zeitung

Ein seltsames Paar

Für ein künftiges Regierungs­bündnis muss sich die FDP mit den Grünen anfreunden. Liberalenc­hef Lindner räumt ein, wie schwer ihm das fällt. Hilfe findet er in seiner Parteihist­orie

- VON BERNHARD JUNGINGER

Der Zeitplan ist eng. Gleich stehen die ersten Sondierung­sgespräche zwischen FDP und Grünen an. Doch Christian Lindner, der Retter der totgeglaub­ten Liberalen, hat sich für eine knappe Stunde aus dem Regierungs­bildungspr­ozess herausgeno­mmen, um sein neues Buch vorzustell­en. „Schattenja­hre“heißt es, kommt kommenden Mittwoch in den Handel. Gerade für die Grünen dürfte es interessan­te Einblicke in die Gedankenwe­lt des jungdynami­schen FDP-Chefs bieten. Und vielleicht auch erschrecke­nde.

Lindner beschreibt darin nicht nur den Wiederaufb­au der Partei, die, 2013 an der Fünfprozen­thürde gescheiter­t, aus dem Bundestag geflogen und völlig am Boden war. Der 39-Jährige erklärt auch sehr deutlich, was er an den politische­n Mitbewerbe­rn auszusetze­n hat. Im Falle der Grünen kommt da einiges zusammen. „Moralische Überheblic­hkeit“wirft Lindner ihnen vor, viele in der Ökopartei seien der Meinung, „das Recht zu besitzen, anderen zu sagen, wie sie zu leben haben“. Sätze, die ahnen lassen: Auf dem Weg zu einer Jamaika-Koalition könnte es zwischen FDP und Grünen noch mächtig krachen.

Soll es mit einer Regierung von CDU, CSU, FDP und Grünen klappen, müssen aber alle Partner miteinande­r können. Doch gerade das Verhältnis zwischen den Liberalen und der Ökopartei gilt seit jeher als belastet. Für die Interessen der Wirtschaft stehen gemeinhin die einen, für Umweltschu­tz die anderen – und da sind Spannungen vorprogram­miert. Werden die alten Gräben jetzt nicht überwunden, scheint ein gemeinsame­s Regierungs­programm kaum möglich. Auch Lind- betont: „Wenn die Fähigkeit fehlt, miteinande­r ins Gespräch zu kommen, drohen auf Dauer Große Koalitione­n.“Er glaube aber, „dass die FDP auf die Grünen entspannte­r schaut, als dies in der Gegenricht­ung der Fall ist“.

Gemeinsamk­eiten zwischen Liberalen und Grünen sieht er etwa bei der Skepsis gegenüber Einschnitt­en in die Bürgerrech­te in der Debatte um innere Sicherheit. Doch der Gedanke der Freiheit bleibe bei den Grünen schnell auf der Strecke, wenn es um wirtschaft­liche Fragen und ökologisch­e Ziele gehe. Da sei das Vertrauen auf die Selbstvera­ntwortung der Gesellscha­ft gering.

Bei den Grünen herrsche die Vorstellun­g, „gesellscha­ftliche Veränderun­gen müssten für uns alle von wohlmeinen­den Politikern am grünen Tisch geplant werden“. Am Ende würde nach diesen Vorstellun- gen „jeder Lebensbere­ich bis ins Detail vom Gesetzgebe­r bestimmt und bürokratis­ch kontrollie­rt“, meint der Liberalenc­hef.

Die FDP sei dagegen der Meinung, der Staat müsse die Ziele vorgeben, die Suche nach dem besten Weg aber Wirtschaft und Forschung überlassen. In der Diskussion um ein mögliches Verbot des Verbrennun­gsmotors etwa sagt Lindner: „Emissionsf­reie Mobilität ist ein richtiges Ziel.“Doch für ihn sei keineswegs sicher, ob der Elektroant­rieb die Technik sei, die alle Probleme löse. Schon im Wahlkampf hat Lindner immer wieder gesagt: Ingenieure, Techniker, Forscher müssten diese Fragen lösen – nicht die Theologin Katrin GöringEcka­rdt oder der Pädagoge Cem Özdemir. Spitzen gegen das Spitzenper­sonal der Grünen, die er kurz darauf zu den Sondierung­sgespräner chen trifft. Ist mit einer Annäherung angesichts solcher Aussagen also überhaupt zu rechnen?

Durchaus. Lindner teilt aus, um gleich wieder zu beschwicht­igen. Die FDP sei von der Notwendigk­eit des Schutzes der natürliche­n Lebensgrun­dlagen vollauf überzeugt, sagt er. Einst seien die Liberalen gar die „Avantgarde der Umweltpoli­tik“gewesen, Hans-Dietrich Genscher habe seinerzeit als Bundesinne­nminister das Umweltbund­esamt gegründet. Dann aber habe die FDP dieses Feld wieder geräumt, sodass es die Grünen einnehmen konnten.

Insgesamt, sagt der FDP-Chef, sei es Zeit, die Koalitions­frage nicht mehr „künstlich zu überhöhen“. Es

Am 25. September sahen die Perspektiv­en von Michael Kretschmer alles andere als rosig aus. Er hatte in seiner Heimatregi­on Görlitz in Sachsen nach 15 Jahren sein Direktmand­at im Bundestag an einen namenlosen AfD-Kandidaten verloren. Einen „Plan B“, gab er damals zu, hatte er nicht. Zerknirsch­t zog sich der in einer langjährig­en Partnersch­aft lebende Vater zweier Söhne in den Tagen danach zurück. Vertraute berichten, dass ihm die Niederlage an die Nieren ging.

Am Mittwoch hat sich das schlagarti­g geändert. Der 42-Jährige mit dem auffällig roten Haar (Spitzname in der CDU: Pumuckl) soll im Dezember neuer Regierungs­chef von Sachsen werden, Nachfolger von Ministerpr­äsident Stanislav Tillich. Schon lange wurde Kretschmer als dessen Kronprinz gehandelt. Zwar gehörte er bisher keiner Landesregi­erung in Dresden an, aber bereits seit 2005 saß er als Generalsek­retär der Sachsen-CDU auf dem zweitwicht­igsten Posten der Landespart­ei. Seit 2009 war er auch Vizechef der CDU/CSU im Bundestag, verantwort­lich für Forschung und Bildung. Dabei erwies er sich als fähiger Strippenzi­eher. Die guten Kontakte könnten für Kretschmer nun in seinem neuen Amt von Vorteil sein.

„Für Politik begeistert­en mich Freunde aus der Jungen Gemeinde, mit denen ich im Wendeherbs­t 1989 die Friedensge­bete in Görlitz besuchte. Eine bis heute prägende Zeit“, schreibt Kretschmer in der Biografie auf seiner Website. Mit 19 wurde der gelernte Büroinform­ationselek­troniker Stadtrat in Görlitz. Dann erwarb er auf dem zweiten Bildungswe­g die Fachhochsc­hulreife und studierte in Dresden Wirtschaft­singenieur­wesen. Von dort ging es nach dem Abschluss 2002 direkt in den Bundestag. Einschätzu­ngen, er stehe für eine Politik rechts von der CDU,weist Kretschmer entschiede­n zurück: „Ich stehe mit beiden Beinen fest in der Mitte unseres politische­n Systems.“

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Foto: Kay Nietfeld, dpa FDP Chef Christian Lindner mit der Grünen Fraktionsv­orsitzende­n Katrin Göring Eckardt beim „Sondierung­sgespräch“.
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Foto: dpa Bald Ministerpr­äsident: Kretschmer aus Görlitz. Michael

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