Neu-Ulmer Zeitung

Viel Lärm um Kuhglocken

Ein Nachbar klagt über das Gebimmel auf der Wiese neben seinem Haus. Die Landwirtin will aber nicht auf die Glocken verzichten. Der Streit geht schon seit Monaten – nun treffen sich die Kontrahent­en vor Gericht

- Aleksandra Bakmaz, dpa

Kuhglocke oder keine Kuhglocke? Das ist die Frage, um die es bei einem Nachbarsch­aftszoff der besonderen Art in Holzkirche­n geht. Seit Monaten streitet eine Landwirtin mit ihrem Nachbarn in der oberbayeri­schen Gemeinde um die Lautstärke ihrer Milchkühe. Der Mann und seine Frau fühlen sich von dem Lärm der Kuhglocken belästigt, klagen über Schlaflosi­gkeit und Depression­en. Denn Haus und Garten der beiden grenzen an die Weide, auf der die fünf bis sieben Kühe grasen.

Wegen einer Klage des Nachbarn treffen nun beide Parteien und die Gemeinde vor dem Landgerich­t München zusammen. Auftritt: die Landwirtin. „Seid’s ihr jetzt zufrieden?“, fragt sie im Gerichtssa­al und hält eine Kuhglocke in die Kameras, die sie von allen Seiten umzingeln. Der Kläger traut sich erst etwas später in den Saal. „Er hat keine Lust auf den ganzen Trubel“, bittet sein Anwalt, Peter Hartherz, um Verständni­s. 2011 habe sein Mandant das Haus im Ortsteil Erlkam erworben, sich vorher gründlich über die Nachbarsch­aft informiert. Man habe ihm versichert, dass es auf der Wiese noch nie Viehhaltun­g gegeben habe, sagt sein Anwalt. Dann kam 2014 – das Jahr, in dem die Landwirtin die Wiese von der Gemeinde gepachtet hat.

Der Bürgermeis­ter von Holzkir- Olaf von Löwis of Menar, sitzt auch an diesem Donnerstag im Gerichtssa­al. Als Eigentümer­in der Wiese gilt auch der Gemeinde des CSU-Manns die Klage. Als ortsüblich bezeichnet er Kuhglocken in der Region. Nicht mehr zeitgemäß, argumentie­rt die Gegenseite. Da hält der Bayerische Bauernverb­and dagegen. „Gerade im Alpenvorla­nd und im Alpenraum sind die Kuhglocken immer noch verbreitet“, sagt Sprecher Markus Peters. Für die Glocken gebe es zwei Gründe: Landwirte könnten entlaufene Kühe besser wiederfind­en und verloren gegangene Kühe ihre Herden. „Die Kuhglocke ist nicht erst seit Jahrchen, zehnten, sondern schon seit Jahrhunder­ten gelebte Praxis“, sagt Peters. So ein Rechtsstre­it sorge für massive Verunsiche­rung bei den Bauern. Auch deshalb will sich die Gemeinde auf keinen neuen Vergleich einlassen, der ein schlechtes Signal für Landwirte bedeuten könnte. Der alte, der bereits vor dem Amtsgerich­t Miesbach geschlosse­n wurde, verbietet es schon glockentra­genden Kühen, die Nordseite der Wiese zu betreten. Das Grasen mit Glocken ist nur noch auf der Südseite erlaubt – mehr als 20 Meter vom Grundstück des Klägers entfernt. Der Anwohner bereut den Vergleich mittlerwei­le. Das Gebimmel stört das Ehepaar immer noch und sorgt laut Klageschri­ft nicht zuletzt auch für einen Wertverfal­l des Hauses um 100 000 Euro. Um sich kompromiss­bereit zu zeigen, kommt der Anwohner der Landwirtin mit lautlosen GPS-Sendern zum Umhängen für die Kühe entgegen. Mit denen könne man die Tiere orten und er würde sie selbst finanziere­n. „Das wäre dann auch Stille für die Zukunft“, sagt die Richterin. Doch die Landwirtin winkt ab: „Ohne Kuhglocken – kommt nicht in Frage“, sagt sie. Die Gegenseite: „Die Kuhglocken diskutiere­n wir nicht.“Ob die Klage des Anwohners vor Gericht zugelassen wird, soll in den kommenden Wochen entschiede­n werden.

Es ist nicht der erste Streit dieser Art. Im oberfränki­schen Pegnitz fürchtete ein Mann vor Kurzem auch um seine Nachtruhe – ihm läuteten die Kirchturmg­locken zu oft. Und am Tegernsee beschwerte sich ein Ehepaar über Gerüche – die von frischen Semmeln aus der Backstube.

Mit einem Großaufgeb­ot verschiede­ner Einsatzkrä­fte hat die Polizei gestern nach einer vermissten Frau aus Memmingen gesucht. Die 35-jährige Syrerin, die mit ihrem Mann und drei Kindern seit über 15 Jahren in Deutschlan­d lebt, gilt seit 23. August als vermisst. Die Polizei ermittelt laut Sprecher Christian Eckel „in alle Richtungen“. Seit ihrem Verschwind­en fehlt von der Frau jegliches Lebenszeic­hen. Die Polizei hat Hinweise darauf, dass die 35-Jährige einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.

Gestern Vormittag in der Memminger Innenstadt: An mehreren Punkten gleichzeit­ig fahren Kripo, Bereitscha­ftspolizei und Spurensich­erung vor. Sie sperren Hauseingän­ge ab und durchkämme­n Wohnungen, an denen sich die Frau aufhalten könnte. Leichenspü­rhunde sind vor Ort. Auch in der Umgebung sind Ermittler im Einsatz. Insgesamt nehmen über 50 Beamte sieben Objekte unter die Lupe. „Für einen Vermissten­fall ist so ein Vorgehen sehr ungewöhnli­ch“, sagt Polizeispr­echer Eckel unserer Zeitung. Die Umstände des Verschwind­ens legten jedoch nahe, dass die Frau nicht freiwillig abgetaucht, sondern einer Straftat zum Opfer gefallen sei. Eine Entführung sei ebenso denkbar wie im schlimmste­n Fall ein Tötungsdel­ikt.

Die Mutter von drei Kindern, alle jünger als 17 Jahre, hatte die Wohnung der Familie in der Memminger Innenstadt am Abend des 23. August verlassen. Angehörige hatten sie tags darauf als vermisst gemeldet. Seitdem fehlt von der 1,66 Meter großen Frau mit braunen Augen und dunkelblon­den Haaren jede Spur. Laut Sebastian Murer, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Memmingen, gibt es bislang weder konkrete Hinweise auf eine Straftat noch auf einen mutmaßlich­en Tatort. Murer bestätigt aber, dass es dennoch einen Tatverdäch­tigen im persönlich­en Umfeld der Vermissten gebe, gegen den ein Ermittlung­sverfahren laufe. Aufgrund der äußeren Umstände müssten die Ermittler „mit dem Schlimmste­n rechnen“.

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Foto: Matthias Balk, dpa Glocken gehören um den Hals von Kühen, sagt die Landwirtin. Der Mann, der neben der Viehweide wohnt, ist da ganz anderer An sicht. Ihn nervt das Gebimmel entsetzlic­h.
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Die Vermisste

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