Viel Lärm um Kuhglocken
Ein Nachbar klagt über das Gebimmel auf der Wiese neben seinem Haus. Die Landwirtin will aber nicht auf die Glocken verzichten. Der Streit geht schon seit Monaten – nun treffen sich die Kontrahenten vor Gericht
Kuhglocke oder keine Kuhglocke? Das ist die Frage, um die es bei einem Nachbarschaftszoff der besonderen Art in Holzkirchen geht. Seit Monaten streitet eine Landwirtin mit ihrem Nachbarn in der oberbayerischen Gemeinde um die Lautstärke ihrer Milchkühe. Der Mann und seine Frau fühlen sich von dem Lärm der Kuhglocken belästigt, klagen über Schlaflosigkeit und Depressionen. Denn Haus und Garten der beiden grenzen an die Weide, auf der die fünf bis sieben Kühe grasen.
Wegen einer Klage des Nachbarn treffen nun beide Parteien und die Gemeinde vor dem Landgericht München zusammen. Auftritt: die Landwirtin. „Seid’s ihr jetzt zufrieden?“, fragt sie im Gerichtssaal und hält eine Kuhglocke in die Kameras, die sie von allen Seiten umzingeln. Der Kläger traut sich erst etwas später in den Saal. „Er hat keine Lust auf den ganzen Trubel“, bittet sein Anwalt, Peter Hartherz, um Verständnis. 2011 habe sein Mandant das Haus im Ortsteil Erlkam erworben, sich vorher gründlich über die Nachbarschaft informiert. Man habe ihm versichert, dass es auf der Wiese noch nie Viehhaltung gegeben habe, sagt sein Anwalt. Dann kam 2014 – das Jahr, in dem die Landwirtin die Wiese von der Gemeinde gepachtet hat.
Der Bürgermeister von Holzkir- Olaf von Löwis of Menar, sitzt auch an diesem Donnerstag im Gerichtssaal. Als Eigentümerin der Wiese gilt auch der Gemeinde des CSU-Manns die Klage. Als ortsüblich bezeichnet er Kuhglocken in der Region. Nicht mehr zeitgemäß, argumentiert die Gegenseite. Da hält der Bayerische Bauernverband dagegen. „Gerade im Alpenvorland und im Alpenraum sind die Kuhglocken immer noch verbreitet“, sagt Sprecher Markus Peters. Für die Glocken gebe es zwei Gründe: Landwirte könnten entlaufene Kühe besser wiederfinden und verloren gegangene Kühe ihre Herden. „Die Kuhglocke ist nicht erst seit Jahrchen, zehnten, sondern schon seit Jahrhunderten gelebte Praxis“, sagt Peters. So ein Rechtsstreit sorge für massive Verunsicherung bei den Bauern. Auch deshalb will sich die Gemeinde auf keinen neuen Vergleich einlassen, der ein schlechtes Signal für Landwirte bedeuten könnte. Der alte, der bereits vor dem Amtsgericht Miesbach geschlossen wurde, verbietet es schon glockentragenden Kühen, die Nordseite der Wiese zu betreten. Das Grasen mit Glocken ist nur noch auf der Südseite erlaubt – mehr als 20 Meter vom Grundstück des Klägers entfernt. Der Anwohner bereut den Vergleich mittlerweile. Das Gebimmel stört das Ehepaar immer noch und sorgt laut Klageschrift nicht zuletzt auch für einen Wertverfall des Hauses um 100 000 Euro. Um sich kompromissbereit zu zeigen, kommt der Anwohner der Landwirtin mit lautlosen GPS-Sendern zum Umhängen für die Kühe entgegen. Mit denen könne man die Tiere orten und er würde sie selbst finanzieren. „Das wäre dann auch Stille für die Zukunft“, sagt die Richterin. Doch die Landwirtin winkt ab: „Ohne Kuhglocken – kommt nicht in Frage“, sagt sie. Die Gegenseite: „Die Kuhglocken diskutieren wir nicht.“Ob die Klage des Anwohners vor Gericht zugelassen wird, soll in den kommenden Wochen entschieden werden.
Es ist nicht der erste Streit dieser Art. Im oberfränkischen Pegnitz fürchtete ein Mann vor Kurzem auch um seine Nachtruhe – ihm läuteten die Kirchturmglocken zu oft. Und am Tegernsee beschwerte sich ein Ehepaar über Gerüche – die von frischen Semmeln aus der Backstube.
Mit einem Großaufgebot verschiedener Einsatzkräfte hat die Polizei gestern nach einer vermissten Frau aus Memmingen gesucht. Die 35-jährige Syrerin, die mit ihrem Mann und drei Kindern seit über 15 Jahren in Deutschland lebt, gilt seit 23. August als vermisst. Die Polizei ermittelt laut Sprecher Christian Eckel „in alle Richtungen“. Seit ihrem Verschwinden fehlt von der Frau jegliches Lebenszeichen. Die Polizei hat Hinweise darauf, dass die 35-Jährige einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.
Gestern Vormittag in der Memminger Innenstadt: An mehreren Punkten gleichzeitig fahren Kripo, Bereitschaftspolizei und Spurensicherung vor. Sie sperren Hauseingänge ab und durchkämmen Wohnungen, an denen sich die Frau aufhalten könnte. Leichenspürhunde sind vor Ort. Auch in der Umgebung sind Ermittler im Einsatz. Insgesamt nehmen über 50 Beamte sieben Objekte unter die Lupe. „Für einen Vermisstenfall ist so ein Vorgehen sehr ungewöhnlich“, sagt Polizeisprecher Eckel unserer Zeitung. Die Umstände des Verschwindens legten jedoch nahe, dass die Frau nicht freiwillig abgetaucht, sondern einer Straftat zum Opfer gefallen sei. Eine Entführung sei ebenso denkbar wie im schlimmsten Fall ein Tötungsdelikt.
Die Mutter von drei Kindern, alle jünger als 17 Jahre, hatte die Wohnung der Familie in der Memminger Innenstadt am Abend des 23. August verlassen. Angehörige hatten sie tags darauf als vermisst gemeldet. Seitdem fehlt von der 1,66 Meter großen Frau mit braunen Augen und dunkelblonden Haaren jede Spur. Laut Sebastian Murer, Sprecher der Staatsanwaltschaft Memmingen, gibt es bislang weder konkrete Hinweise auf eine Straftat noch auf einen mutmaßlichen Tatort. Murer bestätigt aber, dass es dennoch einen Tatverdächtigen im persönlichen Umfeld der Vermissten gebe, gegen den ein Ermittlungsverfahren laufe. Aufgrund der äußeren Umstände müssten die Ermittler „mit dem Schlimmsten rechnen“.