Neu-Ulmer Zeitung

Eine Frage des Vertrauens

Berichten Medien die Wahrheit? Mancher zweifelt daran und glaubt dubiosen Quellen im Internet. Das kann die Demokratie gefährden, meint Wissenscha­ftler Bernhard Pörksen

-

Herr Pörksen, vertrauen Sie deutschen Medien?

Nicht generell, das wäre naiv. Aber ebenso unsinnig wäre es, wie gegenwärti­g in Mode, pauschal über den Niedergang, die Korrupthei­t und die Skandalver­sessenheit des Journalism­us zu klagen. Auch das schiene mir falsch und überzogen. Spätestens mit dem Erstarken von Pegida vor zwei Jahren oder durch die scharfe Medienkrit­ik an der Berichters­tattung über die Kölner Silvestern­acht wurde deutlich, dass ein Teil der Menschen hierzuland­e klassische­n, seriösen Medien keinen Glauben mehr schenkt. Ist das letztlich eine Gefahr für die Demokratie?

Im Letzten ja, auch wenn man sofort hinzufügen muss: Konkrete, präzise, auch scharf formuliert­e Medienkrit­ik muss sein, sie hat ihr gutes Recht. Pauschale Medienkrit­ik ist jedoch gefährlich. Denn eine Demokratie lebt vom Vertrauen in ihre Informatio­nsmedien. Sie setzen Themen von allgemeine­r Relevanz und liefern so die Grundlage für das große öffentlich­e Gespräch, die Debatte. Ohne diese Verständig­ungsorient­ierung kann eine Demokratie nicht funktionie­ren. Oft informiere­n sich diese Menschen ja bei höchst dubiosen Internetqu­ellen – ein Sammelsuri­um aus Verschwöru­ngstheorie­n und Rechtspopu­lismus ...

Das ist das Echokammer­Problem der digitalen Zeit. Man kann sich heute problemlos in seine eigene Wirklichke­itsblase hinein googeln. Irgendwann entsteht dann eine Dynamik der Selbstvers­tärkung – und der Eindruck: Wir sind viele! Und unsere Weltsicht wird ja gar nicht in den klassische­n Medien repräsenti­ert. Das heißt: Unter den aktuellen Kommunikat­ionsbeding­ungen wird die gefühlte Repräsenta­tionskrise zur alltäglich­en Erfahrung.

Viele Journalist­en machen die Erfahrung, dass Menschen, die etwa Verschwöru­ngstheorie­n anhängen, nicht mehr für Argumente oder einen sachlichen Dialog erreichbar sind. Was tun?

Den hart gesottenen Ver- kann man kaum erreichen, weil er jedes Argument zum Beweis umzudeuten vermag. Frei nach dem Motto: Eben weil es keine Hinweise auf eine Verschwöru­ng gibt, ist das der beste Beweis dafür, mit welcher Raffinesse die Verschwöre­r alle Spuren verwischen. Dieser zirkulären Logik beizukomme­n, ist kaum möglich. Und doch: Demokratie lebt von einem nie endenden Versuch des Gesprächs, sie handelt vom Dialog als Daueraufga­be. Mit den Hardlinern wird man vielleicht nicht reden können. Aber mit allen anderen muss man streiten und debattiere­n. Welchen Anteil haben seriöse Medien selbst daran, dass Ihre Berichters­tattung teils überaus kritisch gesehen wird?

Zum einen gibt es konkrete Anlässe, die Kritik verdienen: wirkliche Fehler, das Interesse am Hype, Grenzübers­chreitunge­n im Falle von Anschlägen und Attentaten. Hier braucht es Transparen­z im Umgang mit eigenen Fehlern; das ist das beste Mittel gegen Misstrauen. Zum anderen erleben wir gerade eine Übergangsp­hase der Medienevol­ution, die das Verhältnis von Medien und Publikum fundamenta­l neu ordnet. Hier müssen alle Beteiligte­n dialogfähi­ger werden, meine ich.

Es braucht Augenhöhe?

Es braucht einen neuen, weniger asymmetris­chen Pakt zwischen dem Journalism­us und dem Publikum, ja. Vor zwei Jahren wurde Journalist­en vorgeworfe­n, sie würden „das Volk erziehen“wollen. Meinen Sie, dass diese Diskussion zu Ende ist? Und wenn ja: Welches Fazit ziehen Sie aus dieser Diskussion?

Diese Debatte, die sich an der Flüchtling­skrise entzündet hat, wird weitergehe­n. Meine persönlich­e Zwischenbi­lanz lautet: Journalist­en haben jedes Recht zur eigenen Meinung, aber in diesen aufgeregte­n Zeiten müssen Kommentar und Bericht besonders klar getrennt werden. Und die Pauschalve­rdächtigun­gen der Medienkrit­iker, die zum Beispiel von „Staatsfunk“oder „Willkommen­srundfunk“sprechen, sind Polarisier­ungsmittel. Sie befördern ein schlagwort­gesteuerte­s Denken, das der Debatte nicht guttut.

In den vergangene­n Wochen ist es vor allem um diese Frage gegangen: Wurde der „Rechtsruck“herbeigeta­lkt?

Die Talkshow als verkappte Wahlsendun­g? Das ist mir viel zu einfach gedacht. Medien verstärken Stimmungen, aber erzeugen sie nicht. Vielmehr gilt: Rechtspopu­lisschwöru­ngstheoret­iker ten sind die Profiteure einer veränderte­n Medienwelt. Sie sind bestens im Netz organisier­t, haben längst ihre eigenen Plattforme­n und Selbstbest­ätigungsmi­lieus. Die Behauptung, das Fernsehen habe sie erst groß gemacht, ist medialer Aberglaube, der das größere Bild nicht sieht. Und doch stellt sich die Frage: Wie sollten Medien mit der AfD umgehen?

Selbstkrit­isch, nüchtern, sachorient­iert. Im Grunde genommen geht es um guten Journalism­us am konkreten Fall.

Auch beim Branchentr­eff „Medientage München“, der am Dienstag beginnt, wird es um das Thema Vertrauen gehen – und diese Annahme: Sowohl für klassische als auch für neue digitale Medienange­bote wird der Begriff Vertrauen immer wichtiger. Sehen Sie das ebenfalls so? Unbedingt. Vertrauen ist die Basis der Kritik- und Kontrollfu­nktion des Journalism­us in einer Demokratie. Bedeutsame Enthüllung­en würden wirkungslo­s verpuffen, wenn man den Medienmach­ern pauschal nicht mehr glaubt, ihnen nicht mehr vertraut.

Was bedeutet das für die Medienbran­che?

Es bedeutet, dass der Versuch, das Vertrauen des Publikums zu erhalten oder wieder zu gewinnen, zum gesellscha­ftspolitis­ch notwendige­n Zweitjob jedes Journalist­en wird: durch einen transparen­ten Umgang mit eigenen Fehlern, die Aufklärung über die eigene Arbeitswei­se und durch die richtige Mischung aus Gesprächs- und Konfrontat­ionsbereit­schaft, die jeder differenzi­erte Dialog braucht. Was könnte das nächste große Medienthem­a sein, das von einer breiten Öffentlich­keit diskutiert werden wird?

Meine Prophezeiu­ng lautet ganz unironisch: Medienbild­ung ist das Thema des nächsten Jahrzehnts. Wie kann der Einzelne mit dem großartige­n Geschenk eigener Medienmach­t umgehen? Und wie kann er die diffuse Beeinfluss­ung durch Digital-Monopolist­en besser verstehen? Darum wird es gehen.

Interview: Daniel Wirsching

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany