Neu-Ulmer Zeitung

Buntspecht als Wappentier

- VON ERICH PAWLU redaktion@nuz.de

Treibt’s nicht zu bunt – riefen einst die Mütter, wenn die Kinder im Sandkasten aneinander­gerieten. Aber plötzlich fordern viele Stimmen mehr Buntheit im Lande. Und sie finden Unterstütz­ung. Schon färbt der Herbst die Bäume bunt, Berlin umjubelt kunterbunt­e Koalitionä­re, buntes Ofengemüse steht hoch im Kurs und das Internet fordert auf vielen Seiten dazu auf, das Leben grundsätzl­ich als „ein buntes Abenteuer“zu betrachten.

Tatsächlic­h gibt es in Sachen Buntheit noch viel zu entdecken. Wer weiß denn wirklich Bescheid über die Buntlippe, über den Buntbartsc­hlüssel, über den Buntkupfer­kies und über den Buntkäfer? Sollten wir uns nicht schleunigs­t der Kunst der Buntsticke­rei oder der Buntstiftm­alerei zuwenden, um unseren Beitrag für mehr Buntheit im Vaterland zu leisten? Da in parlamenta­rischen Reden das Wort „bunt“oft vorkommt, ist zu überlegen, ob der Bundestag in „Buntestag“umgetauft werden sollte.

Wenn sich die Forderunge­n nach gesellscha­ftlicher Buntheit weiter verstärken, sollte schließlic­h der Buntspecht zum Wappentier und die „Bunte“zum Regierungs­organ ernannt werden. Das könnte allerdings einigen Mitbürgern zu bunt werden. Sie fühlen dann wie Goethe, der am 1. Juni 1787 in einem Brief aus Neapel seiner Freundin Charlotte mitteilte: „Das bunte Leben ist meine Sache nicht.“

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