Buntspecht als Wappentier
Treibt’s nicht zu bunt – riefen einst die Mütter, wenn die Kinder im Sandkasten aneinandergerieten. Aber plötzlich fordern viele Stimmen mehr Buntheit im Lande. Und sie finden Unterstützung. Schon färbt der Herbst die Bäume bunt, Berlin umjubelt kunterbunte Koalitionäre, buntes Ofengemüse steht hoch im Kurs und das Internet fordert auf vielen Seiten dazu auf, das Leben grundsätzlich als „ein buntes Abenteuer“zu betrachten.
Tatsächlich gibt es in Sachen Buntheit noch viel zu entdecken. Wer weiß denn wirklich Bescheid über die Buntlippe, über den Buntbartschlüssel, über den Buntkupferkies und über den Buntkäfer? Sollten wir uns nicht schleunigst der Kunst der Buntstickerei oder der Buntstiftmalerei zuwenden, um unseren Beitrag für mehr Buntheit im Vaterland zu leisten? Da in parlamentarischen Reden das Wort „bunt“oft vorkommt, ist zu überlegen, ob der Bundestag in „Buntestag“umgetauft werden sollte.
Wenn sich die Forderungen nach gesellschaftlicher Buntheit weiter verstärken, sollte schließlich der Buntspecht zum Wappentier und die „Bunte“zum Regierungsorgan ernannt werden. Das könnte allerdings einigen Mitbürgern zu bunt werden. Sie fühlen dann wie Goethe, der am 1. Juni 1787 in einem Brief aus Neapel seiner Freundin Charlotte mitteilte: „Das bunte Leben ist meine Sache nicht.“