Leitartikel
Spanien, Italien, Belgien: Überall in der EU kämpfen Regionen um Autonomie. Die europäische Idee aber fußt auf Integration, nicht auf Sezession
Die Reflexe sind überall die gleichen, ob in Katalonien, in Flandern, Schottland oder der Lombardei. Hier der Nationalstaat als Synonym für alles Ungerechte und Unvollkommene – dort eine Region, wirtschaftsstark und selbstbewusst, die sich allein durch ihre schiere Zugehörigkeit zu eben jenem Nationalstaat im Nachteil wähnt. Nicht in jedem Land nimmt der Separatismus deshalb gleich Formen wie in Spanien an, wo ein irrlichternder Provinzfürst den Konflikt auf die Spitze treibt. In der Summe aber müssen die Autonomiebewegungen, die über Korsika und Grönland bis zur ungarischen Minderheit in Rumänien reichen, ganz Europa zu denken geben. Das häufig bemühte Europa der Regionen ist für viele seiner Regionen offenbar mehr Fluch als Segen.
Nicht nur die Katalanen, auch die Flandern wären bereit, für ihre Unabhängigkeit einen hohen Preis zu bezahlen – den Verzicht auf eine Mitgliedschaft in der EU und der Eurozone. 60 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge hat die große Idee von einem gemeinsamen Europa in den Mitgliedsländern viel von ihrer Faszination verloren. Das Bild vom alles vereinnahmenden, alles bestimmenden Brüssel hat nicht nur die Briten in den Brexit getrieben – es liefert auch die Blaupause für die Autonomiebestrebungen in Regionen wie Katalonien, der Lombardei oder Venetien, die sich von den Zentralregierungen in Madrid und Rom ähnlich bevormundet fühlen.
Ein Europa der nationalen und regionalen Egoismen aber hat auf Dauer keine Zukunft – auch wenn diese Egoismen sich aus höchst unterschiedlichen Motiven ableiten. In Spanien schwingt noch immer der Hass auf den Diktator Franco mit, der den Katalanen sogar ihre Sprache verbot. Im wohlhabenden Norditalien dagegen geht es weniger um staatliche Unabhängigkeit als um zutiefst materielle Interessen, weil von dem hohen Steueraufkommen nur ein kleiner Teil in den Regionen bleibt, die es erwirtschaften. Die Flandern wiederum liegen irgendwo dazwischen. Sie argumentieren mit ihrer kulturellen Identität, die sie von der französischsprachigen Wallonie in Belgien trenne, aber auch mit den Milliardensummen, die sie dorthin überweisen. Würde Katalonien tatsächlich unabhängig, könnte das eine Art Domino-Effekt auslösen. Aus Sardinien ist schon eine Gruppe von Separatisten nach Barcelona gepilgert, um sich Anschauungsunterricht im Unabhängigkeitskampf geben zu lassen...
Die europäische Idee fußt auf Integration, nicht auf Sezession, und die EU ist auch kein Verbund von Regionen, sondern ein Verbund von Staaten. Umso befremdlicher jedoch ist es, wie gelähmt EU-Europa den Konflikt mit den Katalanen verfolgt – als handle es sich um ein rein spanisches Problem. Tatsächlich geht es um nicht weniger als die Zukunft der Union: Soll Europa in die Kleinstaaterei zurückfallen und die EU irgendwann aus 90 Ländern bestehen, wie Jean-Claude Juncker bereits unkt, der Präsident der Kommission? Braucht dieses Europa, im Gegenteil, nicht funktionierende, potente Nationalstaaten, um seinen Platz zwischen den USA und aufstrebenden Mächten wie China oder Indien zu behaupten?
Mit der rückwärtsgewandten Logik der Katalanen könnte im Übrigen auch Bayern seine Freiheit zurückfordern: widerstrebend Souveränität an den Kaiser in Berlin abgegeben, später in einen Bundesstaat eingemeindet und seit Jahrzehnten der Zahlmeister der Republik. Warum es trotzdem klüger ist, eine starke Region in einem starken Land zu bleiben, mit einer starken Währung im Rücken und starken Partnern in Europa an der Seite, kann Horst Seehofer dem Kollegen Carles Puigdemont bei Gelegenheit ja mal erklären. Zu „Dieser Einsatz kostet 150 000 Euro“(Sport) vom 17. Oktober: Da muss unsereiner für die Integration der Flüchtlinge in die Vereine jeden Euro zweimal umdrehen und ist froh um jeden Cent, und dann verpulvern Krawallmacher nicht nur höchst gefährliche Brandsätze, sondern auch noch Steuergelder. Da hören Spaß und Sport komplett auf und man stellt sich zudem die Frage, wie unaufmerksam und naiv die Securitys an den Eingängen zur Arena sind. Die Pyrotechnik war in den Fahnen versteckt – einmal gut geschüttelt, und das Zeug fällt raus. Eigentlich müsste man jedem dieser gewaltbereiten Ultras einen Alarm-Chip dort einpflanzen, wo normale Menschen das Gehirn haben, auf dass sie in kein Stadion der Welt mehr gelangen.
Augsburg Ebenfalls dazu: Als interessierter Zuschauer von Fußballspielen nervt es, wenn man Woche für Woche über Ausschreitungen von Fans vor, während und nach Fußballspielen sehen und lesen muss. Wenn dann auch noch tausende von Polizeibeamten, die Millionen Euro kosten, für die Sicherheit sorgen müssen, ist das für mich unverständlich. Für jeden Schmarren werden Bestimmungen und Gesetze erlassen, hier versagen die Politiker total. Es wäre das Einfachste, wenn man straffällig gewordene Störer an den anfallenden Kosten beteiligen würde. Schnell würde sich diese Maßnahme verbreiten und wieder Ordnung bei Fußballspielen eintreten.
Mering Zu „Auch Katholiken fordern Feiertag für Muslime“(Seite 1) vom 18. Oktober: Dann machen wir eben den 19. März zu einem multireligiösen Feiertag. Im Koran (Sure 12) berichten Muslime und in der Bibel (Buch Genesis 27–50) Juden und Christen ausführlich über Josef und seine Brüder. Diese großherzige – durch Leid geprüfte – Persönlichkeit ist angesichts der weltweiten Migrationsproblematik besonders aktuell und verdient einen gesetzlich garantierten Platz in unserer Festtagskultur.
Geltendorf Zu „Jangtse und Indus vermüllen die Ozeane“(Panorama) und „Die große Show des Xi Jinping“(Politik) vom 19. Oktober: Die unverantwortliche Verschmutzung der Weltmeere mit Müll aus China passt so gar nicht zu dem imperialen Gehabe des chinesischen Staatschefs. Leider schielt die westliche Gesellschaft sehr stark auf die Kaufkraft einer Milliarden-Bevölkerung in China und duckt sich vor der scheinbar unaufhaltsamen militärischen Großmacht.
Die Kehrseite der Medaille, nämlich die fast vollständige Abschaffung der Menschenrechte, die vollständige Zerstörung der Presseund Meinungsfreiheit und die Unterjochung von Autonomie-Bemühungen in Tibet und bei den Uiguren, wird von westlichen Staatsund Regierungschefs kaum noch erwähnt. Wie gut stünde es einem EU-Kommissionschef wie Herrn Juncker an, wenn er hier einmal auf die großen Versäumnisse und Schwächen der chinesischen Regierung in aller Öffentlichkeit hinweisen würde. Das gilt im Übrigen genauso für die Regierungschefs der einzelnen EU-Länder.
Bad Wörishofen