Neu-Ulmer Zeitung

Büffeln bis zum Nachmittag

Die Vöhringer Realschule bietet seit diesem Schuljahr eine gebundene Ganztagskl­asse an – als einzige im Landkreis

- VON MADELEINE SCHUSTER

Unterricht am Nachmittag – und das viermal in der Woche. Für 25 Schüler der Realschule in Vöhringen ist das seit September Alltag. Denn die Kinder besuchen seit diesem Schuljahr eine gebundene Ganztagskl­asse. Die Vöhringer Einrichtun­g ist damit die einzige Realschule im Landkreis Neu-Ulm, die dieses Angebot anbietet – und das offensicht­lich mit Erfolg: „Die Eltern“, sagt stellvertr­etender Rektor Winfried Aschenbren­ner, „haben uns vor Schulbegin­n die Türen eingerannt.“33 Schüler seien anfangs angemeldet gewesen, einigen habe man sogar absagen müssen.

Eines der Merkmale des gebundenen Ganztags ist der Nachmittag­sunterrich­t an vier Tagen. In Vöhringen sei die Nachfrage nach dieser Form der Betreuung über die Jahre gestiegen. Weil viele Eltern berufstäti­g sind und es immer mehr Alleinerzi­ehende gebe, sagt Aschenbren­ner. In diesem Schuljahr hat der stellvertr­etende Rektor gemeinsam mit seinen Kollegen deshalb den Schritt gewagt und die Schule für den gebundenen Ganztag geöffnet.

In einer fünften Klasse büffeln die Kinder nicht nur am Morgen, sondern auch am Nachmittag. Freitags ist um 12.05 Uhr Schluss. Der Unterricht sei so strukturie­rt, dass die Buben und Mädchen zwischendu­rch genügend Pausen und Erholungsp­hasen haben. Auch ein Mittagesse­n muss den Schülern angeboten werden. Aschenbren­ner zeigt einen ausgeklüge­lten Plan mit unterschie­dlichen Mahlzeiten und Menüs – vegetarisc­h oder mit Fleisch.

Anders als ihre Mitschüler in den normalen 5. Klassen bekommen die Ganztagssc­hüler eine Stunde mehr Unterricht in den Hauptfäche­rn Mathe, Deutsch und Englisch. Der Lehrplan sei dagegen derselbe. „Die Kinder haben also mehr Zeit, den Stoff zu lernen“, sagt Aschenbren­ner. Ihr Schultag ist insgesamt entzerrter. Das mache sich auch im Unterricht bemerkbar, der mit Übungseinh­eiten am Nachmittag „aufgelocke­rter und nicht so geballt“sei. Während einer betreuten Lernzeit können die Schüler außer-

dem ihre Hausaufgab­en machen. Der Vorteil: „Wenn sie am Nachmittag nach Hause kommen, sind alle schriftlic­hen Aufgaben erledigt.“Nach Schulschlu­ss um 15.30 Uhr bleibe genug Zeit für Hobbys.

Im Gegensatz zu Grund-, Mittelund Förderschu­len im Kreis NeuUlm, an denen das gebundene Ganztagsan­gebot in den vergange-

nen Jahren stetig ausgebaut wurde, hinken Realschule­n und Gymnasien derzeit aber noch hinterher. Im Landkreis ist das Lessing-Gymnasium in Neu-Ulm das einzige seiner Art, das gebundene Ganztagskl­assen (in den Jahrgangss­tufen 5 bis 7) hat. Bei den Realschule­n gibt es das Angebot nur in Vöhringen (Jahrgangss­tufen 5 und 6). „Unser Ziel ist es

definitiv, den gebundenen Ganztag weiter auszubauen“, sagt Heiko Schleifer, Fachbereic­hsleiter für Schule am Landratsam­t. Denn die Nachfrage im ganzen Landkreis steige. „Die Vereinbark­eit von Familie und Beruf wird immer wichtiger“– und das auch in eher ländlich geprägten Regionen wie dem Landkreis-Süden.

Weitaus größer ist das Angebot an offenen Ganztagskl­assen, die es mittlerwei­le an allen Realschule­n und Gymnasien gibt. Dort werden die Schüler am Nachmittag in loseren Gruppen betreut. Der Unterricht findet wie gewohnt überwiegen­d am Vormittag statt. Eltern haben die Möglichkei­t, ihr Kind an ausgewählt­en Tagen zum Nachmittag­sangebot anzumelden, etwa von Montag bis Mittwoch. Auch hier werden Mittagesse­n und Hausaufgab­enbetreuun­g angeboten.

Müsste Lehrer Winfried Aschenbren­ner eine Empfehlung für eines der beiden Modelle ausspreche­n, würde er sich klar für die gebundene Ganztagskl­asse entscheide­n. „Die Schüler bleiben den ganzen Tag in einem Klassenver­bund. Das ist ein großer Vorteil.“

Die Lernzeiten, in denen die Kinder ihre Hausaufgab­en machen, werden zudem von Lehrern begleitet – im Gegensatz zum offenen Ganztag, wo die Aufsicht auch von anderen Pädagogen übernommen werden kann. „Die Lehrer wissen, welche Aufgaben die Schüler erledigen müssen“, sagt Aschenbren­ner. Die Schüler wiederum können nachfragen, wenn sie etwas nicht verstehen.

Das gebundene Ganztagsan­gebot auch auf die 7. und 8. Klassen auszuweite­n, sei in Vöhringen aber nicht vorgesehen. „Je älter die Kinder werden, desto geringer ist die Nachfrage.“Denn ab einem gewissen Alter können sich die Kinder zu Hause selbst organisier­en. Eine Betreuung am Nachmittag sei dann meist nicht mehr nötig.

An den Realschule­n spricht zudem die Schulorgan­isation ab der siebten Jahrgangss­tufe gegen das Modell gebundene Ganztagskl­asse. Denn dann können die Schüler zwischen vier unterschie­dlichen Zweigen wählen. „Das zu koordinier­en, wäre bei nur einer Ganztagskl­asse unmöglich“, sagt Aschenbren­ner. Den gebundenen Ganztag als das Schulmodel­l schlechthi­n zu bezeichnen, davon hält der stellvertr­etende Rektor nichts. „Eltern und Schüler sollten immer die Wahl haben, welche Schulform für sie am besten ist.“

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Symbolfoto: Daniel Bockwoldt/dpa Unterricht auch am Nachmittag: Was bis vor einigen Jahren noch die Ausnahme war, ist für die Kinder einer gebundenen Ganz tagsklasse Alltag. Viermal die Woche haben die Schüler dort Nachmittag­sunterrich­t.

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